Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen


2.2 Landwirtschaftliche Modernisierungsversuche - Aufteilung des Gemeindegrundes

Autor: Dr. Michael Kroner
Quelle: "Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen".

2.2 Landwirtschaftliche Modernisierungsversuche - Aufteilung des Gemeindegrundes

In den sächsischen Gemeinden vollzogen sich im 18. Jahrhundert wesentliche Veränderungen in den Besitzverhältnissen. Es wurde damit ein Prozeß zu Ende geführt, der schon vorher begonnen hatte. Gab es Anfang des 18. Jahrhunderts noch Gemeinden, in denen so viel Land vorhanden war, daß jeder so viel davon bebaute, "als er brauchte", und waren Neuzuteilungen von Ackerland noch möglich, war zur Zeit der Konskription von 1720 der Privatbesitz allgemein noch kleiner als das Gemeindeeigentum an der Dorfflur, so gingen einerseits bis Ende des Jahrhunderts die Hufen endgültig in Privatbesitz über, während andererseits die Gemeinde­ländereien, vor allem die Wiesen und Wälder, aufgrund eines Gubernialdekretes von 1774 und weiterer Verfügungen unter die sächsischen Dorfbewohner aufgeteilt oder verkauft wurden. Als sich Kaiser Joseph II. während seiner Siebenbürgen-Reise von 1783 im Mediascher Gebiet nach dem Umfang der Gemeindegründe erkundigte, wurde ihm mitgeteilt, daß diese von Ort zu Ort verschieden groß seien, in einigen Gemeinden jedes Jahr, in anderen jedes dritte Jahr oder auch nach längerer Zeit unter die Dorfbewohner aufgeteilt würden. In letzter Zeit seien einige Gemeindegründe verkauft worden. Die Reformen Josephs II. haben letztendlich die Aufteilung der noch im Gemeindebesitz befindlichen Äcker und Wiesen bewirkt. "Dieser Übergang", so Friedrich Teutsch, "ist eine der größten wirtschaftlichen Umwälzungen gewesen, die unsere Gemeinden erlebt haben." Es wurde dadurch, so Teutsch weiter, "eine wirtschaftliche und soziale Revolution" angebahnt. Diese bestand hauptsächlich darin, daß nun auch unter der sächsischen Bauernschaft eine stärkere gesellschaftliche und wirtschaftliche Differenzierung einsetzte, da nach der Privatisierung des Bodens keine Neuaufteilungen mehr erfolgten, die bisher für einen wirtschaftlichen Ausgleich gesorgt und die Anhäufung von Großbesitz verhindert hatten. Nichtsdestotrotz verblieben die Weiden und ein Teil der Wälder weiterhin im Besitz der Gemeinde.

Im Sinne der merkantilistischen Wirtschaftspolitik initiierte Wien mehrere Maßnahmen zur Förderung der Agrikultur. Man versuchte durch Verbreitung von Wissen und Vorbilder die desolate Agrarproduktion zu verbesseren. Das betraf vor allem die Güter der Adligen, die die Produktion nicht durch Verbesserung der Anbauweise, Einführung fortschrittlicher Methoden und Anreize für die Bauern zu erhöhen versuchten, sondern durch Erweiterung des in Eigenregie bewirtschafteten Allodiums und Erhöhung der Frontage, die im 18. Jahrhundert vier Tage pro Woche erreichten. Die Beseitigung des Grundübels für die Zurückgebliebenheit des Landes - und das war die feudale Agrarwirtschaft mit leibeigenen Bauern - wurde von keinem Staatsmann erwogen, auch wenn sie sich über diesen Zustand wie Joseph II. bewußt waren. Auch der Kaiser tat nicht mehr, als die Leibeigenschaft aufzuheben, wodurch die Bauern persönliche Freiheit erhielten.

Gegen die verstärkte Unterdrückung der Adligen versuchten sich die sächsischen Jobagen zu wehren, konnten sich aber meistens nicht durchsetzen. Nach einem Mitte des 18. Jahrhunderts begonnenem und mehrere Jahrzehnte geführtem Prozeß verloren beispielsweise die dreizehn Gemeinden des Kokler Komitats einen Teil ihrer bisherigen Rechte und beachtliche Anteile des Gemeindehatterts, welchen die Edelherren ihrer Gutswirtschaft, dem Allodium, hinzufügten.

Die von der Regierung angeordneten Untersuchungen, die die Ursachen ergründen sollten, warum die siebenbürgische Landwirtschaft nicht in der Lage sei, die Bedürfnisse des eigenen Landes zu decken, verwiesen immer wieder auf die gepflegten Felder und Weinberge auf dem Sachsenboden mit bedeutend höheren Erträgen. Die Landwirtschaft der Sachsen wurde den Komitaten als nachahmenswertes Vorbild gegeben. In einer solchen Stellungnahme aus dem Jahre 1775 hieß es wörtlich: "Die Sächsische Nation, welche unter allen übrigen die fleißigste, mühesamste und die Feld- und Hauswirtschaft am emsigsten obliegende, auch überhaupt in allen anderen Betrachtungen die Best eingerichtete ist, wovon unter anderen auch ihre gut gebauten Dörfer, welche die schönsten im Lande sind und durchgehends von Stein und Mauer gebaut sind, Zeugenschaft geben." Als das Gubernium 1766 auf Initiative des Staatsrates die Aufforderung zur Gründung einer "Agriculturgesellschaft" an die unteren Behörden weiterleitete, lehnte der Kronstädter Magistrat den Vorschlag mit der Begründung ab, die Landwirtschaft werde im Burzenland so vollkommen betrieben, daß sie keiner Verbesserung bedürfe. Es waren mehrere Mahnungen erforderlich, bis schließlich 1769 die "Gesellschaft der Beförderer der Künste und des Ackerbaus" in Hermannstadt konstituiert wurde. Breitenwirkung hat sie jedoch nicht gehabt. Ihr Vorsitzender, der Ständepräsident Graf Lazar, und Gubernator Samuel von Brukenthal versuchten durch Verbesserungen auf ihren Gütern beispielgebend auf die Entwicklung der Landwirtschaft einzuwirken.

Auf seinem Gutsbesitz in Freck und auf der Hallerwiese in Hermannstadt ließ Brukenthal ein Treibhaus und eine Orangerie anlegen. Viele aus Wien bezogenen Obstbäume und Sträucher wurden angepflanzt, Spargel- und sonstige Gemüsekulturen angelegt. Seine Baumschule gab unentgeltlich Setzlinge und Reiser zum Veredeln der Obstbäume an Bauern ab. In Freck ließ Brukenthal einen Acker mit Kartoffeln anbauen. Ihm gebührt auch das Verdienst, den ersten Acker mit Rotklee angelegt zu haben. Zur Veredlung der Schafzucht importierte er langhaarige, spanische Schafsböcke, deren Nachwuchs an interessierte Landwirte abgegeben wurde. Das Unternehmen zeigte wenig Erfolg, da diese Schafrasse das Klima in Siebenbürgen nicht vertrug. Brukenthal gewährte auch der Pferdezucht Aufmerksamkeit.

Einzelne Grundherren brachten ausländische Stiere zur Verbesserung der einheimischen Rinderrasse. Auch einige erfolgreiche Gestüte wurden eingerichtet.

Die Viehzucht erschien dem Merkantilismus besonders empfehlenswert. Die Förderungs­maß­nahmen beschränkten sich jedoch hauptsächlich auf die Herabsetzung der Viehtaxen in den 60er und 70er Jahren des 18. Jahrhunderts.

Das Vieh wurde nach wie vor vom Frühjahr bis Herbst auf die Weide und auf das Brachland getrieben, und zwar meistens getrennt in Ochsen-, Pferde-, Kuh- und Büffel- und Schweine­herden, wobei bei letzteren die Eichelmast eine wichtige Rolle spielte. Schafe und Ziegen erfreuten sich bei den Sachsen keiner großen Beliebtheit. Um 1720 wurden in sächsischen Ortschaften als Pack- und Zugtiere auch Maultiere registriert, später ist ihre Zucht aufgegegeben worden. Dafür nahm die Zahl der Büffel zu. Vieh wurde bis ins 19. Jahrhundert sogar in den Städten gehalten und am Morgen gleichfalls auf die Weide getrieben. Während man in älterer Zeit reihum die Herden hütete, dingte man im 18. Jahrhundert für die Hut Hirten, und zwar meist Rumänen. So dienten beispielsweise 1720 in Burgberg von 31 rumänischen Ansässigen, je drei als Ochsen- und als Kuhhirten, je einer als Schweine- und Kuhhirt, ferner je einer als Feldschütz und als Hüter. Die Konskription des Hermannstädter Stuhls von 1720 weist keinen Sachsen als Hirten aus.

Die Bienenzucht war sehr verbreitet, denn Honig war ein billiger Ersatz für den ost- und westindischen Zucker, Wachs wurde weiterhin zur Kerzenherstellung gebraucht und war ein wichtiger Handelsartikel. Ein neues Bienenkorbmodell, das Graf Lazar 1769 in Hermannstadt vorstellte, das die Entnahme des Honigs ermöglichte, ohne wie üblich die Bienen zu töten, fand vorerst keine Aufnahme, selbst in Kronstadt nicht, wo die Bienenzucht in den Biengärten am stärksten betrieben wurde. In Kronstadt wurde jedoch 1844 ein Verein zur "Hebung und Förderung der praktischen Bienenzucht" gegründet.

Einer besonderen Förderung erfreute sich seitens der Behörden der Anbau von Hanf und Flachs, der weiterhin besonders im Burzenland und Repser Gebiet verbreitet war.

Der Anbau von Mais (Kukuruz), der am Anfang des 18. Jahrhunderts noch zögerlich betrieben wurde, gewann innerhalb einiger Jahrzehnte eine solche Verbreitung, daß er auf dem Sommer­feld den Hafer zum guten Teil und die Hirse fast vollständig verdrängte. Um 1770 lebte der größte Teil des Landvolkes im Kokelgebiet vom "Kukuruz". Der Palukes erwarb sich, wenn auch nicht so geachtet wie das Brot, in der sächsischen Küche einen seither nicht mehr beanstandeten Platz.

Der Kartoffel(bzw. Erdäpfel)anbau, der in den 70er Jahren vom Gubernium empfohlen wurde, machte bis Ende des Jahrhunderts keine Fortschritte. Der Repser Magistrat antwortete, er habe die Empfehlung weitergegeben, obwohl, wie er meinte, der Anbau die Mühe nicht lohne. Erst um 1800 und besonders nach der großen Hungersnot von 1817 gelang zunehmend, die Kartoffel einzubürgern.

Ab Ende des 18. Jahrhunderts verlor die sächsische Landwirtschaft den Anschluß an die in Westeuropa vollzogenen Fortschritte, was Stephan Ludwig Roth und andere Jugendliche, die sich in Deutschland zum Studium aufhielten, bedauernd feststellten. Sie starteten daher Anfang der 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts in der Heimat eine Kampagne zur Modernisierung der Landwirtschaft. Dazu gehörten die Forderung nach Auflassen der Dreifelderwirtschaft mit Brache und Flurzwang und die Einführung der in westlichen Ländern mit Erfolg praktizierten Fruchtwechselwirtschaft. Auch neue Geräte, vor allem ein besserer Eisenpflug, wurden empfohlen.

Ein anderes Ziel war die Beseitigung der Bodenzersplitterung. Als Folge wiederholter Erbteilungen waren nämlich viele schmale Zwergäcker entstanden. Es gab Bauern, die auf der Dorfflur in Gemengenlage 20 bis 30 Ackerstreifen und bis zu 18 Weingärten besaßen, so daß eine rationale Bodennutzung kaum möglich war.

Die Modernisierung der Landwirtschaft setzte sich auch der im Jahre 1843 gegründete "Siebenbürgisch-sächsische Landwirtschaftsverein" zum Ziel. Als ein wichtiges Mittel dazu betrachtete er die Einberufung und Ansiedlung von tüchtigen Landwirten aus Deutschland. Sie sollten als Musterwirte sächsischen Bauern die Vorteile der im Westen erprobten Anbauweise augenfällig machen. St. L. Roth griff diesen Gedanken auf und begab sich auf eine Werbereise nach Württemberg. Seinem Ruf folgten in den Jahren 1845 bis 1848 etwa 1800 Schwaben. Dem Siedlungswerk war jedoch kein Erfolg beschert, da es nicht gut genug vorbereitet worden war und sich unter den angesiedelten Schwaben kaum Landwirte befanden, die den sächsischen Bauern ein Vorbild hätten sein können. Nichtsdestotrotz wurden durch diese Initiativen, die durch landwirtschaftliche Schriften und Artikel in der Presse unterstützt wurden, Anstöße für die in den nächsten Jahrzehnten erfolgten Neuerungen in der sächsischen Landwirtschaft gegeben. In den 50er Jahren wurde vor allem auf städtischen Grundstücken die Frucht­wechselwirtschaft oder teilweise sogar die freie Wirtschaft eingeführt.

Das mit Kulturpflanzen bebaute Ackerland verteilte sich in ganz Siebenbürgen im Jahre 1855 wie folgt: Mais 430.558, Weizen 339.071, Roggen 222.465, Gerste 39.227, Spelt 21.320, Hafer 271.071, Heidekorn 4.842, Hirse 697, Erbsen 77, Linsen 136, Kartoffeln 1554 Joch. In den sächsischen Siedlungsgebieten stand der Weizenanbau an erster Stelle, da Brot weiterhin das Hauptnahrungsmittel war, während die Rumänen mehr Mais anbauten, den sie als Futter verwendeten, daraus aber vor allem ihr Hauptnahrungsmittel, den Maisbrei (sächsisch "Palukes" bzw. "Koläsche", rumänisch "Mamaliga") oder eine Art Maisbrot ("Malai"), herstellten.

Eduard Bielz schreibt 1857 in seinem "Handbuch der Landeskunde Siebenbürgens", daß neben vielen unbebauten und unbenützten Flächen infolge schlechter Bewirtschaftung auch die bebauten Äcker bloß die Hälfte oder ein Drittel des möglichen Ertrages erbrachten. In den sächsischen Gebieten lag der Ernteertrag jedoch bei weitem höher als in den anderen Teilen Siebenbürgens, bei Weizen und Mais war er beispielsweise im Jahre 1851 im Hermannstädter Kreis gegenüber dem benachbarten Fogarascher Kreis drei- bis viermal so hoch.

Der Weinbau wurde auf 49.945 Joch in den bekannten Gebieten betrieben.

Die durch die Revolution von 1848/49 erzwungenen Agrargesetze brachten für etwa 40.000 untertänige sächsische Bauern des Komitatsbodens die Befreiung von Frondiensten und anderen feudalen Verpflichtungen. Sie wurden nun Besitzer des zu ihrem bisherigen Fronhof gehörenden und mit Abgaben belasteten Boden, der sogenannten Ansässigkeit (Session). Die Grundherren behielten den Allodialbesitz, das waren außer Äckern vor allem ausgedehnte Wälder und Wiesen, verkauften ihn aber meistens an die Bauern.

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Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen

"Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen" von Dr. Michael Kroner.
Heft 5 aus der Schriftenreihe Geschichte der Siebenbürger Sachsen und ihrer wirtschaftlich-kulturellen Leistungen.

Herausgeben vom Bundesreferat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und von der Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V.

Bezugsquelle: Dr. Michael Kroner, Tel. +49 (0)911 69 19 09



Stand 18.01.2000      top