Michael Albert - Die Bergglocke

24.12.2009, 14:15 Uhr

HG

Michael Albert - Die Bergglocke


Wenn tief im Tal erloschen sind
am Weihnachtsbaum die Kerzen,
und noch im Traum so manchem Kind,
die Freude pocht im Herzen:

Dann tönt voll Ernst, dann tönt voll Macht
vom Berg die Glocke droben,
um in der stillen, heil`gen Nacht
den Herrn, den Herrn zu loben.

Es braust ihr Klang so feierlich
in Tönen, lang gezogen,
Die wälzen über Wälder sich
wie eines Meeres Wogen.

Es braust ihr Lied, so voll, so tief
auf hoher Friedensstätte,
wo schon so lang, so lange schlief
manch` Herz im Hügelbette:

Sie braust ihr Lied den Toten dort
in weiter, weiter Runde:
„Auch oben an dem stillen Ort
ist`s Weihnacht“, tönt die Kunde.

Ach Weihnacht, Weihnacht! – wer ein Kind,
ein liebes, dort begraben,
trug Tannenäste, treu gesinnt,
ihm als Erinn`rungsgaben.

Er legte sie bei Tage sacht
aufs Bett ihm als Geschenke,
zu zeigen, dass er sein gedacht,
und seiner fort gedenke.

Und wessen Vater droben ruht,
gedeckt von Schnee und Eise,
und wer die Gattin, lieb und gut,
vermisst in seinem Kreise:

Ihn ruft der Glocke Weiheklang
ins Reich der Stillen oben:
er füllt auch seiner Liebe Drang
in ihren Klang verwoben.

von Michael Albert
geb. 1836 in Trappold,
gest.1893 in Schässburg
Gymnasialprofessor in
Bistritz und Schässburg.

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