Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen


3.2 Modernisierung der Landwirtschaft

Autor: Dr. Michael Kroner
Quelle: "Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen".

3.2 Modernisierung der Landwirtschaft

Die wichtigsten Fortschritte, die die Landwirtschaft in dem hier zu untersuchenden Zeitraum von fast 90 Jahren erzielt hat, gehen hauptsächlich auf den fachlichen Einsatz des Siebenbürgisch-Sächsischen Landwirtschaftsvereins und die finanzielle Hilfe der Raiffeisen­genossen­schaften und sächsischer Banken zurück.. Der Landwirtschaftsverein setzte sich folgende Ziele: Abschaffung der Dreifelderwirtschaft und Einführung intensiver Fruchtfolgen bei Auflassen der Schwarzbrache, Durchführung der Kommassation (Flurbereinigung), Verbreitung besserer landwirtschaftlicher Geräte und Machinen, Einführung besserer Viehrassen und neuer Kulturpflanzen sowie Veredlung der Weizensorten, Gründung von landwirtschaftlichen Fachschulen und Vermittlung landwirt­schaftlicher Kenntnisse durch die Volksschulen, Publikationen und andere Formen, Gründung von Leih- und Hilfskassen auf dem Lande, um den verbreiteten Wucher zu unterbinden und um den Landwirten Betriebskapital zur Verfügung zu stellen, Verbesserung der Verkehrswege, um den Absatz der landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu erleichtern. Der Landwirtschaftsverein gehörte zu den wichtigsten sächsichen Verbänden und hatte in fast allen Gemeinden Ortsvereine; im Jahre 1940 waren es 237. Dann trennten sich vom Zentralverband die Gemeinden Nordsiebenbürgens, ohne jedoch ihre Tätigkeit einzustellen. In Südsiebenbürgen erfolgte die Entmachtung des Landwirtschaftsvereins und die Einodnung der Landwirte in die nationalsozialistisch ausgerichtete "Landbauernschaft". Von den genannten Vorhaben des Landwirtschaftsvereins konnten als erste die Forderung, landwirtschaftliche Fachschulen zu errichten, verwirklicht werden. Mit Zuschüssen der Nationsuniversität nahmen drei Ackerbauschulen den Lehrbetrieb auf: 1870 in Bistritz, 1871 in Marienburg und Mediasch, die beiden ersteren mit zweijährigem, die dritte mit dreijährigem Schulbesuch. Gekoppelt mit den Anstalten war jeweils ein landwirschaftlicher Musterbetrieb, der sowohl der praktischen Ausbildung der Schüler als auch als Experimentierfeld und Vorbild diente. Die Schulen haben bis 1944/45 bestanden. Zwischen 1930 und 1940 gab es in Hermannstadt eine zweisemestrige Winterschule für Bauern und von 1911 bis 1944 in Mediasch eine einjährige Haushaltungs­schule für Mädchen. Die drei Ackerbauschulen haben insgesamt 2921 Schüler und die Haushaltungsschulen 680 Schülerinnen ausgebildet. In den ersten Jahrzehnten fanden die Anstalten nur zögerlichen Zuspruch, da man in breiten Kreisen der Landbevölkerung immer noch meinte, daß der Bauer kein höheres Wissen benötige, es reiche aus, was er von den Altvordern mitbekomme. Nichtsdestotrotz sind von den Absolventen dieser Schulen und von deren mustergültig geführten Beispielbetrieben die für den Fortschritt erforderlichen Anregungen ausgegangen. Hinzu kamen die vom Landwirtschafts­verein organisierten Maßnahmen zur Erwachsenenfortbildung durch Ausstellungen, Fachkurse, Vorträge von Wanderlehrern, Haushalts-, Handarbeitskurse u.a. Eine große Verbreitung fanden die "Landwirtschaftlichen Blätter", die ab 1873 erschienen (von 1940 bis 1944 vereinigt mit dem "Banater Landwirt" als "Südostdeutsche Landpost" ) sowie der landwirtschaftliche Kalender "Der Pflug" (1928 - 1944). Die intensive Aufklärungsarbeit und Werbung für die Kommassation begann, nachdem das Ackerbauministerium 1871 die Genehmigung dazu gegeben hatte. Es ging jedoch langsam voran. Im Jahre 1886 war die Kommassation bloß in sechs Gemeinden durchgeführt, in weiteren 19 war sie im Gange und in anderen 12 beabsichtigt. Um die Jahrhundertwende ging es dann zügiger voran - 1904 hatten 69 und bis Ende des Weltkrieges von etwa 230 sächsischen Gemeinden 181 die Kommassation abgeschlossen. Wie Ernst Wagner damit im Zusammenhang unterstreicht, kann diese Leistung erst gewürdigt werden, wenn man sich vor Augen hält, daß auch im Jahre 1955 fast die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Flächen in der Bundesrepublik Deutschland noch als flurbereinigungsbedürftig galt. In der Zwischenkriegeszeit wurden noch zwei sächsische Gemeinden flurbereinigt, in anderen fünf die Kommassation bloß teilweise verwirklicht. Die vollständige Kommassation wurde im Burzenland und größtenteils in den Bezirken Schenk und Mediasch erreicht, während im Repser und Zwischenkokelgebiet bloß etwa die Hälfte der Gemeinden flurbereinigt war. In Gemeinschaftseigtentum verblieben weiterhin die Weiden und ein Teil des Waldes. Es handelte sich dabei um Gemeinschaftsbesitz der sächsischen Dorfbewohner oder von Hut- und Waldgenossenschaften, um Besitz der evangelischen Kirche und der politischen Gemeinde. Durch die rumänische Agrarreform von 1921 wurde ein Großteil des sächsichen Gemeinschafts- und Kirchenbesitzes sowie die sogenannten Siebenrichterwaldungen zugunsten der Rumänen enteignet, wodurch den Sachsen eine wichtige Einnahmequelle für die Finanzierung ihrer Kirchen, Schulen und anderer Kultureinrichtungen entzogen wurde. Als Folge der Flurbereinigung wurde die Schwarzbrache aufgehoben und eine neue Fruchtfolge eingeführt, die dem Boden die erforderliche Abwechslung und Regeneration gab. Die gut aufeinander abgestimmte Fruchtfolge ermöglichte es, den gesamten Boden zu kultivieren, während gleichzeitig die Ernteerträge wuchsen. Ab den 20er Jahren wurde vermehrt Futtermais angebaut und gehäckselt in betonierten Futtergruben als Grünmais eingesäuert. Auch in jenen Gemeinden, in denen die Kommassation nicht durchgeführt worden war, wurde der Flurzwang meistens aufgegeben und die Brache zum guten Teil bebaut. Nicht zufällig erreichten diejenigen Gebiete den höchsten landwirtschaftlichen Entwicklungs- und Wohlstand, in denen die Flurbereinigung vollzogen worden war. An der Spitze stand das Burzenland, wo durch den Zuckerrübenanbau für die Brenndorfer Zuckerfabrik (gegründet 1889) eine einträgliche Einnahmequelle entstand. Sie wirkte sich auch auf die Viehhaltung günstig aus, da mit den Rückständen der Rübenköpfe und -schnitzel sowie dem Melasseabfall der Fabrik sich eine gewinnbrinngende Ochsenmast betreiben ließ. Nach dem Ersten Weltkrieg förderte der rumänische Staat den Zuckerrübenanbau, so daß auch andere sächsische Gebiete dazu übergingen, insbesondere die Zwischenkokelgemeinden, die die Zuckerfabrk in Neumarkt belieferten. Im Großkokler Komitat, vor allem im Gebiet von Schäßburg und Keisd, erwies sich seit Ende des 19. Jahrhunderts der Hopfenanbau als zusätzliche Einnahmequelle. In Zeiden wurden zwischen 1885 und 1900 drei Handelsblumengärtnereien eröffnet. Gemeinden in Stadtnähe gewährten dem Gemüsebau immer mehr Raum, für einige Landwirte um Hermanntadt und Kronstadt wurde die Gärtnerei zum Haupterwerb. Im Burzenland wurde in der Zwischenkriegszeit die Anbaupalette durch Zichorie, Pfefferminze und andere Arzneipflanzen bereichert. Auch die Sojabohne wurde wegen ihres Ölgehalts in den 30er Jahren empfohlen. Der Kartoffelanbau fand starke Verbreitung, da nun auch Spirituosenfabriken große Abnehmer wurden. Die übrigen lanwirtschaftlichen Kulturen, mit Ausnahme des Roggens, der weniger gefragt war, wurden größtenteils beibehalten, der Weizen- und Körnermaisertrag durch verbessertes Saatgut aus Deutschland erhöht. Zur Förderung des Obst- und Weinbaus richtete die Obstverwaltung des Landwirtschafts­vereins eine eigene Sektion ein. Es wurde viel getan, um durch Pfropfen der Obstbaum­setzlinge edlere Sorten zu erzielen. Dafür wurden auch Obstbaumschulen eingerichtet. Das bedeutendste Obstbaugebiet war Nordsiebenbürgen. Bistritz entwickelte sich bereits um die Jahrhundertwende zum Zentrum des siebenbürgischen Obstexports, vor allem von Äpfeln. Die Weinberge wurden Ende des vorigen Jahrhunderts durch die aus Amerika eingeschleppte Reblaus (Phylloxera) größtenteils vernichtet. Die Reblaus befiel die Wurzelstöcke der europäischen Rebsorten. Als Gegenmaßnahme erwies sich bloß das Aufpfropfen der hochwertigen europäischen Rebensorten auf resistente amerikanische Wurzelstöcke. Es war ein harter Kampf. Bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges konnte diese Umstellug größtenteils vollzogen werden und der Weinertrag sowie dessen Qualität sogar noch gesteigert werden. Während im Jahre 1930 in den von Deutschen bewohnten Gebieten der Anteil der reblausresistenten Weingärten bei 99,1 Prozent lag, erreichte er in Gesamtrumänien bloß 45 Prozent. Die Effektivität der Landwirtschaft wurde durch die Einführung neuer Geräte und Maschinen gesteigert. Am wichtigsten war die Übernahme neuer Eisenpflüge. Am stärksten setzte sich der Sacksche Wendepflug, gefolgt vom Eberhard-Wendepflug durch. Der erste Sackpflug war 1887 von der Marienburger Ackerbauschule ein- und vorgeführt worden. Bereits um die Jahrhundertwende besaßen 90 Prozent der Burzenländer Landwirte den neuen Sackpflug. Seit den 80er Jahren wurden eine Reihe von Maschinen eingeführt, wobei die Ackerbauschulen eine Vorreiterrolle spielten. Im Jahre 1884 gab es bereits 34 Dampfdreschmaschinen, 502 Göppeldreschmaschinen, 546 Handdreschmaschinen sowie 1205 Saatgutreiniger. Ihre Einfuhr wuchs rasch an, wobei sich die Raiffeisengenossenschaften als Vermittler einschalteten und auch Vorschüsse gewährten. Als neue Geräte und Maschinen kamen hinzu Futterhäcksler, Rübenschneider, Maisrebler, Hack- und Häufelpflüge, Sämaschinen, Walzen, Eisen- und Ketteneggen. Anfang der 20er Jahre gelangten im Burzenland die ersten Traktoren zum Einsatz, die als Zugmaschinen mit Spezialpflügen die Ackerkrume tiefer umwenden konnten. Sie wurden auch zum Antrieb der Dreschmaschinen verwendet, bei denen seit der Jahrhundertwende die Dampflokomotiven durch Verbrennungsmotoren schrittweise ersetzt wurden. Auf dem Gebiete der Viehzucht bemühte sich der Landwirtschaftsverein vor allem um die Einführung von hochwertigen Rassen. Ab 1871 wurde die einheimische Graukuh allmählich durch das Pinzgauer und ab 1891 durch das Simmentaler Rind ersetzt, wodurch ein höherer Ertrag bei Milch, Fleisch und eine größere Zugkraft erzielt wurde. Der von Fachleuten weniger geschätzte Büffel war in vielen sächsichen Gemenden weiterhin wegen seiner fettreichen Milch, seiner Anspruchslosigkeit und Zugfreudigkeit beliebt. Die Pferdezucht, Schaf- und Ziegen­haltung spielte bei den Sachsen weiterhin eine geringere Rolle. Die Pferde waren in jenen Betrieben in Stadt und Land gefragt, in denen sie als Zugtiere für Transporte ausgelastet waren. Bedeutend war hingegen die Schweinemast. Das einheimische Mongolitzschwein erhielt seit Ende des vorigen Jahrhunderts Zuwachs durch den Import des sogenannten "Baaßner Schweines", das Yorkshire- und Deutsche Edelschwein. Der Bauer wollte durch die Mast vor allem Schweine züchten, die dicken Speck lieferten. In der Hühnrzucht wurden desgleichen einige hochwertigere Rassen eingeführt. Da die Stallfütterung des Viehs beträchtlich zugenommen hatte, wurde mehr Dünger erzielt, mit dem die Fruchtbarkeit des Bodens gesteigert werden konnte. Kunstdünger kam in der Zwischenkriegszeit zwar auch zum Einsatz, allerdings in geringen Mengen, da er für den Normalbauern zu teuer war. Es gelang somit, beginnend seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts, die sächsische Landwirtschaft zu modernisieren und sie gleichzeitg in stärkerem Maße auf die Geld- und Warenwirtschaft umzustellen. Viele Betriebe gingen dazu über, für den Markt zu erzeugen, wobei mit Industriepflanzen, Ochsen- und Schweinemast höhere Einnahmen erzielt werden konnten. In den meisten Fällen blieb aber der Bauer Selbstversorger mit landwirtschaftlichen Produkten, bloß den Überschuß bot er zum Verkauf an. Die Märkte und Jahrmärkte hatten zwar an Bedeutung verloren, waren aber noch immer gut besucht. Dank der genannten vielfältigen Umgestaltungen und Neuerungen erreichte die sächsische Land­wirtschaft im Burzenland sowie in den stadtnahen Gemeinden und in Einzelbetrieben westeuropäischen Standart. Sie hat jedenfalls auf Landesebene ihre Spitzen­stellung stets behalten, dies sogar im vorigen Jahrhundert, als sie dem westlichen Entwicklungsstand nachhinkte. Im Jahre 1874 lagen die Erträge der Ackerflächen der sächsischen Gemeinden auf dem Königsboden gegenüber den ebendort gelegenen rumänischen Dörfern um ein Viertel höher. Im Kronstädter Komitat lagen 1912 die Mehrerträge im Vergleich zum Landesdruchschnitt bei 66 Prozent in der Weizenproduktion, 67 bei Roggen, 75 bei Gerste, 86 bei Hafer, 36 bei Mais und 156 Prozent bei Kartoffeln. Laut Erhebungen aus dem Jahre 1937 erzielten die Landwirte in den Kreisen mit sächsischer Bevölkerung bei allen Kulturpflanzen Erträge, die über dem Landesdurchschnitt lagen. Bei Winterweizen 34 Prozent, bei Sommer­gerste, Sommerweizen, Mais mehr als doppoelt soviel, bei Kartoffeln 72 Prozent, bei Futterrüben 86 Prozent und selbst bei Wiesenheu 86 Prozent. Diese Tatsachen wurden von rumänischer Seite anerkannt, bevor sie eine nationalistische Geschichtsschau zu verschweigen begann. Der rumänische Journalist Septimiu Albani schrieb im Jahre 1907 in der Arader "Tribuna poporului": "Die Sachsen haben uns als ein Vorbild in dem Betreiben der Wirtschaft, in der Bearbeitung des Bodens, in der Gewerbetätigkeit gedient und dienen uns auch heute noch als solches. Immer ist der Einfluß der Sachsen auf die Rumänen wohltätig gewesen, und es ist für uns eine Tatsache von großer Wichtigkeit, wir sollten nie aus den Augen verlieren und bestreiten, daß von allen Rumänen in der Welt jene in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht am bestgestellten sind, die im Südosten Siebenbürgens zwischen den Sachsen oder in ihrer Nachbarschaft leben." Vollen Respekt zollte der renommierte Historiker Nicolae Iorga den Siebenbürger Sachsen. In seinem Reisetagebuch über Siebenbürgen stellte er 1906 fest: "Überall sieht man das Gütezeichen der Sachsen auf kleinen, gutgepflegten, gedüngten und mit höchster Wirtschaftlichkeit bestellten Feldern, auf Äckern mit Mais, Getreide, Gemüse, auf Flecken mit Weinbergen und in schönen Obstgärten. Ein Gebiet mit beharrlichen, fleißigen und wirtschaftlichen Menschen, die einst in die rumänische ´Wüste´ hervorragende Kenntnisse und Unternehmergeist aus fernen Ländern einer geheiligten, beharrlichen und menschlichen Arbeit gebracht haben." Derselbe Iorga erklärte 1936 im rumänischen Parlament: "Ich habe auch bei anderer Gelegenheit gesagt, daß es ein Segen ist, inmitten unserer so zahlreichen und fleißigen (rumänischen) Bauernbevölkerung (in Siebenbürgen) dreihunderttausend (Sachsen) zu haben, Bürger oder Bauern, die zu den arbeitsamsten und rechtschaffensten gehören, die die besten Landwirte sind und deren Achtung vor öffentlicher Ordnung und staatlicher Autorität etwas Selbstveständliches ist."

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Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen

"Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen" von Dr. Michael Kroner.
Heft 5 aus der Schriftenreihe Geschichte der Siebenbürger Sachsen und ihrer wirtschaftlich-kulturellen Leistungen.

Herausgeben vom Bundesreferat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und von der Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V.

Bezugsquelle: Dr. Michael Kroner, Tel. +49 (0)911 69 19 09



Stand 18.01.2000      top