Frauendorf - Literatur

Michael Seiverth
...dass dein Wort unter uns laufe und wachse
Herausgegeben u. verlegt von Pfarrer Mag. Michael Seiverth
A-7141 Podersdorf am See, Überland 17

Michael Seiverth
Frauendorf
Herausgegeben u. verlegt von Pfarrer Mag. Michael Seiverth
A-7141 Podersdorf am See, Überland 17
Im Weissbachtal

Mitten im Siebenbürger Weinland liegt am rechten Ufer des Weißbaches, kurz bevor dieser in die Große Kokel mündet, die Ortschaft Frauendorf. Der Schöpfer der Natur hat diesem Fleckchen Erde ein landschaftlich sehr reizvolles Kleid beschert. Wie ein weißes Silberband fließt der an sich ganz bescheidene Weißbach, nach jeder Überschwemmung zu einem metertiefen, reißendem Fluss anschwellend und sein Bett in dem breiten Tal verlagernd, an dem Dorf vorbei. Entlang des linken Ufers zieht sich ein massiver Bergrücken, der ziemlich steil empor steigt; seine Hänge sind von fruchtbaren Weingärten und seine Spitzen von Eichen und Buchenwäldern bedeckt. Die Berge zur Rechten sind etwas flacher und werden von drei Seitentälern durchbrochen, dem Hirschel-, dem Mittler-, und dem Erlenseifengraben. Auch in diesen Nebentälern erstrecken sich an der Sonnenseite der Berge ausgedehnte Rebenflächen, deren guter Tropfen den Bewohnern ein herzliches Gemüt verleiht. Apfel-, Birnen-, Kirsch-, Weichsel-, Pfirsich-, Quitten- und andere Obstbäume, Johannis- und Stachelbeeren säumen meist die Raine der Weinberge. In dem Flachland und den Flussauen, aber auch auf dem Plateau der Berge, dem sog. „Iawend“ (Ebene), werden sämtliche Halmfrüchte, Mais, Kartoffel, Rüben und Klee angebaut.
Auch eine gehörige Parzelle Flachs oder Hanf durfte früher in keinem guten Haushalt fehlen. Er wurde im Juli und August im Bach geröstet, im Winter gesponnen und dann zu den verschiedensten Handarbeiten verwebt. So war es seit alters her: Ein guter sächsischer Haushalt war Selbstversorger in jeder Hinsicht, und eine gute Wirtschaft musste ertragsmäßig immer den Eigenbedarf überbieten, so dass etwas für den Verkauf übrig blieb. Die Bewohner von Frauendorf waren seit eh und je Acker- und Weinbauern. In der berühmten nahegelegenen Ackerbauschule in Mediasch erwarben sie gute Fachkenntnisse, die dann in die landwirtschaftliche Praxis umgesetzt wurden. Die geistige Oberschicht des Ortes bestand aus dem Pfarrer, dem Ortsnotar und den Lehrern.
Im Nordosten wird das Weißbachtal von der Großen Kokel und dem dahinter liegenden Bergmassiv abgefangen. Der Weißbach biegt kurz nach Westen ab, ehe er in die Große Kokel mündet und sein Dasein beendet, oder besser gesagt, zugunsten eines größeren Bruders, der Kokel, opfert.
Heute freilich ist sein Mündungsbereich meist von einer dichten Dunst- und Rauchwolke verhüllt. Die im angrenzenden Kleinkopisch entstandenen chemischen Anlagen – ein giftiger Industriekomplex mitten in einem Wohngebiet – spucken ungeheure Mengen Ruß, Schwefel und andere Schadstoffe auf ihre Umgebung aus, so dass die Landschaft einem schwarzen Rußofen gleicht, in dem man kein Blatt mehr anrühren kann, ohne die Finger zu beschmutzen. Für viele Frauendorfer boten diese Industrieanlagen mitten in einem dichten Siedlungsgebiet nach der Entfremdung von der Scholle billige Arbeitsplätze mit leicht verdientem Geld – aber wie viele junge Männer haben da schon ihre Gesundheit und ihr Leben verloren?

Auszug aus dem Heimatbuch: Frauendorf von Michael Seiverth
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Die Frauendorfer Geschichte

Ein Dorf, gleichwohl ob in Siebenbürgen oder sonst irgendwo auf der Welt, ist mehr als ein besiedelter Ort. Jedes Dorf hat seine eigene Geschichte, seine eigenen Lebensformen, seine eigenen Sprach- und Dialektfeinheiten oder –besonderheiten, sein eigenes Gesicht. Es sind viele kleine Details, viele kleine Mosaikteilchen, die richtig zusammengetragen und -gefügt das Gesamtbild ergeben. Jedes Bild, jedes Wort in diesem Buch ist ein solches Teilchen, das dem ganzen untergeordnet ist. Bei meinem Wunsch, die geschichtliche Vergangenheit meines Geburtsortes Frauendorf schriftlich festzuhalten, war mir von vornherein klar, dass die dafür vorhandenen Quellen sehr spärlich sein würden. Dazu kommt zurzeit noch die territoriale Entfernung (mit vielen unlieben Staatsgrenzen) von all dem, was in diesem Fall hätte erforscht werden müssen. So sind meine Ausführungen auf einige wenige Aufzeichnungen gegründet, die ich als kleines Mitgepäck aus der alten Heimat mitgenommen habe, und sie können und wollen daher keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit erheben.


Über die Gründungszeit der Ortschaft Frauendorf besitzen wir so gut wie keine schriftlichen Urkunden. Trotzdem reicht ihre Entstehung sehr weit ins Mittelalter zurück, und bald nach der Ansiedlung der Sachsen im 12.Jahrhundert tauchen schriftliche Erwähnungen dieser Ortschaft auf. Die Gemeinde Frauendorf, ungarisch Asszonyfalva („Assony“ heißt Frauen, „Falva“ Dorf, Dörflein), rumänisch Frâua (ab 1930 Axente Sever) wird erstmals im Jahre 1305 urkundlich erwähnt. Diese erste urkundliche Überlieferung lautet:“1305 terrae seu possessiones Asszonyfalva“ (Aus Weissenburger Kapitalarchiv). Laut dieser Eintragung erheben ungarische Grafen Anspruch auf ihre Besitztümer in Frauendorf. Bemerkenswert ist, dass in der ersten urkundlichen Erwähnung die ungarische Ortsbezeichnung zu finden ist. Da auch bei den anderen Nachbarorten zuerst immer die ungarische Ortsbezeichnung auftaucht, ist anzunehmen, dass dieses Gebiet vor der Besiedlung mit Deutschen von Szeklern besiedelt war.

Ungeklärt bleibt die Herkunft des Ortsnamens Frauendorf. Eine Sage, derzufolge die Frauendorfer einem Hirtenjungen den versprochenen Lohn nicht bezahlen wollten, so dass er alle Männer in die nahe gelegene Kokel lockte, wo sie ertranken und die Frauen allein zurückließen, ist wissenschaftlich belanglos. Diese Sage, die in einigen Abwandlungen erzählt wird, ist bestimmt sehr spät im Zuge neckischer Reibereien mit den Nachbardörfern entstanden. Wahrscheinlich handelt es sich bei der Ortsbezeichnung um eine bloße Übersetzung, wobei ich zwei Hypothesen offen lassen möchte. Erstens: Die Ortsbezeichnung wurde von den sächsischen Siedlern aus dem Mutterland mitgebracht und dann in der Folgezeit von den Szeklern übernommen; oder zweitens: Es gab hier, wie schon erwähnt, eine frühere szeklerische Siedlung und der Ortsname wurde in Übersetzung von den Sachsen übernommen. Keinen Schritt weiter kann uns die rumänische Ortsbezeichnung bringen, die bestimmt viel jüngeren Datums ist. „Frâu“ heißt Zaum, Zügel. Es ist anzunehmen, dass es sich bei der rumänischen Ortsbezeichnung lediglich um eine Abwandlung des deutschen Wortes „Frau“ oder sächsisch „Fra“ handelt. Daraus dürfte „Frâua“ geworden sein. Die zweite urkundliche Erwähnung der Gemeinde Frauendorf stammt aus dem Jahre 1322. In einem Register des Vatikanischen Archiv heißt es: »…1322 Georgius Plebanus Ecclesiae villae Dominarum«. Der Frauendorfer Pfarrer Georg, ein führender Geistlicher des Schelker Kapitels, wird nach Rom zum Papst entsandt, um dort Fragen der Geistlichkeit zu regeln (Zimmermann: Urkundenbuch I. Nr. 398 und 408). Hier taucht zum ersten Mal die lateinische Ortsbezeichnung auf. „Domina“ heißt Herrin, Hausfrau, Gebieterin und „Villa“ Landhaus, Landgut, ländliche Liegenschaft. Die lateinische Bezeichnung kommt noch zweimal vor. Im Jahre 1414 ist von einem „Nicolai de villa Dominarum“ die Rede (Archiv der Landeskirche) und ebenso »…1414 villa Dominarum« (Urkundenbuch 3). Eine sehr interessante und aufschlussreiche Eintragung befindet sich in der „Geschichte der Stadt Kronstadt“ aus dem Jahre 1532. Dort heißt es „Frauendorf hat vyrt84.“ In der Zeit also, da unsere Vorfahren darangingen, die Lehre Luthers anzunehmen und evangelisch zu werden, gab es in Frauendorf 84 Wirte. Ausgehend von der Annahme, dass Wirt gleichzusetzen ist mit Hof und dass auf einem Hof durchschnittlich 4 bis 5 Personen lebten, können wir uns leicht die Einwohnerzahl aus jener Zeit ausrechnen. Es waren etwa 400 Seelen. Diese Hand voll Menschen musste mit allen Unbilden der Zeit fertig werden – sie sind damit fertig geworden, weil einer für den anderen da war, weil jeder Einzelne nur ein Glied in einer fest gefügten Gemeinschaft war. Gelegentlich der Überholung des Turmdaches im Jahre 1964 fand man in dem von vielen Kugeln durchlöcherten Turmknopf (beim Durchzug der Russen nach dem Zusammenbruch des 2.Weltkrieges war der Turmknopf oft Zielscheibe berauschter Soldaten) eine wertvolle Schrift, die im vorigen Jahrhundert dort hinterlegt wurde. Laut dieser Turmschrift gab es im Jahre 1819 in Frauendorf 132 sächsische Wirte (Familienväter). Die Bevölkerung hat demnach im Vergleich zu der Angabe aus dem Jahre 1532 nur wenig zugenommen – ein Zeichen dafür, dass unseren Vorfahren oft durch Krieg, Seuchen und andere Zeitunbilden schwer zugesetzt wurde und dass ihr Leben immer ein Kampf ums Überleben gewesen ist.
Von großer Bedeutung für die Ortsgeschichte von Frauendorf sind auch die Aufzeichnungen über den Bau der Kirche und Kirchenburg. Diese, jeden Besucher beeindruckende Kirchenburg mit dem wuchtigen Turm über dem Kirchenschiff, wurde im 14.Jahrhundert erbaut und gilt wohl als das Wahrzeichen von Frauendorf. Darüber aber wird ausführlich in einem anderen Abschnitt die Rede sein.
Das Pfarrhaus gehört zu den ältesten Gebäuden des Ortes und ist mit der in dem kleinen Vorgarten stehenden großen Tanne nicht mehr aus dem Ortsbild wegzudenken. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Pfarrhaus stand das Predigerhaus, das im Jahre 1873 gebaut wurde. Dieses Haus wurde später zweckentfremdet und abgetragen. In den Jahren 1910/11, kurz vor Ausbruch des 1.Weltkrieges, wurde die schöne einstöckige Schule gebaut. 7 Pflichtschulklassen im Volks- und Grundschulgang fanden darin ihr gutes Auskommen. Meine Klasse mit 35 Schülern erfasste die Geburten der Jahrgänge 1936 ab September, 1937 und 1938 bis August. An der Gassenfront des Schulhofes befanden sich drei geräumige Lehrerwohnungen und der Gemeindesaal. Eine schöne Fliederhecke säumte den Vorhof entlang der Straße. Alle diese Liegenschaften, in der Ortsmitte gelegen, waren bis zur Enteignung durch den rumänischen Staat im Jahre 1948 Eigentum der evangelischen Kirche.
Sehr spät im Vergleich zu seiner 800-jährigen Geschichte tauchen in Frauendorf rumänische Familien auf, doch führt ihr Kinderreichtum zu einem zahlenmäßig sehr raschen Aufschwung. Die Rumänen und in ihrem Gefolge die Zigeuner waren ausnahmslos an den Dorfenden angesiedelt, wobei in Frauendorf der auslaufende Hirschel den eigentlich rumänischen Ortsteil bildete. Ihr Grund- und Gemeindebesitz war minimal. Erst die beiden Agrarreformen nach dem Anschluss an Rumänien brachten zunächst eine teilweise und dann eine radikale Änderung mit sich. 1945 wurden die Sachsen restlos enteignet. Hordenweise wurden die sächsischen Höfe überfallen und alles, was nicht nietfest war, wurde mitgenommen. Vieh, Ackergeräte, Hausrat, Kornvorräte und in manchen Fällen selbst das Brot auf dem Tisch wechselten ihre Besitzer. Rumänische Kolonisten zogen auf sächsische Höfe. Den sächsischen Hausbesitzern und ihren Familien wurde bestenfalls ein Nebenzimmer zum Wohnen überlassen.
Es begann eine schwere Zeit.



Auszug aus dem Heimatbuch: Frauendorf von Michael Seiverth