Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen


1.5 Das deutsche Städtewesen

Autor: Dr. Michael Kroner
Quelle: "Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen".

1.5 Das deutsche Städtewesen

In Ost- und Südosteuropa wären sicherlich auch ohne deutsche Einwanderer urbane Lebensformen entstanden. Das wäre aber ein anderer Städtetypus gewesen, etwa so wie auf dem Balkan, in der Ukraine und in Rußland oder in der Moldau und in der Walachei. Die ersten mittelalterlichen Städte der letztgenannten rumänischen Fürstentümer waren übrigens deutsche Gründungen - so Baia, Roman, Piatra Neamt, Adjud, Trotus, Siret, Suceava in der Moldau, Campulung (Langenau), Targoviste, Curtea de Arges u. a. in der Walachei. Sie haben sich aber als deutsche Städte nicht halten können, da in ihnen von Anfang an die bodenständige Bevölkerung zahlenmäßig einen bedeutenden Anteil hatte oder sogar überwog. Demzufolge unterschieden sie sich sowohl durch ihr Äußeres als auch durch die Bevölkerung von den Städten Siebenbürgens. Diese Entwicklung beurteilt der namhafte rumänische Historiker Nicolae Iorga in seiner "Geschichte des rumänischen Volkes im Rahmen seiner Staats­bildungen" (Gotha, 1905) wie folgt: "Überall trifft man (im Mittelalter) in den (rumänischen) Städten Fremde, die mit ihrem Rechte, mit der in ihrer Heimat üblichen Stadtverfassung gekommen sind, um ähnliche Kolonien auf rumänischem Boden zu gründen. Die einheimische Bevölkerung hat es nur zu Fischerdörfern an der Donau, die sich dann zu Häfen angewachsen haben, oder fürstlichen Residenzen für den Landesherrn unter dem Schutze seines ´catrum´ gebracht. Dasselbe muß auch für den Teil des alten ´rumänischen´ Landes gelten, das heute Siebenbürgen, Erdély und nach dieser letzten Benennung rumänisch Ardeal heißt. Alle Städte verdanken ihr Dasein einer fremden, bürgerlichen Einwanderung, denn auch die Magyaren haben selbst keine städtischen Gemeinden gegründet. Die älteren Städte sind alle durch die vom Rhein her ins Land gerufenen Sachsen erbaut worden...Hier (in den rumänischen Fürstentümern) wie jenseits der Berge (in Siebenbürgen) zeigt sich die Unlust des rumänischen Volkes, in einer geschlossenen, reichen Stadt zu leben, wo es regelmäßige Arbeit gibt und ein sparsamer Haushalt geführt werden muß. Der Rumäne braucht Raum, Himmel, Natur und Freiheit, die sind seine wichtigsten Bedürfnisse. Sie liegen auf dem Grunde seiner Seele und klingen auch in seinen Liedern."

Die erste siebenbürgisch-deutsche Stadt war der am Fuße des Rodnaer Gebirges gelegene Bergort Rodenau (Rodna). Die Ortschaft wird bereits 1241 beim Überfall der Mongolen als "Stadt" bezeichnet. Sie war damals Vorort der nordsiebenbürgischen Gästesiedlungen und besaß auch gemauerte Wehranlagen. Rodenau dürfte schon bei der Anlage als Stadt geplant worden sein. In den Gruben Rodenaus wurde Silber- und Kupfererz gefördert. Nach den Verwüstungen des zweiten Mongolensturms (1285) konnte sich die Stadt nicht mehr erholen, und die Vorortfunktion ging an Bistritz über. Zeitweise dürfte der Ort wüst gewesen sein, bis die Gruben im 14., insbesondere im 15. Jahrhundert von Bistritzer Unternehmern neu erschlossen wurden.

Die übrigen sächsischen Städte haben sich allmählich aus ländlichen Siedlungen entwickelt, wobei Ortschaften, die Verwaltungsfunktionen innehatten, an Flüssen, Pässen und Handelswegen lagen, dazu noch von einer größeren Anzahl von Handwerkern und Kaufleuten bewohnt wurden, die größten Chancen hatten, den Status einer "civitas" zu erhalten. Bei der Entwicklung der Dörfer zu Städten und danach in deren Führung haben Gräfen eine große Rolle gespielt, da sie aufgrund ihrer Einnahmen aus grundherrschaftlichen Besitzungen und kaufmännischen Unternehmen zu den wohlhabendsten Geschlechtern gehörten.

Der Prozeß der Stadtwerdung dauerte etwa zwei Jahrhunderte. Anfang des 14. Jahrhunderts gab es etwa 20 Ortschaften, die urbane Voraussetzungen aufwiesen, geschafft haben es schließlich Hermannstadt, Kronstadt, Bistritz, Klausenburg, Schäßburg, Mediasch und Mühlbach, wobei bloß die vier erstgenannten eine überregionale Stellung innegehabt haben. Im 14. - 15. Jahrhundert hatten diese Städte - mit Ausnahme von Mediasch - das Entwcklngsstadium westeuropäischer Städte erreicht. Mittels mehrerer Privilegien erringen die sächsischen Städte gemeinsam mit dem Selbstverwaltungsgebiet des Königsbodens städtische Autonomie. Eine direkte Stadtrechtsverleihung hat es dabei nicht gegeben, die Städte sind gewachsen, das Stadtrecht hat sich vielmehr aus der Gemeindeverfassung des erweiterten Andreanums ergeben. Dieser Status wurde nach Konrad Gündisch erreicht mit der Verleihung des freien Rechts der Königsrichterwahl an die Bewohner der Sieben und Zwei Stühle (1464), der Beseitigung des Grafschaftsverhältnisses in Bistritz (1366) und in Kronstadt (1422), sowie durch die Übertragung der uneingeschränkten Gerichtsbarkeit an den Richter und den Rat von Klausenburg (1405). Die wichtigsten Bestandteile des Stadtrechts - bürgerliche Freiheit, eigene Gerichtsbarkeit und städtische Selbstverwaltung - waren damit gesichert. Zu den äußeren Merkmalen einer Stadt gehörte sodann ihre Wehrhaftmachung durch Errichtung von Ringmauern mit Verteidigungstürmen und Basteien.

Die Befestigung der Städte erfolgte in mehreren Etappen. Den Ausgangspunkt bildete gewöhnlich die ummauerte Kirche. Als die Mongolen 1241 Ungarn überfielen, gab es, wie ein Zeitgenosse feststellte, fast keine mit Mauern bewehrten Ortschaften und keine festen Burgen. Daher förderten die ungarischen Könige die Entwicklung von befestigten Städten. Obwohl schon Ende des 13. Jahrhunderts auch wehrhaft eingerichtete Kirchen auf dem Lande erwähnt werden, bewirkten erst die verheerenden Überfälle der Türken vom Ende des 14. und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine Beschleunigung des Baus von verstärkten städtischen Verteidigungsanlagen und auf den Dörfern den Ausbau der Gotteshäuser zu den bis heute die Landschaft prägenden Wehrkirchen und Kirchenburgen. Am Ende des bis ins 17. Jahrhundert dauerenden Ausbaus der Verteidigungsanlagen hatte Hermannstadt vier Mauer­ringe, 34 Türme, vier Basteien, ein Rondell und fünf Tore. Kronstadts Ringmauer war mit sieben Basteien, 32 Türmen und vier Toren versehen. Die anderen Städte besaßen entsprechend ihrer Größe ebenfalls Ringmauern mit Türmen, Toren und Basteien. Am besten erhalten haben sich diese Wehranlagen in Schäßburg.

Der Stadtplan und die Bebauung der sächsischen Städte befolgten deutsche Vorbilder. Den Mittelpunkt bildete der Marktplatz mit Rathaus und Kirche, von dem die parallelen Straßenzüge ausgingen. Zu den städtischen Einrichtungen und Institutionen gehörten Schulen, seit dem 16. Jahrhundert auch Gymnasien, Spitäler, Badestuben, Apotheken, Gasthäuser mit Herbergen und bis zur Reformation mehrere Klöster.

Die Häuser waren anfangs durchwegs aus Holz gebaut und mit Strohdächern gedeckt. Im 14. Jahrhundert tauchen Steinhäuser auf, um dann im 17. Jahrhundert als aufgestockte Gebäude das Stadtbild um den Marktplatz und in den Hauptstraßen zu bestimmen. Im Zuge dieser Entwicklung entstanden im 15. und 16. Jahrhundert um den Marktplatz Lauben bzw. "Gewölbe" der Handwerker und Kaufleute, wie sie sich vor allem in Bistritz ("Kornmarkt") und auf dem Kleinen Ring in Hermannstadt, wenn auch in veränderter Form, erhalten haben.

Die sächsischen Städte waren die wichtigsten Kultur- und Wirtschaftszentren des Landes und zugleich die wichtigsten Träger abendländischer Zivilisation in Südosteuriopa. Die Städte auf Komitats- und Szeklerboden hielten keinem Vergleich mit jenen des Sachsenbodens stand. Neben den Städten gab es Marktflecken, die als Stuhlsvororte und Handwerksorte den Städten Konkurrenz machten und mit ihnen so manchen Streit ausgetragen haben. Ihre große Zahl spricht für den wirtschaftlichen Hochstand des Sachsenlandes. Außer den genannten Städten fungierten folgende Marktgemeinden auch als Stuhlsvorort: Großschenk, Leschkirch, Reps, Reußmarkt und Broos. Andere Dörfer entwickelten sich ebenfalls zu Marktgemeinden, so Zeiden, Marienburg, Rosenau, Tartlau, Keisd, Agnetheln, Alzen, Heltau, Salzburg, Großpold, Marktschelken, Birthälm, Großkopisch, Reichesdorf, Hetzeldorf, Meschen, Kleinschelken, Sächsisch-Reen, Tekendorf und Lechnitz. Diese Marktgemeinden besaßen das Recht, Wochen- und Jahrmärkte abzuhalten, während sich ihre Handwerker in Zünfte organisierten. Einige Marktflecken erfreuten sich auch des "ius gladii", also des Blutgerichts.

Die Stadt Klausenburg hat eine Sonderentwicklung gehabt. Die neben einer Komitatsburg gegründete Ortschaft gehörte nicht dem Königsboden an und besaß auch nicht das ausschließliche Siedlungsrecht für Deutsche, so daß hier frühzeitig auch Ungarn ansässig wurden. Im Stadtrat saßen gleichberechtigt sächsische und ungarische Bürger. Nach der Reformation ging die deutsche Bevölkerung immer mehr zurück bzw. im Ungarntum auf. Klausenburg wurde eine ungarische Stadt. Auch die wenigen im Umland lebenden Sachsen in Appesdorf (Koloschmonostor, Manastur), Fenesch (Floresti) und Gelau/Julmarkt (Gilau) konnten ihr Deutschtum nicht halten.

Eine Sonderstellung nehmen die mittelalterlichen deutschen Bergstädte Siebenbürgens ein. Sie entstanden außerhalb des eigentlichen Siedlungsgebietes der Siebenbürger Sachsen an Orten, wo es Salz-, Erz-, Gold- und Silbervorkommen gab. Hier wurden deutsche Bergarbeiter angesiedelt, um den Bergbau wieder aufzunehmen und die neuesten technischen Errungen­schaften - die Verwendung des Wasserradantriebes bei der Entwässerung und der Förderung der Erze, die Einführung des Stollenbaus sowie neuer Verhüttungsmethoden - einzuführen. Für diese Arbeiten waren Facharbeiter erforderlich. Die Berufung der Bergleute steht daher auch nicht in Verbindung mit dem Siedlungswerk der Sachsen in Siebenbürgen, dafür aber mit der Ansiedlung von deutschen Bergarbeitern in der Zips. Die Bergleute sind erst im 13. Jahrhundert und danach ansässig geworden.

Neben dem Bergflecken Salzdorf (Deschakna) am Zusammenfluß des Großen und Kleinen Samosch wurden im 13. Jahrhundert deutsche "Hospites" angesiedelt, deren Niederlassung sich bis um 1300 zu einer städtischen Siedlung namens Burgles (Desch) entwickelte. 1366 wurden die beiden Orte gemeinsam privilegiert und von fremder Gerichtsbarkeit endgültig befreit.

Von den übrigen Salzbergwerkorten entwickelte sich Thorenburg (Turda) ebenfalls zu einer Stadt, nachdem seinen deutschen Siedlern 1291 die üblichen Bergwerkprivilegien zuerkannt worden waren. Aus demselben Jahr stammt eine Urkunde für die Bergleute von Eisenmarkt/Eisenburg (Rimetea), die allerdings eine Fälschung sein soll. Nach Angaben der Urkunde stammten die Siedler aus Eisenwurzel in der Steiermark. Der Bergort entwickelte sich zu einem kleinen Städtchen, das aber bedeutungslos blieb, zumal es 1377 in adligen Besitz überging.

Im 14. Jahrhundert wird der Goldbergbau in den Westkarpaten durch deutsche Siedler neu belebt, nachdem der einst von den Römern betriebene Bergbau ganz aufgelassen worden war. Im Jahre 1325 gewährt König Karl I. Robert den "hospites civitatis" von Offenberg (Baia de Aries) mehrere Bergfreiheiten, die ihnen von Ludwig I. 1359 bestätigt werden. 1357 gelangen die Bergleute von Kleinschlatten (Zlatna) in den Genuß der Freiheiten der übrigen Bergstädte Ungarns. Gold wurde von deutschen Bergleuten auch in Großschlatten (Abrud), Altenberg (Baia de Cris) und Pernseifen (Baita) gefördert. Diese Bergorte sind zu keinen eigentlichen Städten aufgestiegen, sie hatten mehr den Charakter von Marktflecken. Im Laufe des 15. Jahrhunderts schlossen sie sich zwar zu einem Bund der vier Städte zusammen, gelangten aber trotzdem in immer stärkere Abhängigkeit von vorwiegend Hermannstädter Großunternehmern, die sie als Kammergrafen oder dank ihrer Finanzkraft unter Kontrolle brachten. Ende des 15. Jahrhunderts stiegen die Fugger in den ungarischen Bergbau ein. Im Siebenbürgischen Erzgebirge gingen sie daran, die mittlerweile ertrunkenen Goldberg­werke wieder in Betrieb zu nehmen.

Alle genannten Bergorte haben ihre deutsche Einwohnerschaft verloren. Das dürfte darauf zurückzuführen sein, daß sie kein bäuerliches Umland als unmittelbares Zuzugsgebiet hatten. Zu den großen sächsischen Siedlungsgebieten bestanden verwaltungsmäßig keine Beziehungen.

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Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen

"Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen" von Dr. Michael Kroner.
Heft 5 aus der Schriftenreihe Geschichte der Siebenbürger Sachsen und ihrer wirtschaftlich-kulturellen Leistungen.

Herausgeben vom Bundesreferat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und von der Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V.

Bezugsquelle: Dr. Michael Kroner, Tel. +49 (0)911 69 19 09



Stand 18.01.2000      top