Artikel ADZ vom Adventskonzert Deutsch-Kreuz mit Details zur Orgel

9. Dezember 2010

Nachrichten aus dem Heimatort

Der Artikel ist auch unter folgendem Link zu lesen. www.ipernity.com/blog/karina-schmidt/294937 Der Text konnte dort besser und farbig gestaltet werden.
ZeitungsArtikel in der ADZ ( Allgemeine Deutsche Zeitung in Rumänien ) vom 07.12.2010
Adventskonzert als Spendenaufruf
Die Orgel in der evangelischen Kirche von Deutsch-Kreuz muss gerettet werden

Trotz des nasskalten Wetters füllen sich am Nachmittag des 28. November die Bänke der Wehrkirche von Deutsch-Kreuz, um dem vierten Adventskonzert des Kronstädter Bachchors unter musikalischer Leitung von Steffen Schlandt beizuwohnen. Heizlüfter überschlagen die klamme Luft in der Kirche auf erträgliche Temperaturen, während sich Dorfbewohner und Besucher aus der Umgebung - unter diesen auch in Rumänien lebende Schweizer, Franzosen und Deutsche - in dicken Mänteln auf den Kirchenbänken aneinander drängen. Allein aus Deutsch-Kreuz sind um die 80 Bürger erschienen, obwohl die sächsische Gemeinschaft nur noch neun Leute stark ist.
Ziel des Konzertes ist unter anderem, die Kirche mit ihrer aus dem Jahre 1822 stammenden Orgel auch denjenigen als schützenswertes Kulturgut nahezubringen, die dem deutschen Gottesdienst mangels Sprachkenntnis oder aufgrund anderer Konfessionalität sonst nicht beiwohnen, sagt der Kronstädter Organist Steffen Schlandt. Diese Philosophie steht im bewussten Gegensatz zu früheren Zeiten, wo Rumänen, Ungarn und Roma von sächsischen Veranstaltungen ausgeschlossen waren. Warum diese Gesinnungsänderung? Schätzen kann man nur, was man kennt, erklärt Schlandt, und schon sind wir beim Thema: der Orgel der evangelischen Kirche von Deutsch-Kreuz, die heute für alle Menschen spielt...
Diese Orgel zu spielen, dazu bedarf es schon einiger Tricks und Kunstgriffe, denn von den 22 originalen Registern des 188 Jahre alten Instruments – der größten Orgel von Johannes Thois – funktionieren nur die beiden im Jahre 1908 restaurierten Register einwandfrei. Zwei weitere kann man bedingt bespielen, wenn man die Schwachstellen kennt. Die schlimmsten Defekte hat Orgelbauerin Barbara Dutli bei einer Bestandsaufnahme einige Wochen vor dem Konzert notdürftig behoben - glück-licherweise hatte die Schweizerin gerade einen Draht in der Tasche, mit dem sie ein offenes Ventil schließen konnte. Auch wenn sich der Einsatz des wertvollen Instrumentes im Adventskonzert auf wenige Stücke beschränkt, lässt der sich entfaltende Wohlklang erahnen, was die Orgel im funktionsfähigen Zustand zu leisten imstande wäre!
Auch die laut Musikexperten hervorragende Akustik der Kirche spräche für regelmäßige Konzertaufführungen – und damit für eine Renovierung des arg beschädigten, doch historisch wertvollen Instrumentes. Mäuse haben die Technik abgefressen, die Traktur ist verwurmt, Pedal- und Manualtraktur sind kaputt und noch ist der Aufwand bei der Zerlegung des verleimten und vernagelten Gehäuses unklar, erklärt Barbara Dutli. So können sich die Kosten je nach Sachlage zwischen 30.000 und 50.000 Euro bewegen, gibt die Orgelbauerin zu bedenken. Gelder, die so oder so nicht vorhanden sind.
Doch die Entscheidung zu einer Restaurierung der Deutsch-Kreuzer Orgel drängt. Denn mit jedem Jahr, in dem sie nicht bespielt wird, verfällt sie zusehends, bis sich eine Reparatur nicht mehr lohnt. Vor fünf Jahren hätten sich die Kosten laut Schlandt auf nur 20.000 Euro belaufen.
Die Zeituhr tickt lautstark, doch der Fall ist nicht hoffnungslos. Steffen Schlandt berichtet von den ersten drei Adventskonzerten des Bachchors, die in Weidenbach, Deutsch-Tekes und Hamruden stattfanden – allesamt in wenig bekannten Orten und auf Orgeln in sehr schlechtem Zustand, die man nur bedingt bespielen kann. Im ersten Fall traf nach dem Konzert eine sehr große Spende ein, die eine Restaurierung des Instruments ermöglichte. Der Kreisrat von Kronstadt hatte sich hierfür stark eingesetzt und nur 10 Monate später entfaltete sich der Klang der alten Orgel wieder in neuer Frische. Ein Hoffnungsschimmer auch für Deutsch-Kreuz?
Die Liebhaber der Orgel von Deutsch-Kreuz warten nicht nur auf den Weihnachtsmann. Nach dem Motto „Kleinvieh macht auch Mist“ wurde gleich nach dem Konzert eine Postkarte mit dem Bild der Orgel gegen eine freiwillige Spende feilgeboten. Bevor die Menschenmenge zu Glühwein und Schmalzbroten ins Pfarrhaus strömt, erleichtern sie ihre Geldbörsen um etliche Scheinchen am Kirchenausgang. Eine weitere Idee hat Fotograf George Dumitriu angeboten, der Deutsch-Kreuz seit vielen Jahren im Rahmen von Inventarisierungsmaßnahmen für das rumänische Institut für Nationales Kulturerbe fotografisch dokumentiert hat. Er hat sich bereit erklärt, gratis eine Fotobroschüre mit historischen und touristisch interessanten Informationen zu entwerfen, deren Erlös zugunsten der Orgelrestaurierung zur Verfügung gestellt werden soll.
In besonderem Maße engagiert sich der aus Deutsch-Kreuz stammende Geschäftsmann Karl Hellwig aus Reps/Rupea für die Sammlung von Geldern für die Orgel. Hellwig plant einen großangelegten Spendenaufruf zugunsten der Restaurierung deren Notwendigkeit er damit begründet, dass die Wehrkirche zusammen mit 18 weiteren siebenbürgischen Kirchenburgen – unter anderem aus den Nachbarorten Meschendorf und Bodendorf/Bunesti – im Rahmen eines von der EU finanzierten Projektes restauriert werden soll. Wenn schon Gelder zugunsten der Kirche fließen, so folgert Hellwig, dann müsse man sie konsequenterweise auch mit Leben und Inhalt füllen! Was wäre wohl geeigneter als Konzertveranstaltungen auf der historisch wertvollen Thois-Orgel, fügt er begeistert hinzu. Auch an der Organisation der aktuellen Veranstaltung haben Karl Hellwig und seine Frau tatkräftig mitgewirkt. So fürchtet er sich nicht vor weiteren Herausforderungen, sondern vertraut auf ein bewährtes Helferteam aus den Bürgern von Deutsch-Kreuz, Mitarbeitern des Altenheims in Schweischer/Fiser und einem gemeinnützigen Verein namens Nowero (Nordrhein-Westfalen-Rumänien), der ihn bereits in vielen lokalen Projekten unterstützt hat. Wie Schlandt vertritt er die Idee, die Tore der Kirche für ökumenische Veranstaltungen zu öffnen, mit dem Ziel, sächsisches Kulturgut zu bewahren, indem es allen Menschen zugänglich gemacht wird.
In der hellen, hohen Kirche beginnt der Bachchor zu singen, begleitet vom Blechblasensemble aus Kronstadt und Umgebung. Die Sänger und Musiker sind nicht nur Sachsen, sondern auch Rumänen und Ungarn mit insgesamt sieben verschiedenen Konfessionen. Gemeinsam interpretieren sie deutsche Lieder. Pfarrer Siegmar Schmidt und Dechant Christian Plajer predigen wie zu alten Zeiten in einer vollen Kirche. Auf dem Altar liegt der Adventskranz mit der ersten brennenden Kerze. Zu den reinen, klaren Stimmen der Sänger gesellt sich das ergreifende Violinensolo des 13-jährigen Musikschülers Rãzvan Pãun, während die gleichaltrige Diana Nedelea mit zarten Flötenklängen bezaubert. Auf einmal begreifen wir: Die Geschichte der Sachsen ist noch lange nicht zu Ende. Sie lebt weiter, hier und heute, in der Musik. Die Orgel von Deutsch-Kreuz muss wieder auferstehen! Von Nina May

Karina Schmidt und Klaus Dieter Untch

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