Gästebucheintrag von Johann

16.08.2006, 18:50 Uhr

Johann

Leserbrief 2006-08-16 an Frankfurter Rundschau Johann Wagner / Stuttgart / zu :

Rolf Bossert: "Ich steh auf den Treppen des Winds." Gesammelte Gedichte. Hrsg. von Gerhardt Csejka. Schöffling & Co. Verlag, Frankfurt am Main 2006, 300 Seiten, 24 Euro.

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Jan Wagner hat eine faszinierende Präsentation der gesammelten Gedichte des Banater Autors Rolf Bossert in der Frankfurter Rundschau geschrieben. Es stimmt, Rolf Bossert stammt aus der sozialdemokratischen kakanischen Hochburg und Arbeitermetropole Reschitz- Banat- Rumänien. ( siehe Frau Dr. Hildrun Glas, „Minderheiten in Rumänien“, UNI München, Oldenburg Verlag, und „Juden und Deutsche in Rumänien“).
Nicht dazu gehören Oskar Pastior und Rainer Kirsch. Der Büchnerpreisträger 2006 Oskar Pastior ist weit bekannter als Rolf Bossert, aber Siebenbürger Sachse,
( in Hermannstadt- Kulturhauptstadt Europas 2007 geboren),
nicht Banater Schwabe,
( Siebenbürger Sachse ist auch Hermann Oberth, Raumfahrt, Mitarbeiter von Wernher von Braun. Banater Schwabe ist Tarzan, Johnny Weismüller , 1904 in Temeswar –Banat geboren).
Roland Kirsch, junger Banater Autor aus Temeswar wurde im Frühjahr 1989 umgebracht.
( in der blutig niedergeschlagenen Rebellions Hochburg schreibend, in Temeswar- Banat 16.12.1989-22.12.1989, siehe Hertha Müller zu Roland Hirsch. Rainer Hirsch siehe DDR- Literatur).

Was hat Rolf Bossert sehr früh, auch mit 17 Jahren, eher mit Sophie Scholl als mit Günther Grass, gemeinsam ?
Jan Wagner gibt Antworten anhand von Texten aus den Gesammelten Gedichte / Schöffling Verlag 2006.
Rolf Bossert ist niemals das geworden was andere aus ihm machen wollten. Der Gewalt des balkanischen Nationalkommunisten Nicolae Ceausescu stand der junge Schüler, Student und Autor Rolf Bossert aus dem kananischen Banat erschrocken und hilflos gegenüber. Näher zu Franz Kafka und Joseph Roth
( …."Noch ein Bier, Jonas, heute/ ists sonnig im Wal!"………
…………. "Wir sitzen in Städten in Osten./ Man macht Poesie./ Und während die Schreibfedern rosten/ Erklärt sich der Krug zum Genie",……….)
hat Rolf Bossert in Bukarest die Umwandlung zum NEUEN Menschen, dem assimilierten rumänischen Kommunisten hautnah erlebt. Mehr als ihm lieb war und nach brutaler Misshandlung und Schädelknochenbrüchen durch die Schläger des Nationalkommunismus a la Ceausescu (1965-1989 ), hat der junge Banater Autor die balkanische Realität kennen gelernt.
Seine verantwortungsvolle Redaktionsarbeit in deutscher Sprache hat er in Bukarest proffesionell begonnen, aufgegeben und als deutscher Poet in Frankfurt Zuflucht gefunden.
Rolf Bossert hast seine Texte mit seinem Leben bezahlt.
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Hey Jonas, heute ist's sonnig im Wal
Trauriges Jubiläum, zwanzig Jahre nach seinem Tod: Der Banater Dichter Rolf Bossert in einer schönen Ausgabe
VON JAN WAGNER

Wie es gewesen sein mag, im Rumänien Ceausescus die Existenz eines Schriftstellers zu führen, von der Zensur entmündigt, ständig von der allgegenwärtigen Securitate und dem Berufsverbot bedroht zu werden - es lässt sich wohl im Freiraum eines beliebigen heutigen Arbeitszimmers, mag es auch klein oder unbeheizt sein, kaum nachvollziehen, höchstens erahnen, sofern man die Zeugenaussagen direkt Betroffener zu Hilfe nimmt. Und wie erst, wenn man überdies einer sprachlichen und kulturellen Minderheit angehörte, deren Leserschaft im Inland klein oder aber, wenn es sie denn in Deutschland, Österreich und der Schweiz überhaupt gab, nur äußerst schwer erreichbar war.

Eine ganze Reihe der deutschsprachigen Autoren aus dem Banat hat es seit ihrer Ausreise aus dem sozialistischen Rumänien, seit dem Zusammenbruch des Regimes, zu großer Bekanntheit gebracht - Namen wie Herta Müller, Oskar Pastior, Rainer Kirsch, Klaus Hensel, Werner Söllner und Ernest Wichner sprechen für sich. Nicht gilt dies für den Dichter Rolf Bossert, der am 17. Februar 1986 im Alter von nur dreiunddreißig Jahren in Frankfurt am Main starb, wenn auch die Widmungen, die er seinen Gedichten voranstellte, von enger Freundschaft mit vielen der genannten Autoren zeugen - wenn die Verse nicht gerade launig "dem scheißwetter und nur ihm" zugeeignet sind.

Wie andere rumäniendeutsche Autoren, etwa Richard Wagner und Johann Lippet, gehörte auch Bossert der sogenannten "Aktionsgruppe Banat" an, die sich einer Literatur des Engagements verschrieben hatte: ein Programm, das die Obrigkeit misstrauisch machen musste. Zunächst aber konnte Bossert - nach einem Germanistikstudium in Bukarest, nach seiner Heirat und der Geburt zweier Söhne - seine Gedichte vergleichsweise unbehelligt veröffentlichen. Während er in einem Kulturhaus, später als Verlagslektor arbeitete, erschien sein erster Gedichtband, der, wie wenig später ein Kinderbuch, preisgekrönt wurde, und auch ein zweiter Gedichtband konnte noch in Rumänien erscheinen. Der Druck aber und die Bedrohung durch die Geheimpolizei nahmen stetig zu - und wurden manifest, als Bossert nach einem Restaurantbesuch von Unbekannten brutal zusammengeschlagen wurde und stationär behandelt werden musste. Als die Familie 1984 einen Ausreiseantrag stellte, war der Bruch endgültig vollzogen, jegliche Publikation fortan untersagt und das Leben bis zur Ankunft in Frankfurt durch qualvolles Warten, ständige Schikanen und Durchsuchungen geprägt. Nur zwei Monate nach der glücklichen Ausreise, nach vielversprechenden ersten Lesungen in Berlin, fand man Bosserts leblosen Körper frühmorgens vor seiner Frankfurter Unterkunft: Selbstmord durch einen Sprung aus dem Fenster, so die offizielle Todesursache.

Zwanzig Jahre nach seinem Tod werden die Gedichte dieses noch immer unbekannten Vertreters der rumäniendeutschen Literatur einer breiteren Leserschaft in einem kompakten Band zugänglich gemacht - ein Andenken zu einem traurigen Jubiläum. Die weitgehend chronologische Anordnung der Texte lässt Bosserts dichterische Entwicklung nachvollziehen und, gerade hinsichtlich der späteren Gedichte, erahnen, was noch zu erwarten gewesen wäre. Dabei sind keinesfalls alle Texte gleichermaßen überzeugend. Doch selbst ein Gelegenheitsreim wie "Pershing II" auf "Frühstücksei" hat als blasseres Teilchen seinen Platz im Mosaik, ist immerhin von dokumentarischem Interesse und in jedem Fall ein Beispiel für die große stilistische Bandbreite der Bossertschen Gedichte, die sich des subversiven idiomatischen Wortspiels genauso bedienen wie der Bündigkeit eines Haikus oder einer kreuzgereimten, liedhaften Strophenform: "Wir sitzen in Städten in Osten./ Man macht Poesie./ Und während die Schreibfedern rosten/ Erklärt sich der Krug zum Genie", wie es in dem Gedicht "Gartenlokal" leicht schunkelnd heißt.

Bosserts Gedichte bewegen sich in einem Spannungsfeld, als dessen extreme und höchst gegensätzliche Pole sich Brecht und Celan ausmachen ließen. An jenen erinnert nicht nur der Ton der späteren Verse, deren prägnante Bildlichkeit ("Dieser Schlaf/ ist wie Milch auf dem Pflaster") in zunehmend komplexe Texte eingewebt ist. In dem Gedicht "Reise" scheint Bossert gar direkt auf das Vorbild und dessen Biographie Bezug zu nehmen, ja den Dichter, der sich in Paris das Leben nahm, anzureden: "Flüstere mir ins Aug/ deinen Blick auf die braune Seine./ Die Welle des Jahres Siebzig,/ kreist sie noch um das splitternde Wort/ aus dem Krankenland/ mit den Buchen?" Doch auch Beispiele für "Gebrauchsgedichte" im Sinne Brechts (dem ein frühes Poem "dankbar zugeeignet" ist) finden sich zwischen den späten Versen immer wieder, Gedichte über "diesen real, ach, existierenden/ Schnee". Und wenn nur eine Zeile weiter von den "Knusperhäuschen des Widerstands" die Rede ist, so fehlt auch der verzweifelte Humor nicht, der in vielen Texten der späten siebziger und frühen achtziger Jahre aufblitzte: "die schweine drängen sich in die würste", liest man da, noch in konsequenter Kleinschreibung, oder stößt auf den herrlich trotzigen Ausruf "Noch ein Bier, Jonas, heute/ ists sonnig im Wal!".

Selbst in solchen Gedichten aber, die sich mit Fug und Recht als hermetisch bezeichnen ließen, ist der im Alltag wurzelnde Schreibanlass, der Bezug zum persönlichen Erleben, vor allem aber der zur gesellschaftlichen Realität unübersehbar. So erlaubt in dem Gedicht "Neuntöter", das Bosserts zweitem Gedichtband den Titel gab, jener Singvogel aus der Familie der Würger, der die Eigenart hat, seine Opfer vor dem Verzehr auf Dornen aufzuspießen, einen Rückgriff auf den wohl berühmtesten aller Rumänen - und zugleich auf das Land Ceausescus, das Bossert verlassen durfte und dem er doch nicht entkam: "So stürzt/ aus der braunen Grotte/ Vogel der Pfähler,/ glaubt mirs:/ Draculas Großneffe weint/ um die alte Heimat."

Rolf Bossert: "Ich steh auf den Treppen des Winds." Gesammelte Gedichte. Hrsg. von Gerhardt Csejka. Schöffling & Co. Verlag, Frankfurt am Main 2006, 300 Seiten, 24 Euro.

Frankfurter Rundschau 2006-08-16……….
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NOTIZ: zu AKTIONSGRUPPE BANAT 2006, siehe
WAGNER RICHARD: Der deutsche Horizont. Vom Schicksal eines guten Landes. Aufbau Verlag Berlin 2006
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JOHANN LIPPET
Die Tür zur hinteren Küche / Roman ..zu Temeswar- Banat/ Wunderhorn Verlag Heidelberg
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Securitate- Mitarbeiter enttarnt
Populäre Politiker der rumänischen Regierung betroffen

kps. RIJEKA, 14. August. Die rumänische Behörde für das Studium der Securitate- Akten (Cnsas) ermittelt, wie die Namen von 29 Politikern an die Medien gelangen konnten, die auf ihre Zusammenarbeit mit dem kommunistischen Geheimdienst überprüft wurden.
F.A.Z. vom 15.08.2006
MONA MUSCÄ:…..“Ihre Berichte hätten… lediglich der Sicherheit der Studenten und den Interessen des Landes gedient“.

CORNELIU VADIM TUDOR:… der Führer der rechtsextremen PRM ( Partidul Romania Mare), lud die Securitate Mitarbeiter ein, in seine Partei einzutreten, um das „ Land vor einer Katastrophe zu retten“.

FAZ 2006-08-15 Seite 5-Politik
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Der Massör hat's schwör
Balkanepos: Die Fabulierlust geht durch mit Florescu

Ein grausig-schöner Einstieg: Autos stauen sich auf einer Überlandstraße im Osten Ungarns, kurz vor der rumänischen Grenze. Der müßige Reisende, ein aus Rumänien stammender Schweizer in feinem englischen Anzug, steigt aus, geht nach vorn und entdeckt die Verunglückten.
F.A.Z. vom 15.08.2006 659 Wörter
CATALIN FLORIAN DORESCUDer blinde Masseur. Roman. Pendo Verlag München………… weitere Romane:Wunderzeit-20012002-Der kurze Weg nach Hause
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Fanfare Ciocarlia

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