Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen


1.6 Gewerbe- und Zunftwesen

Autor: Dr. Michael Kroner
Quelle: "Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen".

1.6 Gewerbe- und Zunftwesen

Daß es unter den deutschen "Hospites" auch Handwerker gab, haben wir weiter oben gezeigt. Über ihre Tätigkeit in den ersten zwei Jahrhunderten nach der Ansiedlung sind die Quellen äußerst spärlich. Dafür besitzen wir dann ab dem 14. Jahrhundert reichlich Informationen, so daß wir uns über das Handwerkswesen in der folgenden Zeit ein gutes Bild machen können. Zunächst werden in den 30er und 40er Jahren des 14. Jahrhunderts in Mühlbach, Hermannstadt, Schäßburg und Kronstadt einige Gewerbe wie Bäcker, Fleischer, Kürschner, Schuster, Weber und Goldschmiede genannt. In Mühlbach gehören sie dem Stadtrat an. Einen ersten Hinweis auf eine Zunft enthält eine im Jahre 1367 zwischen Handwerkern und Winzern in Bistritz geschlossene Vereinbarung. Für Klausenburg ist im Jahre 1369 die Zunft der Kürschner belegt. Mittlerweile gab es auch in der Hermannstädter Provinz Zünfte, wie aus der umfassenden Regelung von 1376 hervorgeht. Darin werden für 19 Zünfte und 25 Gewerbe in Hermannstadt, Schäßburg, Mühlbach und Broos neue Regelungen beschlossen.
Es werden genannt die Zünfte der Fleischhauer, Bäcker, Lederer, Weißgerber, Schuhmacher, Schmiede (zu der Zunft gehörten auch die Nagler, Kupferschmiede, Wagner Gürtler, Schwertfeger und Schlosser), Kürschner, Handschuhmacher, Messerschmiede, Mantel­­schneider, Hutmacher, Seiler, Wollweber, Weber, Faßbinder, Töpfer, Bogner, Schneider und Beutelmacher. Diese Aufzählung läßt die Vielfalt des Gewerbewesens erkennen, das imstande war, die Bedürfnisse einer anspruchsvollen Kundschaft zu befriedigen. Obwohl es in den vier genannten Städten nicht alle aufgezählten Gewerbe gab, hält das Zunftwesen Siebenbürgens trotzdem einen Vergleich mit vielen Städten Deutschlands stand.

Die genannte Zunftordnung regelt die Aufnahme in die Zunft, die Wahl der Zunftmeister, die Beziehungen zwischen Zünften und der Stadtobrigkeit, trifft Bestimmungen über die Qualität der Erzeugnisse und deren Absatz.

Die Zünfte (Zechen, Innungen) waren genossenschaftliche Verbände von Gewerbetreibenden desselben Handwerks, um ihre Interessen auf den verschiedensten Gebieten zu vertreten. Sie sicherten ihnen vor allem das ausschließliche Produktionsrecht in ihrem Gewerbe, Vorrechte bei der Beschaffung des Rohmaterials, überwachten die Tätigkeit der eigenen Meister, sorgten für den guten Ruf der Innung und waren für die Aufnahme von Lehrjungen, Gesellen und Meistern zuständig. Die Leitung der Zunft lag beim Zunftmeister, der alljährlich mit seinen Helfern auf der Jahresversammlung gewählt wurde, bei der Rechenschaft abgelegt und Gericht gehalten wurde. Die Zünfte gewannen allmählich auch im Stadtrat immer mehr an Gewicht. Ihnen kamen auch wesentliche Aufgaben bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Verteidigung der Stadt zu. Jede Zunft hatte im Kriegsfall einen Teil der Stadtmauer zu verteidigen und in Friedenszeiten diese instandzuhalten. So kommt es, daß eine Reihe von Mauertürmen oder Stadttoren nach den für ihre Instandhaltung und Verteidigung zuständigen Zünften benannt wurden.

Der Lehrjunge, Lehrknabe oder einfach Knabe genannt, der sich bei einem Meister eindingte, mußte seine "ehrenhafte" sowie deutsche Herkunft nachweisen und eine Aufnahmegebühr in die Zunftlade zahlen. Während der Lehrzeit von drei bis fünf Jahren wohnte er im Hause des Meisters, wurde von diesem verpflegt und auch betreut. Die Arbeitszeit dauerte gewöhnlich vom Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Nach Abschluß der Lehrzeit wurde der Knabe freigesprochen und er erhielt von seinem Meister einen Lehrbrief. Damit war er nun Geselle (Knecht). Verblieb er bei seinem Meister, was zumindest für ein Jahr geschah, wurde er für seine Arbeit entlohnt, gehörte aber weiterhin zum Haushalt des Meisters und war zur strengen Einhaltung der Haus- und Gesellenordnung verpflichtet.

Die Gesellen waren meistens schwach bezahlt. Sie durften auch nicht mit dem Meister einen über den von der Zunft vereinbarten Lohn aushandeln. Daher kam es oft zu Konflikten. Zur Wahrnehmung ihrer Interessen schlossen sich die Gesellen in Bruderschaften zusammen. Erste Zusammenschlüsse dieser Art sind aus dem 15. Jahrhundert bekannt.

Nach einer Zeit begab sich der Geselle auf Wanderschaft, um auch bei anderen Meistern zu lernen. Einige Gesellen gelangten auf ihrer Wanderschaft, der sogenannten "Walz", auch in westliche Länder, wodurch die Möglichkeit gegeben war, Neuerungen im Gewerbe kennenzulernen. In umgekehrter Richtung gelangten deutsche Handwerksgesellen nach Sieben­bürgen, wo so mancher von ihnen verblieb.

Vor der Aufnahme in die Zunft mußte der Geselle ein Meisterstück anfertigen. Wurde es für gut befunden, zahlte er die vorgesehene Aufnahmegebühr und den Umtrunk und konnte dann selbst eine Werkstatt eröffnen.

Die Zunftgesetze des Landes von 1490 verlangten beispielsweise von einem Wagner, einen Fuhrwagen herzustellen, vom Goldschmied forderte die Hermannstädter Zunftordnung von 1494 einen Kelch, einen goldenen mit einem oder zwei Steinen versehenen Ring sowie einen Taschenlöffel anzufertigen. Bei den Schmieden in Hermannstadt bestand 1514 das Meisterstück aus einer Sense, einer Haue, einer Handaxt und einer Pfanne.

Die Zünfte waren bis ins 19. Jahrhundert die wichtigsten Wirtschaftsverbände der Städte. Sie befanden sich in den sächsischen Städten ausschließlich in sächsischen Händen und sie lehnten die Aufnahme von nichtsächsischen Lehrlingen, Gesellen oder Meistern strikt ab. Auch die Städte beharrten auf ihrem Recht, nur Deutschen die Niederlassung innerhalb der Stadtmauern zu gewähren. Sie konnten es aber nicht verhindern, daß in den Vorstädten Rumänen, Ungarn, Griechen, Armenier, Zigeuner u.a. sich ansiedelten und für die Gewerbetreibenden und vor allem für die Kaufleute zu unliebsamen Konkurrenten wurden. Vor allem weniger anspruchsvolle Handwerkserzeugnisse übernahmen unzünftige Gewerbetreibende.

Es würde zu weit führen, wollten wir die Entwicklung der einzelnen Gewerbe verfolgen. Soviel sei vermerkt: Zu dem natürlichen zahlenmäßigen Anwachsen der Handwerksmeister kam eine größere Spezialisierung hinzu, so daß neue Innungen entstanden, so etwa die der Waffenschmiede, Goldschmiede, Maler, Zinngießer, Sattler, Büttner, Kannengießer, Sichelschmiede, Tschismen(Stiefel)macher, Büchsenmacher, Glockengießer, Holzschnitzer u.a. Hermannstadt zählte Mitte des 16. Jahrhunderts 28 Zünfte mit über 30 Gewerbezweigen. Die Maurer, deren Gewerbe nicht an einen Ort gebunden war, organisierten sich erst im 16. Jahrhundert. Dazu trug auch bei, daß ihre Zahl nun stark anstieg, nachdem immer mehr Steinhäuser errichtet wurden. Für den Bau der großen gotischen Stadtkirchen wurden sicher Baumeister deutscher Bauhütten berufen.

Im 16. Jahrhundert wurden die ersten Buchdruckereien eröffnet (1529 in Hermannstadt, 1539 in Kronstadt), so daß ein neues Gewerbe entstand.

Da Handwerker derselben Zeche oft ihre Wohnung und Werkstatt in derselben Straße hatten, wurde diese nach ihnen benannt so etwa Tischler-, Fleischer-, Webergasse u. a.

Gegen den Willen der Stadtinnungen organisierten sich auch die Handwerker der Markt­gemeinden in Zünfte, mußten aber meistens die Oberhoheit der Stadtzünfte anerkennen. Einige Marktflecken spezialisierten sich zum Teil auf ein oder zwei Gewerbe und erzeugten Massenartikel. So arbeiteten im Jahre 1460 in Heltau mehr als 30 Sichelschmiede und ebendort 1594 etwa 180 Wollweber.

Das siebenbürgisch-sächsische Gewerbe produzierte nicht nur für den Inlandsbedarf, sondern schuf auch für dem Export die erforderliche Grundlage. Peter Kanzonus, Gesandter Neapels am Hofe von König Mathias Corvinus, bekannte: "Die große und ausgezeichnete Begabung dieser Leute (gemeint sind die Siebenbürger Sachsen) macht sie besonders geeignet und geschickt für alle Art von Handfertigkeit. Um in wenigen Worten alles zu sagen: wo man in Ungarn auf dem Felde der edlen Künste und der Handarbeiten Liebenswertes und Ausgezeichnetes findet, das alles trifft man in Siebenbürgen."

Zur Übersicht


Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen

"Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen" von Dr. Michael Kroner.
Heft 5 aus der Schriftenreihe Geschichte der Siebenbürger Sachsen und ihrer wirtschaftlich-kulturellen Leistungen.

Herausgeben vom Bundesreferat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und von der Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V.

Bezugsquelle: Dr. Michael Kroner, Tel. +49 (0)911 69 19 09



Stand 18.01.2000      top