22. September 2001

Eintragung der Kreisgruppen als "Zweigvereine" der Landsmannschaft möglich

Im saarländischen Otzenhausen fand am 15. und 16. September eine anregende Tagung der Kreisgruppenvorsitzenden der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen statt. Erörtert wurden die Schwerpunkte kulturelle Breitanarbeit und Rechtsfragen. Laut Rechtsanwalt Rolf-Dieter Happe sei die Gründung so genannter "Zweigvereine" der Landsmannschaft nicht nur möglich, sondern auch, etwa aus Haftungsgründen, durchaus anzuraten.
Als anregend und nutzbringend hat der landsmannschaftliche Bundesvorsitzende Volker E. Dürr in seinem Schlusswort den Austausch von Ansichten und Erfahrungen bezeichnet, der am 15. und 16. September auf der Tagung der Landes- und Kreisgruppenvorsitzenden im saarländischen Otzenhausen zustande gekommen sei. Ins dortige Europäische Bildungszentrum hatte der Bundesvorstand die Amtsträger der Untergliederungen eingeladen, um innerhalb der Landsmannschaft, wie vom Verbandstag 1999 beauftragt, den vertikalen und horizontalen Informationsaustausch zu ermöglichen und im Gespräch zu Lösungsansätzen in aktuellen Fragen der Verbandsarbeit zu gelangen. Äußerungen von Tagungsteilnehmern bestätigten im Anschluss an die Veranstaltung deren Nützlichkeit, weil es vor allem auch zu Vereinbarungen über Maßnahmen und Aktionen gekommen sei, die sich auf die Tätigkeit im Verband sicher positiv auswirken werden. Zudem waren auf der Tagung Spitzenvertreter des Hilfskomitees, der SJD und des HOG-Verbands anwesend, was die Breitenwirkung des Meinungsaustausches zusätzlich erhöht.
Nicht unberührt geblieben war die Tagung von den todbringenden Flugzeugattentaten wenige Tage zuvor in den USA. Volker E. Dürr teilte zu Beginn der Veranstaltung mit, dass er sofort nach den Anschlägen an die amerikanischen Föderationsfreunde eine Botschaft gerichtet habe, in welcher er die Landsleute des gemeinschaftlichen Mitgefühls und der Solidarität mit den Betroffenen versichert habe. Ebenfalls auf der Tagung hielt die baden-württembergische Landeskulturreferentin Christa Andree eine bewegende Andacht, wo der zahllosen Opfer in New York und Washington gedacht und der Fürbitte aller Teilnehmer um Frieden und menschliches Miteinander Ausdruck verliehen wurde.
Der Solidaritätsgedanke dominierte zudem den die Veranstaltung einleitenden Lagebericht Dürrs, der auf die Gespräche und gemeinsamen Vorhaben verwies, die Gegenstand auch beim kürzlich stattgefundenen Heimattag der österreichischen Landsleute in Wels und beim dort abgelaufenen Föderationsgespräch waren. Zudem informierte der Bundesvorsitzende über die Eindrücke und Ergebnisse der Besuchsreisen, die er in diesem Sommer mit Spitzenvertretern des Stadtrats von Dinkelsbühl und, kurz danach, mit solchen des nordrhein-westfälischen Sozialministeriums nach Siebenbürgen unternommen hatte. Dürr umriss sodann die gegenwärtige Lage in der Aussiedleraufnahme und Aussiedlerintegration, bezog sich auf die Situation in der kulturellen Breitenarbeit, wo nach dem Wegfall praktisch jeglicher Förderung durch die Bundesregierung schmerzhafte Einschränkungen wettgemacht werden müssen, und bot Einblick in die Aktionen zur Bestandssicherung des Gundelsheimer Kulturzentrums. Der Bundesvorsitzende regte fürs kommende Wahljahr, in dem die Politik erfahrungsgemäß hellhöriger als sonst auf die Stimmungslage in der Wählerschaft zu reagieren pflegt, eine "Kulturinitiative" der Landsmannschaft an, in deren Rahmen u.a. auch ein Grundsatzpapier erarbeitet werden sollte, das den Untergliederungen im Verband als Argumentationshilfe in den anstehenden öffentlichen Debatten dienen kann.
Mit Bezug zur Lage im Herkunftsgebiet referierte Dürr in der Hauptsache über die dortigen Schwierigkeiten und Probleme bei der Rückgabe von gemeinschaftlichem und Privateigentum sowie im deutschen Unterrichtswesen und verwies auf die nach wie vor bestehende Hilfsbedürftigkeit der dortigen Landsleute, sowohl in humanitär praktischer als auch in Hinsicht der politischen Einflussnahme. Berichtet werden konnte, dass die Demarchen gegen die Benachteiligung der Rumäniendeutschen durch einen Dringlichkeitserlass Bukarests in Sachen Bodenrückgabe erste Erfolge zeitigen: Die Regierung Nastase wolle nach Aussage des Premiers ihre unbedacht diskriminatorische Maßnahme über eine Parlamentsdebatte rückgängig machen.

Schwerpunkt Kulturarbeit

Erstes Schwerpunktthema der Tagung in Otzenhausen war die Kulturarbeit. Dazu legte zunächst Peter Pastior, der Vorsitzende des Sozialwerks, dar, in welcher Weise und Höhe kulturelle Veranstaltungen des Bundesverbands aus dem vom letzten Verbandstag beschlossenen Kulturfonds des Münchner Sozialwerks finanziell getragen werden, um über dessen Zuschüsse den Rückgang oder das Ausbleiben der Förderungen durch die öffentliche Hand aufzufangen. Denn Kultur - auch die der Siebenbürger Sachsen in Deutschland - muss als Manifestation kollektiven Selbstverständnisses und damit als existenzielle Lebensäußerung von Menschengruppen unter allen Umständen erhalten bleiben, wenn ihre Träger nicht willentlich von der gesellschaftlichen Bildfläche weggelöscht werden sollen.
Auf dieser Erkenntnis basierten auch die grundsätzlichen Ausführungen des Bundeskulturreferenten Hans-Werner Schuster zur kultrellen Breitenarbeit. Deren "Iststand" rückte er ins Blickfeld, nannte wichtige Institutionen, Initiativen und Aktionen, über die siebenbürgisch-sächsische Kultur in Deutschland erhalten wird, und zwar nicht in "Trauerarbeit", sondern in Aktivitäten, mit denen unsere Menschen Kultur "leben, pflegen und weiterentwickeln". Durch die eingetretenen Kürzungen der Fördermittel sei die "langfristige Planung" in diesem Bereich "nicht mehr möglich". Dem wurde in gewissem Maße durch die Gründung des Kulturfonds im Sozialwerk entgegengewirkt. Zudem konnte Schuster auf weitere "Ansätze zur Gemeinschaftsförderung" hinweisen und von deren Wirksamkeit her folgern, "dass siebenbürgisch-sächsische Kultur nicht individuell, sondern nur gemeinschaftlich bewahrt und weiterentwickelt werden kann". Verbandsbezogen sei damit im Zusammenhang freilich festzuhalten, dass sich das "nicht von oben machen, geschweige denn dirigieren oder kontrollieren" lasse, dass also nicht eine "Du-sollst-Kultur", sondern eine "Ich-will-Kultur" zu fördern sei. Es handle sich hier um einen "offenen, produktiven Prozess", bei dem es die "primäre Aufgabe" der Landsmannschaft sei, ihn über "Koordination, Information und Kommunikation" immer wieder neu "anzuregen und anzustoßen".
Schusters theoretischer Ansatz, der ob seiner scheinbaren Praxisferne zunächst leichtes Befremden ausgelöst hatte, erwies sich in der nachfolgenden Diskussion dennoch als produktiv: er löste, auch angestoßen durch die Tagungsleitung, eine lange Kette von Anfragen aus, die in einen regen Erfahrungsaustausch mündeten, was letztendlich Ziel und Zweck derartiger Zusammenkünfte ist.
Nicht weniger angeregt und anregend waren die Wortmeldungen nach den beiden nächsten Referaten, die in erweitertem Sinn ebenfalls auf die "Kulturarbeit" der Landsmannschaft Bezug nahmen: Hannes Schuster, der Chefredakteur dieser Zeitung, sprach über die Redaktionstätigkeit und nahm zu Kritikpunkten in Äußerungen der Leserschaft Stellung, der für das Internet zuständige Bundesreferent Robert Sonnleitner stellte den Onlineauftritt des Verbands und der Siebenbürgischen Zeitung vor, um damit die anwesenden Amtsträger dazu anzuregen, mit ihren Untergliederungen ebenfalls den Schritt in den elektronischen Datenverkehr zu wagen, da dieser nicht nur gewinnbringend für die eigene Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch Anreiz für junge Menschen sei, sich in landsmannschaftliche Aktivitäten einbinden zu lassen.

Rechtsfragen erörtert

Den zweiten Themenschwerpunkt der Debatten im Europäischen Bildungszentrum von Otzenhausen bildeten landsmannschaftlich relevante Rechtsfragen. Nachdem der zuständige Bundesrechtsreferent Johann Schmidt über die andauernden Schwierigkeiten bei der Spätaussiedleraufnahme informiert hatte, berichtete sein Fachkollege Ernst Bruckner über die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit der landsmannschaftlichen Fremdrenteninitiative. Unter anderem bezog sich Schmidt auch auf den Leserbrief, den der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung, Jochen Welt, zu zwei Artikeln der Siebenbürgische Zeitung ins Blatt hatte einrücken lassen. Welts Äußerungen träfen sehr wohl auf die Situation etwa der Spätaussiedler aus den GUS-Staaten zu, man habe aber eine Stellungnahme des Bundesbeauftragten zu den Hürden vermisst, wie sie, ungeachtet aller gegenteiligen Versicherungen der deutschen Bundespolitik, für Aussiedlungswillige etwa aus Rumänien im Zusammenhang mit der Glaubhaftmachung von erlittenen Benachteiligungen aufgerichtet worden sind.
Bruckner konnte demgegenüber in der Fremdrentenangelegenheit die Erfolge beim Bundesverwaltungsgericht in Erinnerung rufen und auf die Gewinnung eines zusätzlichen namhaften Gutachters für das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren hinweisen. Allerdings sei beim jetzigen Stand der Dinge noch kein zeitlicher Rahmen für die in Karlsruhe zu erwartenden Entscheidungen zu nennen.
Zur Problematik der Häuserrückgabe in Rumänien lieferte der zuständige Bundesrechtsreferent Detlef G. Barthmes detaillierte Informationen, während sich der stellvertretende Bundesvorsitzende Bernd B. Fabritius zur Frage möglicher Wiedergutmachungen für das während des Kriegs und des Nachkriegs an Deutschen der ehemaligen Ostblockstaaten begangene Unrecht äußerte, wie etwa die Russlanddeportation eines war. Beide Rechtsanwälte warnten vor überhöhten oder gar falschen Erwartungen. Vor allem auch in Sachen Wiedergutmachung sind solche geweckt worden durch eine vom Bund der Vertriebenen und einigen Landsmannschaften in die Wege geleitete Umfrageaktion zu einschlägiger Bestandsaufnahme. Demgegenüber hat die Bundesregierung bei der Beantwortung einer Kleinen Anfrage im Deutschen Bundestag bereits darauf verwiesen, dass sie die genannten Zwangsmaßnahmen als Folge der vom deutschen Nazistaats begangenen Verbrechen ansehe und demgemäß nicht beabsichtige, in dieser Sache bei den Nachfolgeregierungen im ehemaligen Ostblock vorstellig zu werden. Damit im Zusammenhang kündigte Dürr während der anschließenden Diskussion an, dass der Bundesvorstand in dieser Sache einen speziellen Ausschuss eingesetzt habe, über dessen Einschätzungen und Handlungsvorschläge in der Siebenbürgischen Zeitung informiert werden soll.
Von besonderer Bedeutung für das landsmannschaftliche Verbandsleben war das Referat des Ingolstädter Rechtsanwalts Rolf-Dieter Happe zur Frage der Gründung von eigenen eingetragenen Vereinen durch die Kreisgruppen. Bekanntlich war auf dem Verbandstag 1999 ein Beschluss herbeigeführt worden, derartige Gründungen in der Satzung zuzulassen. Der Bundesvorstand war beauftragt worden, über seinen einschlägigen Ausschuss die entsprechenden Satzungänderungen dem zuständigen Gericht zuzuleiten. Bei deren Ausformulierung hatte sich jedoch Unsicherheit eingestellt, sogar Befürchtungen und Ängste waren aufgekommen, in der Satzung verbandsschädigende Bestimmungen festzuschreiben. Daher hatte die Bundesgeschäftsführung den erfahrenen Vereinsrechtler und enthusiastischen Siebenbürgen-Freund Happe um die Erstellung eines Gutachtens angegangen, das dieser denn auch (übrigens kostenlos) erstellte und nun den Tagungsteilnehmern vorlegte. Daraus ging eindeutig hervor, dass mit der Gründung so genannter "Zweigvereine" eine Lösung des Problems nicht nur möglich, sondern auch, etwa aus Haftungsgründen, durchaus anzuraten sei. In den kommenden Wochen wird der zuständige Ausschuss unter Mitwirkung des Rechtsanwalts die nötigen Satzungsänderungen formulieren und zudem für Kreisgruppen, die sich als "Zweigvereine" eintragen lassen wollen, eine Mustersatzung erstellen. Diese soll dann nach Übereinkunft mit allen Beteiligten zur Anwendung gelangen, womit sämtliche Unsicherheiten und Ängste endgültig ausgeräumt wären.
Gerade dies belegt, wie wichtig und nutzbringend diese Tagung in Otzenhausen war. Sie hat den Dialog auf und zwischen den unterschiedlichen Ebenen des Verbands möglich gemacht, Ansichten miteinander konfrontiert ohne Konfrontation zu provozieren, zu Einvernehmen geführt und den Teilnehmern den stärkenden Eindruck vermittelt, wie fruchtbar gemeinschaftliches Diskutieren und Vorgehen sein können.

Bundesvorstandssitzung

Am gleichen Ort hatte zuvor die Herbstsitzung des Bundesvorstands stattgefunden, auf der außer den auch während der Tagung diskutierten Themenkreisen weitere verbrandsspezifische Fragen mit konkretem Aktualitätsbezug erörtert wurden. Es wurde eine Bilanz des Heimattags 2001 gezogen und für das Pfingsttreffen des kommenden Jahrs erste Weichen gestellt. Mitausrichten will es ein übriges Mal die Siebenbürgisch-Sächische Jugend in Deutschland (SJD), die über kurz ihren Jungsachsentag abhält.
Ein Vorschlag, den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat als Stiftung des bürgerlichen Rechts neu zu strukturieren und die Gundelsheimer Kulturreinrichtungen unter dem Dach eines "Siebenbürgischen Kulturinstituts" ebenfalls als Stiftung zu vereinigen, fand im Bundesvorstand keine Zustimmung. Dagegen wurde angeregt, den Kulturrat in seiner jetzigen Form zu belassen, durch organisatorische Maßnahmen aber gleichzeitig dafür zu sorgen, dass seine Arbeit effektiver werde.
Diskutiert und angenommen wurde zudem der vorläufige Haushaltsbericht der Geschäftsführung über das Jahr 2001 sowie der sich daraus ergebende erste, ebenfalls vorläufige, Haushaltsentwurf fürs kommende Jahr.

Hannes Schuster

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.