Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen


1.4 Dreifelderwirtschaft auf markgenossenschaftlicher Grundlage

Autor: Dr. Michael Kroner
Quelle: "Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen".

1.4 Dreifelderwirtschaft auf markgenossenschaftlicher Grundlage

Über die landwirtschaftlichen Verhältnisse in den ersten Jahrhunderten nach der Ansiedlung gibt es kaum Quellen, wobei auch diese agrargeschichtlich nur zum Teil ausgewertet worden sind. Die erhaltenen Urkunden bieten bloß indirekte Informationen. So wird nicht über den Landbau informiert, sondern bloß über die Abgabe, den Verkauf oder die Verzollung von exportierten landwirtschaftlichen Produkten; Acker, Weiden, Wälder, Gewässer werden meistens bei Vergabungen, Schenkungen oder Streitigkeiten genannt. So heißt es beispiels­weise in einer Urkunde von 1206, in der König Andreas II. den sächsischen Gastsiedlern von Krakau, Krapundorf und Rumes ihre Freiheiten bestätigt, unter anderem: "Wir gestatten ihnen auch, daß sie nach dem Herkommen ihres Volks leben und weder von den Weingärten, die sie gepflanzt haben, irgend jemand Abgaben leisten, noch von Schweinen und ihrem sonstigen Vieh, das in ihrem freien Wald weidet, irgend jemand etwas unter irgendwelcher Bezeichnung von Zehnten oder Abgaben liefern müssen. Vielmehr sollen alle (ihre) Höfe sich für immer und ewig fest des (königlichen) Schutzes erfreuen." Der Frucht- und Weinzehnt ist in zahlreichen Urkunden erwähnt. Eine Urkunde von 1433 über einen Hattertstreit zwischen Hahnbach und Großscheuern gibt Auskunft über die Nutzung von Wiesen und den Viehtrieb in den beiden Gemeinden. In vielen Urkunden werden Mühlen genannt, wobei hervorgeht, daß sie an Gewässern standen. Aufgrund solcher zufälliger Einzelinformationen und aufgrund von Rückschlüssen späterer landwirtschaftlicher Zustände, soll versucht werden, ein ungefähres Bild über die Agrarverhältnisse und Leistungen auf diesem Gebbiet bis Ende des 17. Jahrhunderts zu skizzieren.

Es ist anzunehmen, daß in den meisten Dörfern die Dreifelderwirtschaft praktiziert wurde. Auf dem in drei Gewanne (Furleng) eingeteilten Hattert herrschte Flurzwang, das heißt, daß auf einem Drittel des Ackers nur Wintergetreide angebaut werden durfte, auf dem anderen bloß Sommerfrucht, während der dritte Furleng ein Jahr brach gelassen wurde. An diese Anbauweise mußte sich jeder halten. Ja sogar die aneinander grenzenden Gewanne benachbarter Gemeinden befolgten dieselbe Feldeinteilung, wie aus einem Hattertstreit zwischen Arbegen und Schaal aus dem Jahre 1630 hervorgeht. In dem Urteil heißt es, daß nach der alten Ordnung "Frucht gegen Frucht und Brache gegen Brache " bestanden habe.

An Wintergetreide wurde angebaut Weizen, Roggen und Spelz (Dinkel). Daraus wurde das tägliche Brot gebacken. Zu den Sommerkulturen, die im Frühjahr ausgesät wurden, gehörten Hafer, Gerste und Hirse. Sie dienten als Futter für das Vieh, Gerste auch zur Erzeugung von Malz, in Notzeiten auch zum Backen von Brot. König Mathias Corvinus begründete beispielsweise 1470 sein Ausfuhrverbot für Weizen damit, daß dessen Export zu Teuerungen geführt, so daß man Brot aus Hirse, Hafer und Gerste habe backen müssen. Das änderte sich jedoch, im 16. Jahrhundert scheint der Anbau von Körnerfrüchten so gestiegen zu sein, daß man davon in die Nachbarländer ausführen konnte. Der Mais (Kukuruz) wurde im Jahre 1611 erstmmals aus der Walachei bzw. der Türkei eingeführt, daher auch die Bezeichnung "Wälschkorn" bzw. "Türkeschkorn". Der Landtag verbot jedoch 1688 seinen Anbau bei Strafe von sechs Gulden, so daß er erst ab dem nächsten Jahrhundert Einzug hielt. Der Tabak wurde 1576 durch die Türken in Siebenbürgen bekannt, aber erst viel später und vereinzelt angebaut.

Früh erwähnt ist der Anbau von Bohnen, Erbsen, Zwiebel, Linsen, Kraut ("Kampest") in Gärten. Für Hanf und Flachs standen außerhalb der Gewanne, meistens am Dorfrand, spezielle Parzellen zur Verfügung. Darauf deuten vielerorts die Flurnamen "Hanfgarten", "Flachsgarten" hin. Ein italienischer Reisender Giovanni Andrea Gromo rühmte im 16. Jahrhundert den Leinwand-, Flachs- und Hanfhandel von Mediasch und Hermannstadt und stellte fest, daß im Burzenland Lein und Hanf vorzüglich gedeihe.

Obst züchtete man in den Gärten und Weinbergen - Äpfel, Birnen, Pflaumen, Nüsse, Pfirsiche und Kirschen. Sie wurden roh verzehrt, die Pflaumen ("Pelsen") aber auch in großen Mengen gedörrt. Die Bistritzer "Pelsen" waren schon im 15. Jahrhundert geschätzt und wurden gedörrt sogar in die Moldau exportiert. In Hundertbücheln gab es einen "Pelsenturm", in dem wahrscheinlich das genannte Obst gedörrt und aufbewahrt wurde. Der zitierte Gromo erwähnt einen ergiebigen Obstbau in Michelsberg und Heltau. 1494 wurde Heltauer Obst dem König und seinem Gefolge anläßlich seines Besuchs in Hermannstadt als Nachtisch gereicht.

Der Weinbau wird frühzeitig urkundlich erwähnt, hauptsächlich im Zusammenhang mit der Abgabe des Weinzehnten, während der Verzehr von Wein bei der Aufnahme eines neuen Meisters in die Zunft (1376), bei Festlichkeiten und Empfängen genannt wird. Es wurde so viel Wein erzeugt, daß er auch für den Export reichte. So erfahren wir aus dem Handelsprivileg von 1413, das der walachische Fürst Mircea der Alte den Kronstädter und Burzenländer Kaufleuten gewährt, daß sie Met und Wein in das jenseits der Karpaten gelegene Fürstentum ausführten. Bis ins 17. Jahrhundert gab es übrigens im Burzenland Weinberge. Wein wurde auch in westlicher Richtung nach Ungarn und von dort noch weiter ausgeführt. Bis um 1600 erfuhr der Weinbau eine Aufwärtsentwicklung, ging dann aber zurück, weil wahrscheinlich billigerer Wein aus der Walachei eingeführt wurde.

Als das eigentliche Weinland wird in mehreren Reisebeschreibungen und in anderen Schriften des 16. und 17. Jahrhunderts das Kokelgebiet, insonderheit die Umgebung von Mediasch, genannt, gelegentlich auch der Bistritzer Gau mit Tekendorf.

Rinder und Pferde waren für die Sachsen seit ihrer Ansiedlung die wertvollsten Haustiere. Der Büffel ist erst im 18. Jahrhundert in Siebenbürgen heimisch geworden. In Reiseberichten oder geographischen Beschreibungen wird die große Zahl von Ochsen und Pferden vermerkt. Der Kartograph Gerhard Mercator, der sich auf solche Informationen stützt, schreibt in seinem "Atlas Minor" (Amsterdam, 1507), in Siebenbürgen sei die Anzahl der Ochsen nicht nur sehr groß, sondern sie seien auch so billig, daß der größte für einen Gulden erworben werden könne. Hier würden zudem unübertroffene rassige Pferde gezüchtet, die sich durch einen feurigen Galopp auszeichneten.

Rinder müssen tatsächlich in großer Zahl gezüchtet worden sein, da im 16. Jahrhundert aus den türkisch besetzten Teilen Ungarns und aus Siebenbürgen jährlich etwa 220.000 Stück Schlachtvieh in die habsburgischen Alpenländer, nach Süddeutschland sowie nach Oberitalien getrieben wurde. In welchem Maße die Sachsen Viehlieferanten waren, wissen wir nicht. Den Ankauf betrieben Schlachtviehimporteure aus Nürnberg, Regensburg, vor allem aber aus Augsburg. Im 17. Jahrhundert flaute dieser Handel allmählich ab. Man wundert sich ob dieser Exportmöglichkeiten, denn während der vielen feindlichen Überfälle, von denen Siebenbürgen in jener Zeit heimgesucht wurde, ist der Viehbestand wiederholt stark dezimiert worden. Chronisten berichten darüber, daß nach solchen Raubüberfällen sich Männer vor Wägen und Pflug spannen mußten, um die Zugkraft des fehlenden Viehs zu ersetzen.

Der Bauer hielt natürlich auch Schweine, Ziegen, dann Hühner, Gänse, Enten, Puten und Hasen. Einen wichtigen Platz nahm die Imkerei ein, da Honig als Süßstoff und Wachs zum Herstellen von Kerzen sehr gefragt waren. In Urkunden und chronistischen Aufzeichnungen werden ferner erwähnt Fischteiche und der Verzehr von Fischen, letztere besonders in der Fastenzeit. Im Schrifttum des 16. und 17. Jahrhunderts wird der Reichtum an Fischen und Wild genannt. Vom Wild werden namentlich erwähnt Adler, Pfaue, Wildschweine, Rebhühner, Auerochsen, Füchse, Bären, Wölfe, Hirsche, Rehe, Luchse und Hasen. Der reiche Wildbestand lud natürlich zum Jagen ein, ohne aber im wirtschaftlichen Leben des Bauern von Bedeutung zu sein. Oft wurde das Wild erlegt, weil es in den Fluren Schaden anrichtete oder weidende Herden überfiel. Da im 17. Jahrhundert die Wolfsplage sehr zugenommen hatte, wurden auf die Vernichtung des auch durch die Märchen zum Bösewicht gestempelten Isegrim Prämien ausgesetzt. Der Schäßburger Rat zahlte beispielsweise 1601 für sieben erlegte Wölfe einen Gulden, dann 1625 für einen getöteten Wolf 50 Denare und 1635 wieder 75 Denare.

Das Wild wurde zudem gejagt, weil man dessen Pelze dem Kürschner verkaufen konnte. Tierfelle waren ferner eine wichtige Import- und Exportware. 1438 werden in einem Zollstreit siebenbürgisch-sächsischer Kaufleute mit dem Großwardeiner Domkapitel unter anderen Waren Marder-, Hermelin- und Fuchsfelle genannt. Aus Siebenbürgen wurden vor allem Fuchsfelle ausgeführt, so 80 Stück im Jahre 1548 aus Kronstadt. Der Landtag verbot infolgedessen im 16. Jahrhundert deren Ausfuhr. Das Wildbret wurde natürlich auch verzehrt. Gelegentlich der Bewirtung des Fürsten Stephan Báthori in Kronstadt im Jahre 1522 verrechnete der Stadthann unter anderem 300 Rebhühner, 10 Rehe und 20 Hasen.

Das Schrifttum des 16. und 17. Jahrhundert hebt allgemein den entwickelteren wirtschaftlichen und kulturellen Stand der von Sachsen bewohnten Gebiete im Vergleich zum Komitats- und Szeklerboden hervor. Der Humanist und Erzbischof von Gran Nikolaus Olahus bezeugt den Sachsen, daß sie sich sehr gut auf den Ackerbau verstanden, daß ihre Frauen genau wie die Männer arbeiteten und daß sie widerstandsfähig bei harten Arbeiten seien. Daher seien die Sachsen sehr wohlhabend, empfängen ihre Gäste ehrenvoll und bewirteten sie aufwendig.

Vor allem das Burzenland wird des öfteren mit einem gepflegten Garten verglichen. Diese Meinung, die auf Georg Reichestorffers "Choreographie (Landesbeschreibung) Siebenbürgens" (Wien, 1550) zurückgeht, diente mit anderen Informationen zwei Jahrhunderte verschiedenen Chronisten und Reisenden als Quelle.

In der Feldbebauung wurden bis Ende des 17. Jahrhunderts keine wesentlichen Fortschritte erzielt. Aus dem Nutzungsrecht am Ackerland, das nicht mehr periodisch neuverteilt wurde, entwickelte sich dadurch, daß dasselbe Grundstück immer in derselben Familie verblieb, allmählich erbliches Privateigentum. Diese Entwicklung vollzog sich zwar nicht in allen Dörfern, muß aber schon solche Ausmaße angenommen haben, daß das "Eigenlandrecht " von 1583 den Verkauf von Grundstücken regelte. Es wird festgelegt, so jemand liegende Güter wie Häuser, Weiherhöfe, Weingärten, Äcker, Wiesenland und Teiche zu verkaufen beabsichtigt, soll er darüber zunächst seine Nachbarn in Kenntnis setzen und an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen auf dem Markt oder vor der Kirche seinen Verkauf ausrufen und feilbieten lassen. Das Vorkaufsrecht haben die Anverwandten und Nachbarn. Verkauft ein "Stadtmann" sein "Erbgut" auf fremdem Hattert, so haben die Einwohner desselben Ortes oder die Gemeinde das Vorkaufsrecht. Das Widerspruchsrecht besteht 15 Tage. Der Kauf selbst soll durch einen Trunk, genannt "Almesch", bekräftigt werden.

Den Rumänen, die sich auf Sachsenboden niederließen, war nicht erlaubt, Grundbesitz zu erwerben. Da es aber sächsische Dörfer gab, in denen durch Kriege Höfe unbesetzt waren und infolgedessen unbebauter Boden vorhanden war, erlaubte man Rumänen, sich in der Ortschaft niederzulassen, teilte ihnen auch Grund zu, ohne daß sie dadurch jedoch irgend ein Recht darauf erwarben, sie blieben vom Gemeindebesitz und Gemeinderecht ausgeschlossen. Sie wurden bloß toleriert. Daraus hat sich aber allmählich ein Bleiberecht entwickelt, obwohl es auch Versuche gegeben hat, Rumänen zu vertreiben.

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Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen

"Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen" von Dr. Michael Kroner.
Heft 5 aus der Schriftenreihe Geschichte der Siebenbürger Sachsen und ihrer wirtschaftlich-kulturellen Leistungen.

Herausgeben vom Bundesreferat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und von der Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V.

Bezugsquelle: Dr. Michael Kroner, Tel. +49 (0)911 69 19 09



Stand 18.01.2000      top