Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen


3.4 Kredit- und Genossenschaftswesen

Autor: Dr. Michael Kroner
Quelle: "Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen".

3.4 Kredit- und Genossenschaftswesen

Nach den ersten Sparkassengründungen von 1835 und 1841 in Kronstadt und Hermannstadt, die zugleich die wichtigsten Banken der Siebenbürger Sachsen blieben, entstanden in den sechziger und 70er Jahren in allen sächsischen Städten, Marktflecken und größeren Gemeinden Spar- und Vorschußvereine nach dem System von Schulze-Delitzsch auf genossenschaftlicher Grundlage mit beitragzahlenden Mitgliedern, die auf diese Art das Recht erwarben, Kredite zu erwerben. Die meisten dieser Sparkassen verwandelten sich besonders nach dem Ersten Weltkrieg in Aktiengesellschaften. Diese Spar- und Vorschußvereine bemühten sich vor allem, dem Gewerbe und der Industrie Kredite zu billigem Zinsfuß zur Verfügung zu stellen. Eine Bank anderer Art war die 1872 vom Landwirtschaftsverein gegründete "Bodenkredit­anstalt" in Hermannstadt. Sie besorgte ihr Kapital durch Ausgabe von Pfandbriefen und gewährte langfristige Hypothekenkredite im landwirtschaftlichen Bereich. Gemeinsam mit der "Hermannstädter allgemeinen Sparkassa" gründete sie auf Initiative von deren Direktor Carl 1890 in Hermannstadt die "Siebenbürger Vereinsbank", die sich vornehmlich mit dem Ankauf von adligen Gütern und deren Verkauf an sächsische Bauern, der Sicherung von sächsischem Besitz gegen Veräußerung an Fremde sowie mit Lagerhaltung und Handel befaßte. Bis 1922 wurden 4838 Joch Kulturboden, Wald und Hutweiden, 337 bebaute und 52 unbebaute Hofstellen sowie eine Ziegelei vor dem Zwangsverkauf geschützt, sowie 9421 Joch Grundbesitz, 99 bebaute und unbebaute Hofstellen sowie zwei Mühlen aus "fremden Händen" erworben und an sächsische Bauern verkauft. Der größte Ankauf erfolgte in Weißkirch bei Schäßburg, wo 1899 durch "Innerkolonisation" eine neue sächsische Siedlung entstand. Mit finanzieller Unterstützung und unter der Fachaufsicht der Hermannstädter Sparkassa gründete Carl ab 1885 auf dem Lande Raiffeisenvereine, die sich unter seiner Führung zu einem Verband zusammenschlossen. Es handelte sich dabei um Spar- und Darlehenskassen, die den Bauern die Möglichkeit gaben, ihre kleinen Ersparnisse anzulegen und den Kreditbedürftigen unter ihnen Darlehen zu günstigen Bedingungen zu gewähren. Auf diese Art konnte der Wucher eingedämmt, und durch Gewährung von Krediten konnten Maschinen zur Modernisierung der Landwirtschaft gekauft werden. Reichten die Eigenmittel der Raiffeisenkasse nicht aus, gewährte die Hermannstädter Sparkassa die erforderlichen Darlehen. Einige Raiffeisenvereine eröffneten ab 1905 Konsumgenossenschaften, die unter Ausschaltung von Zwischen­händlern in eigenen Läden die Bauern mit Waren versorgten und zum Teil auch den Absatz landwirtschaftlicher Produkte übernahmen. Die Raiffeisenvereine fanden großen Anklang, vor dem Ersten Weltkrieg gab es sie in 170 und im Jahre 1940 in 187 Gemeinden. Auf dem Lande war jede zweite Familie Mitglied der Raiffeisenkassen. Als Folge des Wiener Schiedsspruches (1940) fielen 32 Raiffeisen­vereine mit 11 Konsumvereinen in Nordsiebenbürgen an Ungarn. Bis vor dem Ersten Weltkrieg (1912) hatte sich ein gut funktionierendes sächsisches Kreditwesen herausgebildet, das ohne die Raiffeisenvereine 42 Sparkassen und Banken zählte. Es erlitt nach 1918 durch nicht zurückgezahlte ungarische Kriegsanleihen, den ungünstigen Umtausch der österreichischen Kronen in Lei, die Enteignungen durch die Agrarreform von 1921 sowie durch die Weltwirtschaftskrise von 1929 - 1933 und die Umschuldung belasteter Bauernhöfe starke Verluste, so daß das Vorkriegsniveau nicht mehr erreicht werden konnte. Einige Kreditinstitute gingen ein, während andere fusionierten. 1942 erfolgte die Vereinigung der Hermannstädter mit der Kronstädter Sparkasse. Im Jahre 1944 gab es 11 sächsische Banken mit 30 Niederlassungen. Sie wurden 1948 verstaaatlicht. Ein Kreditanstalt besonderer Art war die "Selbsthilfe"-Bausparkasse in Hermannstadt, die als Folge der späteren Tätigkeit ihres Gründers Fritz Fabritius, der Anfang der 30er Jahre die nationalsozialistisch ausgerichtete "Erneuerungsbewegung" ins Leben rief, in Verruf geriet. Nichtsdestotrotz hat die "Selbsthilfe" durch Bauspardarlehen in den 20er Jahren und am Anfang der 30er Jahre vielen sächsischen Bauwilligen geholfen, sich in den städtischen Vororten Eigenheime zu bauen. Sie hatte bis 1929 etwa 950 Bauspardarlehen ausgegeben. Das sächsische Kreditwesen zeichnete sich besonders dadurch aus, daß es sich gemeinschaftlichen Interessen verpflichtet fühlte und dieses Vorhaben meitens auch in den Satzungen verankerte. Danach wurde ein Teil des Gewinnes sächsischen gemeinnützigen Einrichtungen zugeteilt. Daraus ergab sich einerseits die besondere Sorgfalt in der Verwaltung der Geldeinlagen der Kunden bei gleichzeitigem Verzicht auf privatwirtschaftliche Gewinn­maximierung. Vor allem vor dem Ersten Weltkrieg wurden beachtliche Beträge sozialen und kulturellen Einrichtungen zur Verfügung gestellt, wobei die Hermannstädter allgemeine Sparkassa die unbestrittene Spitzenstellung innehatte. Zu den Unterstützungsempfängern gehörten Schulen und Kindergärten, Kranken- und Waisenhäuser, das evangelische Diasporaheim, die evangelische Kirche, das Brukenthalmuseum, der Landwirtschafts- und andere Vereine. Die Sparkassen waren beteiligt an der Finanzierung von Eisenbahnstrecken (so der Agnethler Schmalspurbahn und der Eisenbahnlinie zur besseren Anbindung Hermannstadts an den Schienenverkehr), beim Bau von Elektrizitätswerken, Wasserleitungen und Kanalanlagen, der elektrischen Straßenbahn in Hermannstadt, Volksbädern, Hotels u.a. Vor allem Hermannstadt verdankt den Zuwendungen der Sparkassa seine um die Jahrhundertwende erfolgte Ausstattung mit modernen kommunalen Einrichtungen. Nach den Verlusten des Weltkrieges und der Zwischenkriegszeit verminderten sich die Mittel der sächsischen Banken für Zwecke des Gemeinwohls. Die geldinstitute verwandelten sich zudem vermehrt in Handelsbanken, die bemüht waren, möglichst hohe Dividenden zu erzielen. Trotzdem wurden auch weiterhin Zuschüsse an völkische Einrichtungen überwiesen. Allein die Hermannstädter Sparkassa dürfte seit ihrem Bestehen bis 1940 umgerechnet einen Betrag von etwa 200 Millionen Lei an Zuwendungen für gemeinnützige Zwecke, Wohltätigkeit, Vereine und Gewerbe ausgeschüttet haben. Die Sachsen präsentierten sich demnach am Ende des Zweiten Weltkrieges als eine Volksgruppe mit einer ihre ethnische Existenz sichernden, soliden ökonomischen Basis. Sie haben dadurch nicht nur ihren Wohlstand gesichert und vermehrt, sondern auch zum Fortschritt und Gedeihen der Volkswirtschaft ihres Vaterlandes beigetragen.

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Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen

"Die wirtschaftlichen Leistungen der Siebenbürger Sachsen" von Dr. Michael Kroner.
Heft 5 aus der Schriftenreihe Geschichte der Siebenbürger Sachsen und ihrer wirtschaftlich-kulturellen Leistungen.

Herausgeben vom Bundesreferat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und von der Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V.

Bezugsquelle: Dr. Michael Kroner, Tel. +49 (0)911 69 19 09



Stand 18.01.2000      top