Restitution & Identität

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Armin_Maurer
schrieb am 24.07.2009, 13:17 Uhr (am 24.07.2009, 13:42 Uhr geändert).
Vielleicht ist es nicht von ungefähr, dass sich bei der Diskussion zum Thema „Rehabilitation und Restitution - Gerechtigkeit und Recht“ immer wieder die Identitätsfrage, die unter normalen Umständen eine glatte „Themaverfehlung“ wäre, aufdrängt.

Ich deute dieses Phänomen so, dass wir die moralisch-ethische Berechtigung auf Wiedergutmachung von der Frage abhängig machen, was wir als Deutsche überhaupt in Siebenbürgen „verloren haben“.

Im Gegenzug verwundern wir uns darüber, dass wir Siebenbürger Sachsen in Deutschland (wo wir eigentlich hingehörten!?) als Migranten wahrgenommen werden.

Meiner Ansicht nach, darf ein Volk, das 850 Jahre lang ein Gebiet besiedelt und kultiviert hat, nicht kurzerhand zu „Kolonisten“ erklärt werden, deren eigentliche Heimat ihr Ursprungsland sei.

Bei einer solchen Wahrnehmung dürften wir 90% der US-Bürger als Kolonisten und Invasoren bezeichnen, die gut daran täten, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren.

Ebenso falsch wäre eine solche Etikettierung und die damit verbundene Vorstellung in Bezug auf die Banater Schwaben, deren große - jede Berechtigungsfrage zernichtende - Leistung es bekanntlich war, das Banat aus Sumpfland in Ackerland verwandelt und überhaupt erst bewohnbar gemacht zu haben.

Deshalb bin ich der Ansicht, unsere nationale Identität hat so gut wie gar nichts mit der Restitutionsproblematik zu tun. Vielmehr geht es hierbei um unsere Diskriminierung als Deutsche in Rumänien und eine perfide Form der Vertreibung, deren Ziel es war, uns als Sündenbock in die russischen Straflager zu schicken, uns später zu einem guten „Stückpreis“ nach Deutschland zu verkaufen, und letztlich uns Häuser, Grundstücke und zivilisatorische Erungenschaften unwiederbringlich (?) zu stehlen.

Das Etikett „Deutscher“ ließ sich, nach der nationalen Erbsünde dieses Volkes im 20. Jh., wunderbar benutzen, um die kleinen Volkssplitter der Siebenbürger Sachsen und der Banater Schwaben in eine so große Bedrängnis zu bringen, dass sie ihrer Heimat „freiwillig“ den Rücken kehrten, um sich als „Personen mit Migrationshintergrund“ in Deutschland wiederzufinden.

Vielen anderen Bürgern Rumäniens ging es während der letzten 70 Jahre nicht viel besser. Auch sie wurden, nur weil es bei ihnen „etwas zu holen gab“, ihres Eigentums mit Hilfe des rumänischen Staates beraubt und haben infolgedessen resigniert oder kämpfen gegen das erlittene Unrecht an. - Nur vermischen sie die erlittenen Menschenrechtsverletzungen nicht mit der Frage ihrer nationalen Identität.

Ein gemeinsames Haus „Europa“ muss, wenn es denn die alten verheerenden Konflikte zwischend den Menschen überwinden will, die Frage nach der Nationalität nicht schwerer bewerten, als beispielsweise die der Religion oder der parteipolitischen Zugehörigkeit.

Mit anderen Worten: Mein Siebenbürger-Sachse-Sein ist meine Privatangelegenheit. Das Maß, in dem ich meine „Saxonität“ kultiviere ebenfalls.

Für die Menschrechte und ihre Verletzungen darf das aber nicht gelten. Sie sind keine Privatsache. Sie gehen uns alle etwas an. Ein Staat ist nicht berechtigt, über seine Bürger herzufallen, sie zu enteignen und sie außer Landes zu drängen. Ein Staat muss das Eigentum und die Kultur seiner Bürger respektieren. Wenn es zu Verletzungen solcher Grundrechte kommt, muss ein zivilisierter europäischer Staat danach trachten, den Schaden so schnell wie möglich rückgängig zu machen.
Carl Gibson
schrieb am 24.07.2009, 13:43 Uhr
So extrem kann man die Dinge auch zuspitzen, Herr Maurer. Fast alles ist berechtigt, was Sie festellen.

Nur müssen wir den praktikablen Dingen ins Auge sehen- im Rahmen der Möglichkeiten der Realpolitik.

Rumänien ist heute ein rechtunsichers Sodom und Gomorra, ein Land im Umbruch mit oligarchischen Strukturen und pseudodemokratischen Verhältnissen, die über Demagogie herbei geführt wurden - bis in den EU-Beitritt hinein:

Zum Status quo zitiere ich aus dem Top-Artikel von heute, SbZ:

"Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge erklärte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso: „Der Reformprozess wurde in Gang gesetzt, aber er muss jetzt von einem nationalen politischen Konsens unter Einschluss aller politischen Parteien und Institutionen getragen werden und überzeugendere Ergebnisse liefern. Die Menschen in beiden Ländern und im übrigen Europa müssen spüren, dass niemand über dem Gesetz steht.“

Die Kommission kritisierte Rumänien härter als Bulgarien. Rumänien gehe nur fragmentarisch gegen die Korruption vor. Das Rechtswesen werde nach wie vor von der Politik unter Druck gesetzt. Brüssel kündigte an, beide Länder zumindest bis Juli 2010 streng beobachten zu wollen. Als Reaktion auf die Kritik aus Brüssel hat Bukarest neuerlich seinen Reformwillen bekräftigt. So hat der rumänische Justizminister Cătălin Predoiu laut Reuters betont, dass Rumänien die Reform des Justizsystems fortsetzen werde.

In der Medienberichterstattung wurde anlässlich der neuesten EU-Fortschrittsberichte auch Kritik an der Europäischen Union geübt. „Es rächt sich, dass die EU aus politischen Motiven die Hürden für den Beitritt beider Staaten gesenkt hat. Ein Fehler, der nachträglich schwer zu korrigieren ist. Das sollte eine Lehre sein mit Blick auf die nächsten Anwärter“, kommentierte die Neue Osnabrücker Zeitung. "

Das ist die Situation.

Wenn wir die Gründe des Exodus in der deutschen Öffentlichkeit veranschaulichen,
können wor mehr Akzeptanz für privatrechtliche Fragen finden und durchsetzen.

Deshalb sprach ich die Angleichung von nationalem Recht und EU-Recht an.
Die Methode, wie man mit Hilfe von Verband und Parteien effizient zum Zweck gelangt,
wie Druck auf die Rumänen ausgeübt werden kann,
muss noch eruiert werden.
Carl Gisbon

Bäffelkeah
schrieb am 24.07.2009, 14:01 Uhr
Sodom und Gomorrha, Herr Gibson? Da schießen Sie nun aber gewaltig übers Ziel hinaus! In einem anderen Thread haben Sie den Gebrauch des der Bibel entlehnten Begriffs "Judasverrat" als antisemitisch besetzt scharf verurteilt. Ihr Vergleich Rumäniens mit den biblischen Städten Sodom und Gomorrha, Sinnbild für gesellschaftliche Dekadenz, Inbegriff sündhafter menschlicher Verkommenheit, ist völlig deplatziert. Ich finde es höchst anmaßend, über ein Land und seine Gesellschaft so den Stab zu brechen. Ein solches Pauschalurteil, das zudem kollektiv verunglimpft, steht einem zu differenzierendem Denken verpflichteten Wissenschaftler übel an. Eine derart plakative "Schlagzeile", voll moralischer Entrüstung und Häme, hat fast schon BILD-Zeitungsniveau!
Armin_Maurer
schrieb am 24.07.2009, 15:06 Uhr
Danke zunächst, sehr geehrter Herr Gibson, für die geistigen Bezüge, in welche Sie den Diskurs um die Restitution und das Recht gestellt haben! Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass wir bei allen unseren Interessen gut beraten sind, genau zu befragen, was wir bezwecken und ob wir uns nicht etwa "in die Tasche lügen", wenn wir hehre Gründe anführen, um derlei Ziele wie die Restitution unserer konfiszierten Häuser und Grundstücke zu erreichen.

Das Thema soll ruhig kontrovers behandelt werden. Wenn Bäffelkeah sich an „Sodom & Gomorrha“ stört, können wir die beiden Ortschfaten bestimmt durch die gute alte Hure Babylon ersetzen, was dann gleichwohl nicht alle Rumäninnen und Rumänen zu Insaßen eines imaginierten Freudenhauses machen wird.

Interessant ist auch, dass die europäischen Institutionen sich langsam darüber inne werden, welche Risiken mit der Aufnahme Rumäniens in die EU in Kauf genommen wurden.

Es gehört, so meine ich, mit zu unseren Pflichten, als inzwischen „versiertere Europäer“, Mediatoren für die Probleme Rumäniens zu sein und - etwa im Hinblick auf die Restitution - an den Europarat und an westeuropäische Regierungen zu berichten, was sich vor allem auf lokalpolitischer Ebene in Rumänien abspielt.

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