Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen


1.7 Handel zwischen Ost und West

Autor: Dr. Michael Kroner
Quelle: "Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen".

1.7 Handel zwischen Ost und West

Die Quellenlage über den siebenbürgisch-sächsischen Handel im Mittelalter und danach ist relativ gut. Zudem gibt es darüber auch eine Reihe von gute Facharbeiten, so daß wir in etwa wissen, womit und in welchem Umfang gehandelt wurde und in welchem geographischen Raum sich der Warenaustausch abspielte. Bereits unter den ersten "Hospites"-Siedlern wird 1204 und 1206 ein Wallone namens Johannes Latinus genannt, der als Belohnung für seine Kriegsdienste vom ungarischen König Emmerich in den Ritterstand erhoben und mit Gütern bedacht wird. Zudem erhalten er und die in seinen Diensten stehenden Leute das Recht, zollfreien Handel zu treiben. Es dürfte sich um einen Unternehmer gehandelt haben, der durch Fernhandel reich geworden war.

Der Deutsche Ritterorden erhält 1211 im Burzenland desgleichen Zoll- und Marktfreiheit sowie das Recht, mit Schiffen auf dem Alt und Mieresch Salz und andere Waren zu transportieren und damit zu handeln.

Wichtig für die Entfaltung des Handels der Siebenbürger Sachsen waren die Bestimmungen des "Goldenen Freibriefes" von 1224. Danach konnten die sächsischen Kaufleute im ganzen Königreich "frei und ohne Abgaben hin- und herreisen" (sie genossen also Zollfreiheit) und ihre Märkte abgabenfrei halten. Sie sollten sich bei der Ausübung dieses Rechtes, falls es von jemandem beanstandet werde sollte, auf die "Königliche Hoheit" berufen. Die Tatsache, daß bereits Anfang des 13. Jahrhunderts in einem so wichtigen Freibrief sehr günstige Handelsrechte zugesichert wurden, beweist, daß es unter den Männern, die sich ihn ausstellen ließen, auch einflußreiche Unternehmer gab, und zwar solche die Fernhandel betrieben, denn das einheimische Gewerbe war damals noch nicht in der Lage, den Markt ausreichend mit Waren zu beliefern. Ein reger Binnenhandel entstand erst, nachdem der Handwerksstand der Städte und Marktflecken mit einem reichen Angebot aufwartete. Damit setzte auch die Geldwirtschaft ein. Für den Außenhandel war ausschlaggebend, daß das siebenbürgisch-sächsische Gewerbe in den unterentwickelten Donaufürstentümern und auf dem Balkan günstige Absatzmärkte fand und daß dieser Handel durch Gewährung von Privilegien seitens ungarischer Könige sowie walachischer und moldauischer Fürsten gefördert wurde. Die ungarischen Könige öffneten den Kaufleuten auch in westlicher Richtung die Märkte ihres Reiches. Die Sachsen gehörten dadurch bis ins 16. Jahrhundert zu den wichtigsten Vermittlern des Warenaustausches in dem genannten Raum. Gelegentlich reichten ihre Handelsbeziehungen auch darüber hinaus. Die Städte Kronstadt, Hermannstadt und Bistritz etablierten sich aufgrund des ihnen gewährten Stapelrechtes zu Umschlagplätzen für Waren, die vom Balkan und aus der Walachei und der Moldau kamen bzw. hin exportiert wurden.

Die Reihe der Handelsprivilegien eröffnet der ungarische König Ludwig I., der 1358 den Kronstädtern das Recht verleiht, mit der Walachei ungehindert Handel zu treiben. Dieses Privileg wird in der Folgezeit bestätigt und erweitert. Die Fürsten der transkarpatischen Länder, angefangen mit Vlaicu (1368) und Mircea dem Alten in der Walachei, Alexander dem Guten in der Moldau und fortfahrend mit ihren Nachfolgern, stellen desgleichen den Kaufleuten der drei genannten Städte Freihandelsbriefe aus. Diese Städte, die an Pässen lagen, die in die beiden Fürstentümer führten, wurden bevorzugt behandelt, während die kleineren Städte Schäßburg, Mediasch, Mühlbach sowie die Marktflecken hauptsächlich am Innenhandel beteiligt waren.

Als Beispiel für ein Handelsprivileg weisen wir auf jenes von Mircea dem Alten von 1413 für die Kronstädter und Burzenländer Kaufleute hin. Aus der Urkunde geht hervor, daß es sich dabei um die Bestätigung von "Rechten und Gewohnheiten handelt". Dann werden die Zollangelegenheiten geregelt. Der Freibrief legte zunächst die Höhe des Zolles für hochwertige Tuche aus Ypern, Frankreich, Löwen, Köln und Polen fest. Für gewöhnliches Tuch und Stiefel war kein Zoll zu entrichten, während für Met und Wein eine Abgabe festgelegt wurde. Zollfrei sollten hingegen in die Walachei eingeführt werden können (und das waren Waren siebenbürgischer Handwerker) Eisen, graues Tuch, Leinwand, feines Leinen, Schwerter, Wurfspieße, Messer, Bogen, Seile, Schaffelle u.a. Einige dieser Produkte sollten jedoch dann, wenn die Kaufleute die Walachei bloß als Transitland benutzten und auf den Balkan oder an das Schwarze Meer weiterfuhren, zollpflichtig sein. Wie aus dem Freibrief hervorgeht, bestand der Import aus der Walachei aus Fischen, Pferden, Ochsen, Schweinen, Schaf- und Wildfellen, Käse u. a.

Aus den genannten und anderen Privilegien, dem brieflichen Verkehr zwischen den Handelspartnern, aus Rechtsstreitigkeiten, den Zollregistern erhalten wir Auskunft nicht nur über die Art der gehandelten Waren, sondern zum Teil auch über deren Umfang.

Wir zählen zunächst einmal auf, was an exportierten Waren in die Moldau in verschiedenen Quellen des 15. und 16. Jahrhunderts genannt wird: Messer, Löffel, Becher, Beile, Hüte, Wachs, Kuchen, Handschuhe, Stiefel, Wägen, Kirschen, Pflaumen (darunter auch gedörrte), Safran, Silbergerät, Eisen, Kupfer, aromatischer Wein, Branntwein, verschiedene Tuche, Pergamentblätter, Speiseöl, Rosenöl, Hanf, Flachs, Seile, Schwefel, Augensalbe, Hirschfelle, Mäntel, Speere, Zaumzeug, Sattel, Sporen, Jägerhüte, Jägeranzüge, Gürtel, Fischernetze, Schwerter, Gläser, Wannen, Pulver und Blei, Brustpanzer u.a. Diese Handelsgüter waren hauptsächlich für die Fürsten und Bojaren gedacht. Der einfache Mann vom Lande kaufte bestenfalls Beile und Messer. Oft wurden die Lieferungen nicht in Geld bezahlt, sondern dafür im Tausch landwirtschaftliche Produkte abgegeben, und zwar hauptsächlich Schlachtvieh, Schweine, Schafe, Pferde und orientalische Spezereien. Dabei spielten die Ochsen die Rolle des Wertmessers.

Ähnlich gestaltete sich der Handel mit der Walachei, wie aus dem Handelsprivileg Mircea des Alten hervorgeht.

Zu den hochwertigen Handelsprodukten gehörten die Erzeugnisse der siebenbürgisch-sächsischen Goldschmiede. Sie belieferten mit Schmuck verschiedenster Art, Gefäßen, Bechern, Kelchen und anderen Kultgeräten weltliche und kirchliche Kunden. Viele dieser Produkte gehören heute zu den Kostbarkeiten verschiedener Museen Rumäniens, Ungarns und anderer Länder.

Genauere Angaben über Export und Import finden sich in den Zollregistern des 16. Jahrhunderts. Als Beispiel das Zwanzigstregister des Kronstädter Zollamtes (so genannt, weil die Waren mit dem zwanzigsten Teil ihres Wertes verzollt wurden) von 1503, das unter anderen folgende aus dem Westen in die Walachei und Moldau exportierte Waren verzeichnet: Tuche aus Brügge (5 Ballen), Mastrich (414), Mecheln (182), Werden (111), Bergamo (1), Verona (134), Speyer (5), Breslau (1), Köln (98), Aachen (1), Nürnberg (134), ferner 1.140.000 Messer aus Steyer und weitere 1.284.950 Messer ohne Angabe des Herkunftsortes.

Das Zwanzigstregister von 1500 ergibt, daß aus dem Orient nach Hermannstadt 105 Kanthner (türkisches Gewichtsmaß, 1 Kanthner = 56,45 Kilogramm) Pfeffer im Zollwert von 4120 Gulden gebracht wurden. Diese Menge verschwindet aber neben dem Kronstädter Import, der 1503 719 Kanthner (32.084 Gulden) erreichte. Zusammen vertrieben die Kronstädter und Hermannstädter somit in einem Jahre etwa 825 Kanthner (465000 Kilogramm) Pfeffer, den sie natürlich weiter nach Westen führten.

Sowohl die verzollten Tuche als auch die Gewürze wurden nicht nur von sächsischen Kaufleuten gehandelt, daran waren auch Rumänen, Griechen, Armenier und andere beteiligt, obzwar sächsische Kaufleute auch auf den Balkan, vielleicht bis nach Konstantinopel, dann zu den venetianischen und genuesischen Kolonien am Schwarzen Meer, vereinzelt auch in das Gebiet der Krimtataren und bis nach Kiew und Moskau gelangten. Die orientalischen Gewürze (Pfeffer, Safran, Ingwer) erwarben sie wahrscheinlich von armenischen, griechischen und rumänischen Zwischenhändlern, denen bis im 16. Jahrhundert untersagt war, ihre Waren in Ungarn abzusetzen. Den sächsischen Städten kam dabei das Stapelrecht zugute. Auf ihren Jahrmärkten und Märkten tummelte sich eine bunte Schar von Völkern. Georg Reicherstorffer schreibt über Kronstadt um 1550: "Die Stadt, durch türkische Waren berühmt, liegt zwischen sehr anmutigen Bergen, ist durch Mauern, Gräben und Basteien genügend geschützt und hat drei in verschiedenen Tälern gelegene Vorstädte. Keine unter den siebenbürgischen Städten ist nach Meinung vieler volkreicher als diese: Die Wochenmärkte sind infolge des Zusammenströmens der Bauern vom Lande so besucht, daß man sie wegen der Menge der feilgebotenen Dinge und Waren für richtige Jahrmärkte halten könnte: es ist nämlich der Handelsplatz für die benachbarte Bevölkerung und gleichsam Werkstatt aller Dinge. Hier strömen die Szekler, die Walachen, Armenier und Griechen zusammen. Aber auch mit den meist türkischen Waren, die sowohl aus der Moldau als auch aus der Walachei herbeigebracht werden, ist der Markt bisweilen ziemlich reich versehen. In dieser Stadt sind diejenigen, die die Amtsgeschäfte führen, würdige und reife Männer, verschiedener Sprachen kundig, die ihr Gemeinwesen mit größtem Eifer fördern..."

In westlicher und nordwestlicher Richtung führten sächsische Kaufleute Waren aus dem Orient, landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Walachei, Moldau und Siebenbürgen oder Produkte der eigenen Zunftmeister nach Ungarn, Österreich, Deutschland, die Schweiz und Italien. Als Handelswege wurden besonders zwei Straßen befolgt und dabei die folgenden Städte angefahren: Die eine Straße führte über Bistritz und Kaschau nach Polen und Böhmen, die andere über Großwardein nach Ofen und teilte sich hier in die Straße nach Wien, Regensburg, Nürnberg, Basel und die Straße nach Zara, Venedig und wohl auch zu anderen italienischen Städten. Auf dem Rückweg brachten die Kaufleute deutsche und italienische Tuche, Seidenstoffe, Schleiertücher, verschiedene Handwerksprodukte, Pergament u. a. mit. Für diese hochwertigen Produkte fanden sie Abnehmer bei den hohen Geistlichen und dem Adel, den wohlhabenden Bürgern der ungarischen und siebenbürgischen Städte, den Fürsten und Bojaren der Moldau und Walachei. Die Sachsen gehörten auch zu den Lieferanten des Königshofes.

Das alte sächsische Gewerbe- und Handelswesen dürfte um 1500 seinen Höhepunkt erreicht haben. Nach der Besetzung Ungarns durch die Türken wurde ein Handelsweg und Abnehmer abgeschnitten, während zur Zeit des Fürstentums Siebenbürgen verheerende Bürgerkriege viele Zerstörungen mit sich brachten und öfter den Handel lahmlegten. Zudem rissen rumänische, armenische und griechische Kaufleute immer mehr Geschäfte an sich, wobei sie von den siebenbürgischen Fürsten unterstützt wurden. Trotz allem dominierte der sächsische Handwerker das Gewerbe, während die Kaufleute bis Ende des 17. Jahrhunderts noch bedeutende Positionen behielten. Am Ende dieser Periode hatten aber letztere ihre Stellung auf dem internationalen Markt für immer eingebüßt. Hinzu kam, daß die Sachsen am Ende des 17. Jahrhunderts nach vielen erpresserischen Kriegskontributionen die Befreiung von der türkischen Oberhoheit mit geschwächter Wirtschaftskraft erlebten. Die gesamte Nation und viele Gemeinden waren hoch verschuldet. Diesem Zustand setzten dann die folgenden Kuruzzenkriege (1703 - 1711) noch einen Deckel auf.

Zur Übersicht


Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen

"Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen" von Dr. Michael Kroner.
Heft 5 aus der Schriftenreihe Geschichte der Siebenbürger Sachsen und ihrer wirtschaftlich-kulturellen Leistungen.

Herausgeben vom Bundesreferat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und von der Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V.

Bezugsquelle: Dr. Michael Kroner, Tel. +49 (0)911 69 19 09



Stand 18.01.2000      top