28. Oktober 2001

UniKATH siebenbürgischer Kunst

Die Ausstellung "Kath: Aktskizzen und Zeichnungen" wird im Rahmen der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage 2001 München in Zusammenarbeit mit dem Südostdeutschen Kulturwerk und dem Verein Freunde Haidhausens e.V. bis zum 11. November im Üblacker-Häusl, Herbergenmuseum des Münchener Stadtmuseums gezeigt, Öffungszzeiten: Freitag und Sonntag, 10.00-12.00 Uhr, Mittwoch und Donnerstag, 17.00-19.00 Uhr.
Ergänzt wurden die Aktskizzen und Zeichnungen durch den letztes Jahr produzierten Videofilm von Günter Czernetzky "KATH. Taubenbriefe. Künstlerporträt Katharina Zipser" sowie die von Frank Stürmer erstellte, ganz frisch gebrannte CD-Rom "Kath. Zipser", einer Galerie mit 50 Gemälden der Künstlerin. Beide sind vom Südostdeutschen Kulturwerk herausgegeben und können dort bestellt werden. Die Eröffnungsrede von Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster, der am 9. Oktober zahlreiche Gäste begrüßen durfte, wird im Folgenden abgedruckt.

Ich freue mich, dass Sie, meine Damen und Herren, Freunde Siebenbürgens und der Kunst, so zahlreich den Weg ins Üblacker-Häusl gefunden haben, und ich denke, eine ähnliche Freude steht hinter unser aller Hiersein. Unser aller? Nicht ganz. Ich kann mir vorstellen, dass Katharina Zipser, deretwegen bzw. deren Kunst wegen wir hier sind - vielen Dank dafür liebe Kath -, nicht so freudig gestimmt ist. Denn in dem letztes Jahr von Günter Czernetzky produzierten Film "KATH. Taubenbriefe" äußert sie sich folgendermaßen: "Wenn ein Künstler eine Ausstellung macht, hat er meistens nachher einen Nervenzusammenbruch. Es ist so tieftraurig. Du gehst an die Öffentlichkeit und niemand pfeift nach dir. Du gehst auf den Strich. Du zeigst dich und niemand will dich. Oder er will dich für etwas, wofür du nicht bereit bist."
Ich habe Kath schon öfter "nachgepfiffen": beeindruckt-bänglich als ich diese energiesprühende Power-Frau kennen lernte, bewundernd als ich ihre Werke sah, auffordernd gemeinsam mit Ingo Glass, Kustos dieses Hauses, als wir sie einluden, diese Ausstellung zu machen, und wiederum zusammen pfiffen wir gewissermaßen auf dem letzten Loch im Prozess der allmählichen Konkretisierung der Ausstellung, als sie sich dezidiert, und mit klaren Vorstellungen dafür einsetzte, dass ihre Kunst den Betrachter unter optimalen Umständen erreicht, dass ihr "Brief" so "verpackt und abgeschickt" wird, dass er auch ankommt.
Was nun? Ist so eine Ausstellung tieftraurig oder ist es doch ein Grund zur Freude? Sowohl, als auch. Und das nicht erst als Folge der sich seit 1996 entwickelnden Beziehung zum "Lügenmuseum" in Gantikow bei Berlin, dessen Museumsgebäude sie mit Fresken gestaltet - ein erstaunliches, bewundernswertes Großprojekt.
Das Gegensätzliche gehört zur Person Katharina Zipser, und genauso hat es seinen Platz in ihrer Kunst. Es sind die beiden Seiten ein und derselben Medaille - nur dass man nicht mal Kopf/Avers mal Zahl/Revers sieht: Bei KATH steht die Münze oft hochkant, so dass beide Seiten gleichzeitig zu sehen sind: z.B. sowohl das Kosmopolitische wie das "Provinzielle", das Verhaftetsein im Siebenbürgischen; sowohl das Ausschweifende eines Bohemièns wie die Bedürfnislosigkeit eines Asketen, sowohl die Besessenheit des Mittendrinstehenden, wie die gewisse Blasiertheit des Darüberstehenden; kurz ein Unikat, eine Uni-KATH.
Hans-Werner Schuster (links) bei der Eröffnung von Katharina Zipsers Graphikausstellung (rechts die Künstlerin), in der Mitte der stellvertretende Vorsitzende des Vereins Freunde Haidhausens, Baier. Foto: Konrad Klein
Hans-Werner Schuster (links) bei der Eröffnung von Katharina ("KATH")
Zipsers Graphikausstellung (rechts die Künstlerin), in der Mitte der
stellvertretende Vorsitzende des Vereins Freunde Haidhausens, Baier. Foto: Konrad Klein

Zwei gleichzeitig zum Tragen kommende Seiten sind auch für Katharina Zipsers Verhältnis zur Kunst und zu ihrem Werk kennzeichnend. Einerseits ist sie richtiggehend rückwärtsgewandt: Sie lernte nach der Akademie Kirchen- und Ikonenmalerei und wurde als Kirchen- und Ikonenmalerin vom Rumänischen Patriarchat autorisiert - als einzige Deutsche, Protestantin und Frau. Diesen Schritt vom sozialistischen Realismus zum Symbolisch-narrativen der Kirchenmalerei bezeichnet KATH in einem Gespräch mit Günther Ott als "passive Resistenz". Wenn dem so sein sollte, bete ich zu Gott, dass es mir erspart beibe, eine aktive Resistenz der Künstlerin zu erleben. Rückwärtsgewandt sind auch die "traditionellen" Techniken, die sie bevorzugt: Tafelmalerei mit Eitempera oder, wie sie bekennt, "Meine große Liebe gehört der Frescomalerei". Andererseits wieder ist sie - zumindest in siebenbürgischen Kreisen - die einzige Künstlerin, die sich für die Veröffentlichung ihrer Werke "neue Medien" ausgewählt hat: Video-Film und CD-Rom, beide sind Teil dieser Ausstellung.
Damit tut sich ein weiteres Gegensatzpaar auf: KATH, die viele Techniken beherrscht - wie virtuos sie malt, davon wird sie, meine Damen und Herren, das Detail des Gemädes "Anonymus" auf der CD-Rom überzeugen - und sogar als Bildhauerin beeindruckt, meidet grafische Techniken, denn sie hat sich dem Original, dem Unikat verschrieben. Aber nun sind gerade ihre besten Arbeiten digitalisiert und damit unendlichfach vervielfältigbar. Keine Unikate sind aber auch weitere Exponate dieser Ausstellung: es handelt sich um die drei Tafeln im Flur des Üblacker-Häusls. Es sind Kopien, in einem Copyshop des Uni-Viertels erstellt. Kopien von leicht und locker hingeworfenen Zeichnungen aus unterschiedlichen Anlässen. Ob sie eine Reverenz sind an den großen Freundeskreis, mit dem sie in ihrem Atelier rauschende Feste feierte oder sonst eine Art von Nostalgie? Vielleicht.
Für mich ist allerdings eine andere Erklärung schlüssiger und ich folge darin Günther Ott, einem der besten Kenner der osteuropäischen Kunstszene und Bewunderer von Katharina Zipser. Deren Kunst rückt er in die Nähe des Surrealismus; zumindest ist für ihn das surrealistische Manifest mit seiner "Revolte gegen vordergründige Zwecke, gegen die Verwandlung des Menschen in etwas perfekt Funktionierendes" in Zipsers Werken sichtbar. Eine solche Sicht scheint mir auch begründet in ihrer Vorstellung von Kunstproduktion und Kunstrezeption, die dem Video-Film auch den Titel gab: "Taubenbriefe". Nicht nur bei den drei Tafeln - hier aber ganz besonders -, ist das, was dazu beiträgt, dass die Taube den "Brief" transportieren kann, ist das, was KATHs Werken Leichtigkeit verleiht und auch schwereren Sujets als den hier präsentierten eigen ist, ein gerüttelt Maß an Selbstironie. Oder um im Bild des Künstlers zu bleiben, der sich mit einer Ausstellung prostituiert: Diese drei Tafeln sehe ich gewissermaßen als hochhackige Pumps oder als Netzstrümpfe - allerdings an Beinen, die in ihrer Vollendung so etwas gar nicht nötig haben.
Oder können Sie sich eine Aktskizze vorstellen, die leichter und luftiger ist als das Titelblatt für Faltblatt und Plakat? Können Sie sich vorstellen, dass man mit noch leichterer Hand und noch sparsamerem Einsatz von Energie und Material eine noch perfektere Linie schafft, in der sich das Wesentliche konzentriert?
Katharina Zipsers Experimentierfreude führt trotz der immer wieder gleichen eingesetzten Mittel - sie bevorzugt Bleistift und Kreiden, ein einziges Blatt ist eine Tuschzeichnung - immer wieder zu einer neuen Art der Betrachtung und einer neuen Weise des Umsetzens in der Darstellung, die sie innerhalb einer Sitzung sowohl variiert wie auch als Serie vertieft. Die Persistenz mit der sie sich der Aktzeichung widmet, mag vielleicht auch damit zu erklären sein, dass sich gerade hier der Künstler als "Schöpfer" am offensichtlichsten, wenn vielleicht auch nur unterbewusst, manifestiert: Gott gleich, der den nackten Adam modelliert.
Auch wenn KATH in erster Linie als Malerin Anerkennung findet - sie ist nicht umsonst in die Anthologie von Ulrike Evers "Deutsche Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts" aufgenommen worden -; als Zeichnerin gelingt ihr ebenfalls Hervorragendes und sie könnte sicherlich in die Fußspuren eines Fritz Kimm oder Friedrich von Bömches treten. Ja, wenn da nicht wieder die andere Seite der Medaille wäre. Zwar bekennt Sie: "So, popeln (damit meint sie das Kleinformatige), habe ich immer wieder und gern gemacht", um gleich entgegenzuhalten: "Ich arbeite überhaupt gerne groß. Herumkriechen auf dem Gerüst, herauf, herunter, Eimer schleppen, Farben mischen ..." Diese Janusköpfigkeit setzt Sie mit dem Bekenntnis fort, dass es Ihr als Kunstpädagogin - und Sie müssen sich vergegenwärtigen, dass ein Großteil der ausgestellten Werke während des Unterrichtes im Aktzeichnen entstanden sind - vor allem darauf ankommt, handwerkliche Fertigkeiten zu vermitteln. Das erklärt sicherlich auch die Vielzahl der Arten und Weisen, in denen der nackte Körper dargestellt wird. Nur: haben wir es hier primär mit Nacktheit zu tun, mit dem Fleischlichen, mit der Form und Beschaffenheit des Körpers und/oder seiner Einzelteile? Man könnte geneigt sein zu bejahen, zumindest wenn man die mit weißer Kreide auf dunkel glühendem Grund gehöhten Elosi-Blätter oder die pralle Rückenansicht von "Claudia bestrumpft" betrachtet. Aber auch hier gibt es die Kehrseite. Sie wird deutlich in der Einschätzung des Leiters des Lügenmuseums, Richard Zabka-Sauvage, anlässlich einer früheren Ausstellungseröffnung: "Die Zeichnungen gehen von der antiken Skulpturensammlung der Glyptothek aus, besser gesagt von den Personen, die nach Katharina Zipsers Einschätzung dafür Modell gestanden haben könnten." Diese Sicht bekräftigt KATH in einem Statement zum Motiv des schon fast zur Obsession gewordenen Engels, des Sinnbildes des Geistig-Überirdischen: Es sei das Motiv, das sie dazu gebracht hat, sich zu fragen, zu suchen und zu zeigen was "dahinter" steckt.
Das gelingt KATH auch mit den hier ausgestellten Aktskizzen. Sie, die sich im Selbstporträt nicht in die Augen sehen kann, die auch die Persönlichkeit und Intimsphäre Ihres Modells so sehr respektiert, dass sie ihren Blick nur im Schatten der Krempe des so typischen Hutes auf dessen Körper richtet; sie schaut diesem Modell unter die Haut, sucht das Wesentliche - und das ist bei ihr nie das Verwesende - zu erahnen und sichtbar zu machen. Im Falle des Titelbildes wäre das für mich eine ungeheure Schlaffheit. Wenn Sie, meine Damen und Herren - vielleicht angesichts unseres gedrängten Aneinander - darin eher eine beneidenswerte Entspanntheit erkennen wollen, so sei Ihnen das unbenommen. Denn es gehört auch zu den Kränkungen und Ernüchterungen des Künstlers, dass Kunst nicht nur das Produkt seines Schaffens ist, sondern ebenso im Auge des Betrachters entsteht.

Link: KATH: "Claudia", 1998, Bleistift, Kreide

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