Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen


1.2 Das abendländische Fundament des Siedlungswerkes

Autor: Dr. Michael Kroner
Quelle: "Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen".

1.2 Das abendländische Fundament des Siedlungswerkes

Um ermessen zu können, welches Wissen die Siedler aus ihrer Urheimat mitbrachten, ist es erforderlich, deren Zivilisationsstand zu kennen. Im Hochmittelalter, als die Ostsiedlung stattfand, vollzog sich in Deutschland im Landbau eine Agarrevolution. Sie bestand darin, daß die Urwechselwirtschaft und Grasfeldwirtschaft, bei denen der Boden bloß einige Jahre bebaut und dann aufgelassen wurde, um sich regenerieren zu können, durch die sogenannte Dreifelderwirtschaft ersetzt wurde, wobei auch einige neue Arbeitsgeräte eingeführt wurden. Die Dreifelder­wirtschaft regelte in einem Zyklus von drei Jahren die Bodennutzung. Demzufolge wurde die Gemarkung einer Gemeinde in mindestens drei Gewanne (Ackerfluren) eingeteilt, in denen jeder Bauer ein oder mehrere Grundstücke haben konnte. Der Anbau wurde so geregelt, daß ein Gewann im Frühjahr mit Sommergetreide (Hafer, Gerste, Hirse), das andere im Herbst mit Wintergetreide (Weizen, Roggen, Dinkel) besät wurde, während das dritte Feld brach blieb und als Weide diente. Im nächsten Jahr rotierte dann der Anbau, wobei nun das Brachland bebaut wurde und ein anderes Gewann ein Jahr brach blieb und "ruhte". Dieses Ackerbausysten hatte den Vorteil, daß nur jedes dritte Jahr ein Teil der Gemarkung brach lag, wobei durch den wechselnden Anbau verschiedener Pflanzen und durch die Brache der Boden regeneriert werden konnte. Das Düngen spielte noch eine geringe Rolle, da das Vieh vom Frühjahr bis zum Herbst auf die Weide getrieben wurde. Was dabei an Dünger abfiel, war nicht viel.

Im Mittelalter wurden, wie gezeigt, hauptsächlich Roggen, Weizen, Dinkel, Gerste und Hafer angebaut. Die Klöstergüter spielten eine Vorreiterrolle beim Obst-, Wein- und Gemüsebau. An der Mosel und am Rhein, die zu den Auswanderungsgebieten der Siebenbürger Sachsen gehörten, spielte der Weinbau seit der Römerzeit eine wichtige Rolle.

Wesentlich für die sich vollziehende Agrarrevolution war ferner die Einführung besserer landwirt­schaftlicher Geräte. In weiten Gebieten, in denen günstige Voraussetzungen bestanden, wurde der seit altersher für die Bodenbearbeitung verwendete Haken durch einen Pflug mit Eisenschar und mit Radgestell abgelöst. Der Haken war ein Holzpflug, der den Boden nur aufbrach, ihn krümelte und in sehr unterschiedlichem Maße auch lockerte. Wollte ein Bauer sein Feld mit dem Haken gut für die Saat vorbereiten, mußte er erst längs und anschließend noch einmal quer aufackern, um eine zufriedenstellende Lockerung zu erzielen. Ganz anders konnte er dagegen mit dem schweren eisernen Pflug arbeiten. Der wendete den Boden mit Hilfe eines sogenannten Streichbrettes um. Dadurch wurde die ursprünglich in Sohlentiefe liegende Bodenschicht nach oben gekehrt. Der Pflug grub die Erde tiefer um, lockerte sie besser und sicherte damit der Saat einen besseren Stoffwechsel. Das führte zu einem erheblich höheren Ertrag. Außerdem konnten mit dem eisernen Pflug auch schwere und harte Böden gepflügt werden. Als Zugtiere wurden hauptsächlich Ochsen, mancherorts auch Pferde angespannt.

Die Viehhaltung spielte eine wesentliche Rolle, denn außer Getreideprodukten waren Fleisch und Milch beinahe die einzigen Nahrungsmittel. Schaf, Ziege und Wild sowie Geflügel deckten ebenfalls einen Teil des Nahrungsbedarfs.

Weitere Neuerungen auf dem Lande waren der zweigeteilte Dreschflegel und die Sense. Schließlich ersetzten Wassermühlen die Handmühlen.

Trotz allem war die landwirtschaftliche Produktivität verglichen mit heute äußerst niedrig. Die Aussaat brachte zur Zeit der Ostkolonisation nur etwa den dreifachen Ertrag ein. Knochen­funde haben zudem ergeben, daß die Haustiere wesentlich kleiner als heute waren. Das Schlachtgewicht bei Rind und Ochs lag unter 100 bzw. 150 Kilogramm, beim Schwein unter 40 Kilogramm, während der Milchertrag der Kühe bei etwa 600 Liter, bei der Mehrzahl sogar unter 250 Liter pro Jahr lag.

Historiker haben errechnet, daß um 1150 in Westeuropa eine wahre Bevölkerungsexplosion einsetzte, die bis Mitte des 14. Jahrhunderts anhielt. Im Moselgebiet, das zu den Auswander­ungs­gebieten der Siebenbürger Sachsen gehört, soll sich die Bevölkerung zwischen 1000 und 1237 verdreifacht haben.

Als Folge der Bevölkerungsexplosion und der Entwicklung des Handwerks entstanden städtische Siedlungen. Das 12. und 13. Jahrhundert war die Zeit vieler Städtegründungen in Deutschland. Die Städte trugen ihrerseits dazu bei, das ländliche soziale und wirtschaftliche Gefüge zu verändern. Der Städter war im Gegensatz zum grundherrschaftlichen Bauern frei und betrieb hauptsächlich ein Handwerk oder Handel, ohne die Landwirtschaft ganz aufzugeben. Die Arbeitsteilung zwischen Dorf und Stadt bewirkte die Umstellung von der Natural- und Tauschwirschaft zur Geldwirtschaft. Der Bauer mußte nun mehr produzieren, um auch den Städter zu ernähren. Er belieferte die Stadtbevölkerung gegen Geld mit landwirtschaftlichen Produkten. Für das Geld kaufte er die für seinen Haushalt und Betrieb erforderlichen Gewerbeerzeugnisse und bezahlte den Grundherrenzins. Die Grundherren zogen es nämlich nach Aufkommen der Geldwirtschaft vor, die Naturalabgaben ihrer hörigen Bauern in eine Geldabgabe umzuwandeln. Das führte zugleich zur Lockerung der Bindungen zwischen Bauernschaft und Grundherren und zu mehr Freizügigkeit für die Hörigen.

Das Aufkommen und die Zunahme der Städte schuf neue Rechtsformen - das Stadtrecht - sowie den Typus der ummauerten Siedlung. Neben den Klöstern entwickelten sich auch die Städte zu Kulturzentren.

Der hier skizzierte Entwicklungsstand war im 11. bis 13. Jahrhundert in jenen Teilen Deutschlands am ausgeprägtesten, aus dem wahrscheinlich ein Großteil der nach Siebenbürgen abgewanderten Kolonisten stammte. Das waren das Moselgebiet mit Luxemburg, die Gebiete am Niederrhein um Köln und Aachen sowie Flandern.

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Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen

"Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen" von Dr. Michael Kroner.
Heft 5 aus der Schriftenreihe Geschichte der Siebenbürger Sachsen und ihrer wirtschaftlich-kulturellen Leistungen.

Herausgeben vom Bundesreferat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und von der Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V.

Bezugsquelle: Dr. Michael Kroner, Tel. +49 (0)911 69 19 09



Stand 18.01.2000      top