Eine Geschichte ,

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Wanderer
schrieb am 08.08.2008, 22:24 Uhr
Leben und leben lassen von Misch Maier

Als sie aus der„Traube“heraustraten - es war recht spät geworden -,legte Sepp seinen Arm kameradschaftlich um Mathias‘ Schulter und stimmte gleichzeitig das Lied aus der Rekrutenzeit an:„Ein neuner Husar von der sechsten Kompanie,der hat ihr die Ehr genommen...“ Es klang nicht schön,dafür aber laut.Mathias keilte den Freund in die Seite und gab ihm zu bedenken:„Mensch, verhalte dich ruhiger! Vergiß nicht,wir sind Delegierte!“
„Ach was!Hier in Me-,in Mediasch kennt uns kein Hund.“Dabei machte er mit der Hand eine weitausholende Bewegung und traf einen Laternenpfahl.Sepp liebte Gesang über alles,zumal wenn er ein bißchen getrunken hatte.Deshalb fuhr er im Text fort:„...Und aus dem Schlaf erwaacht und aus dem Schlaf erwa-acht,fing sie gleich an zu weinen...“
Es war ja auch ein erschütternd schönes Lied.
Mathias mußte energisch intervenieren:„Hör auf,Sepp!
Die sperren uns noch ein wegen Huli - Huliga-nissimus!“
„Hupp!“ meinte Sepp. „Na ja, wenn du sagst...
dann gehn wir halt schlafen in unser Huli-Hotel.
Hast du überhaupt den Schlüssel vom Zimmer?“
„Was brauch ich Schlüssel? Der Portär steht ja dort.“
„Bist ungebildet,Hias,hupp - Man sagt nicht Portär,sondern Portür.Weil er nämlich bei der Tür steht.Verstehst?“
Sie lachen über den guten Witz und stapfen, sich gegenseitig stützend,der Herberge zu.Aber Schmarren mit Kren! Da war kein Türsteher weit und breit zu erblicken.
„Nun siehst du wohl,mein Lieber“,sagt der Hias.
„Man sagt doch Portär und nicht Portür!“
Darauf schlurften sie den Gang entlang und versuchten rechts und links,ob irgendeine Tür offen wäre.In dieser Hinsicht hatten sie tatsächlich Glück,aber es hatte bloß jemand vergessen,zuzuriegeln.Als das Licht aufflammte,sprang ein ältliches Fräulein im wallenden Nachtgewand entsetzt aus dem Bett,kniete vor den Wüstlingen nieder und flehte mit erhobenen Händen:
„Um Gottes willen,lassen Sie mich leben!“
„Hupp!“ sagte Sepp. „Das kann man ja machen!“
Und spontan erscholl aus rauhen Männerkehlen der Rundgesang:
„Hach soll sie leben! Hoch soll sie leben! Dreimal hoch!“




tschik
schrieb am 09.08.2008, 01:20 Uhr
Die Vinzer Bahnlinie
von Misch Meier
Das Wasser gräbt sich sein Flussbett nach den Gesetzen des geringsten Widerstandes. Das geht auch sonst in der Welt so zu. Als in den achtziger Jahren (1880) der Plan auftauchte, die Eisenbahnverbindung Hermannstadt – Vinz herzustellen, konnte die Linie auch nur da gelegt werden, wo sie auf den geringsten Widerstand stieß. Neppendorf sperrte sich. Die Neppendorfer waren an dem Projekt uninteressiert. Sie hatten in Vinz nichts verloren und die Vinzer in Neppendorf nichts zu suchen. Außerdem befürchteten sie, so ein fauchendes Ungetüm könne gar leicht eine Büffelkuh totfahren, und man hätte das Nachsehen. Heute eine Kuh, morgen die zweite, und so ginge das weiter. Nein, auf diesem Grund und Boden war kein Platz für die Eisenbahn.
Da war nun aber gerade zu diesem Zweck eine Aktiengesellschaft gegründet worden, und diese ließ nicht locker, weil es was zu verdienen gab.
Geld bricht jeden Wiederstand, aber bei den Neppendorfern hätten auch zwei Aktiengesellschften wenig ausgerichtet. Wenn man heute den Verlauf der Bahnlinie verfolgt, muss man meinen, die Techniker hätten ihr Handwerk nicht verstanden. Wie eine Schlangenlinie führt das Geleise vom Hermannstädter Bahnhof erst nach Nordwesten, schwenkt dann in südliche Richtung ab, um sich schließlich westlich am Fuße des Postregs neben dem Zibin gegen Großau hinzuschleichen. Neppendorf wird wie ein heißer Brei umgangen, entsprechend der Hattertgrenze, die den Weg bestimmt. Das „Kleinfeld“ und die „Kannewiesen“ waren als Delikatessen für die wackeren Büffelkühe gerettet worden.
Eines Tages erschienen Fachleute und Feldvermesser mit nie gesehenen Apparaten und Werkzeugen und begannen die zukünftige Linie abzustecken.
Nachdem der Chef eine Weile durch eine Art Rohr guckte und den Kopf geschüttelt hatte, ließ er den Herrn Dorfrichter auf ein Wort bitten. Dieser wiederum schickte alsbald nach dem alten Lichtenhuber, der im Kleinfeld eine Ziegelscheune besaß, worin er Handziegel schlug.
Der Mann erschien am nächsten Nachmittag beim Ingenieur.
Dieser gebrauchte ausnehmend schöne Worte, um ja keinen Stein anzustoßen. „Sehen Sie, lieber Herr Lichtenhuber! Wir wollen doch, wie Sie sicher gehört haben werden, hier eine Bahnlinie bauen. Na, nun passen Sie aber auf, was geschieht. Die Schienen werden genau durch Ihren Schopfen laufen. Ich hoffe, Sie sind ein verständiger Mann und werden uns keine Schwierigkeiten machen. Nicht wahr?“
„Ja, wenn`s weiter nix is“, sagt der Bauer, so können S´ Ihnen auf mich verlassen, Herr Inschinierer. Ich tu Ihnen keine Scherereiern nit bereiten. Nur muß ich Ihnen aufmerksam machen, dass ich meinen Schopfen auf die Nacht immer um neun Uhr zusperren tu!“

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