16. Mai 2002

Mein Codename lautete "Bell"

Im Rahmen des "X. Zeitgeschichtlichen Symposions", das die von Ana Blandiana geleitete Academia Civica (Bürger-Akademie) als Veranstaltung des "Internationalen Zentrums für Studien über den Kommunismus" vom 5. bis 7. Juli dieses Jahres in Sighetu Marmatiei in Rumänien durchführt, wird der Schriftsteller und Journalist Dr. h. c. Hans Bergel mit einem Vortrag an die Öffentlichkeit treten, der sich mit der kürzlich erfolgten Einsichtnahme in seine Securitate-Dossiers beschäftigt. Der Vortrag wird in gekürzter Fassung mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Academia Civica, Bukarest, im Vorabdruck veröffentlicht.
Im März dieses Jahres saß ich im Lesesaal des "Consiliului National pentru Studierea Arhivelor fostei Securitati" in Bukarest vor einem Teil der im kommunistischen Rumänien angefertigten Papiere, mit Hilfe derer sich Staatsorgane diverser Bereiche bis zum Jahr 1989 über mich verständigt hatten: über meinen Charakter, meine intellektuellen Fähigkeiten, mein Verhalten im Berufs- und Privatleben, meine politischen und sonstigen Anschauungen, meine erklärten und nicht erklärten Absichten, meine faktischen und potentiellen Eigenheiten - kurz, über meine Existenz quasi vom Scheitel bis zur Sohle. Im Saal saßen noch etwa vierzig Männer. "Ich bin hier", sagte mir einer, "weil ich die Zeit kennen will, in der ich gelebt habe..."
Hauptfassade des 1893 errichteten Hochsicherheitsgefängnisses (vor der Renovierung) in Sighetu Marmatiei, in dem heute Museum, Ausstellungs-, Arbeits-, Bibliotheks- und Versammlungsräume eingerichtet sind. Die Niederlassung ist heute die größte europäische Einrichtung für die Aufarbeitung kommunistischer Verbrechen.
Hauptfassade des 1893 errichteten Hochsicherheitsgefängnisses (vor der Renovierung) in Sighetu Marmatiei, in dem heute Museum, Ausstellungs-, Arbeits-, Bibliotheks- und Versammlungsräume eingerichtet sind. Die Niederlassung ist heute die größte europäische Einrichtung für die Aufarbeitung kommunistischer Verbrechen

Mein Codename in den Papieren lautete "Bell". Unter diesem Namen figurierte ich in der Terminologie des Staatssicherheitsdienstes u.a. in den Akten der "Directia Regionala a Securitatii Brasov, Biroul II, Serviciul III", des Militärischen Abwehrdienstes "CI Bucuresti, UM 0920" und einer Reihe weiterer Dienste, sobald diese Informationen über mich austauschten oder voneinander anforderten, über dreißig Jahre meines Lebens stand ich, wie ich las, im Dej- und Ceausescu-Staat und in Deutschland unter der Beobachtung der Securitate. Ich beschäftigte in dieser Zeitspanne - so eine erste flüchtige Zählung - etwa drei Dutzend Securitate-Informanten mit konspirativem Namen wie "Lucian Mazarin", "Thee 10", "Werner", "Barbu Horia", "Kraus Victor", '"Puiu Brasoveanu", "Oscar" etc., aber auch Informanten, die unter ihrem realen Namen geführt wurden. Dieser Teil meiner Securitate-Akten umfasst über 1 000 (tausend) DIN-A-4-Seiten.
Meinem Namen ist dabei - mit wechselnder Regelmäßigkeit, jedoch immer wieder in gebetsmühlenhafter Monotonie - die Begleitfloskel angehängt: "un dusman inversunat si recidivist al sistemulului socialist." Die Floskel trifft ins Schwarze - ich war es. Ich war, wo ich nur konnte, in meinem Beruf als Schriftsteller und Journalist, im Familien- und Freundeskreis ein hartnäckiger und aufhetzerischer, mit Tricks und Intrigen agierender Feind jenes Systems, das, wie wir alle wissen, auch Rumänien bis in die ökonomischen und mentalen Fundamente hinab zerstörerisch traf. Wenn auch nicht die Securitate und ihre Militärgerichte, ihre Helfer und die immer noch nachwirkenden Seilschaften, so gab mir die Geschichte in meiner Haltung recht: Sie gab den ehemaligen Opfern recht - wenn diese auch weiterhin dazu bestimmt zu sein scheinen, die bittere Erkenntnis von der unausrottbaren Feigheit und Verführbarkeit in der Welt bewusster auskosten zu müssen als die ehemaligen Verräter und Peiniger.

Erhöhte Beobachterzahl

Ich sagte, ich habe einen Teil meiner Securitate-Dossiers einsehen können. Das bedarf der Erläuterung: Da ich die vor meiner letzten Verhaftung, 1959, erstellten Securitate-Akten schon 1992 in den Händen hielt (siehe Worte als Gefahr und Gefährdung, Von Peter Motzan/Stefan Sienerth, München 1993), beschäftigten mich jetzt, ein Jahrzehnt später, die nach 1964 angefertigten: 1964 war ich, damals rumänischer Staatsbürger, nach mehrjährigem Freiheitsentzug durch einen Allgemeinen Begnadigungs-Erlass auf freien Fuß gesetzt worden. Ich war damit aber dem Auge der Securitate nicht entronnen. Die Papiere belegen, dass ich auch nach 1964 beobachtet wurde, ja dass sogar eine größere Zahl von Securitate-Informanten auf mich, den entlassenen Häftling, angesetzt war als vor 1959. Für die Zeitspanne bis zu meiner Ausreise, 1968, ist dafür eine der Erklärungen die Absicht der Securitate, mich hinsichtlich des Schreibverbots, das mir auferlegt worden war, zu kontrollieren. Auch diese Informanten trugen teils konspirative, teils ihre realen Namen. Die meisten leben noch. Einige versicherten mir vorzeiten von sich aus, niemals von der Securitate nach mir befragt worden zu sein.
An der jüngsten Autorenlesung des noch höchst vitalen 85-jährigen Georg Scherg (rechts) in München nahmen auch Hans Bergel (links) und Pfarrer Harald Siegmund (Mitte) teil. Sie gehören zusammen mit Scherg und den mittlerweile verstorbenen Schriftstellerkollegen Wolf von Aichelburg und Andreas Birkner zu jenen fünf Autoren, die Eginald Schlattner durch seine Aussagen im Kronstädter Schriftstellerprozess 1959 schwer belastet hatte. Foto: Konrad Klein
An der jüngsten Autorenlesung des noch höchst vitalen 85-jährigen Georg Scherg (rechts) in München nahmen auch Hans Bergel (links) und Pfarrer Harald Siegmund (Mitte) teil. Sie gehören zusammen mit Scherg und den mittlerweile verstorbenen Schriftstellerkollegen Wolf von Aichelburg und Andreas Birkner zu jenen fünf Autoren, die Eginald Schlattner durch seine Aussagen im Kronstädter Schriftstellerprozess 1959 schwer belastet hatte. Foto: Konrad Klein

Im Jahr 1968 emigrierte ich dann nach Westdeutschland. Wer jedoch annehmen wollte, ich sei der Securitate damit endgültig uninteressant geworden, täuscht sich. Vielmehr wurde ich in Deutschland 1969-1989 im Securitate-Auftrag beruflich wie privat nicht minder aufwändig observiert - auch hier von Informanten vor allem aus den Reihen siebenbürgischer Landsleute; deutscher Staatsbürger. Warum die Bespitzelungen im Westen?
Beginnend mit 1969 leitete ich in München für die Dauer zweier Jahrzehnte - genau für die historisch entscheidende europäische Zeitspanne, also vor 1989 - als Chefredakteur die Siebenbürgische Zeitung, die ich zu einem Instrument des publizistischen Kampfs gegen die Verletzung der Menschen- und Minderheitenrechte, gegen Kulturzerstörung und Geschichtsraub in Rumänien machte. Ich veröffentlichte außerdem in jenen Jahrzehnten zu diesen Fragen von Bukarest für so wichtig erachtete Studien, dass sich Ceausescu eine davon ("Die Sachsen in Siebenbürgen nach dreißig Jahren Kommunismus", 1976) ins Rumänische übersetzen ließ, wie Graf Stefan Bethlen 1983 öffentlich berichtete. Ich hielt überdies zum gleichen Thema in Deutschland, Österreich, Schweiz, Kanada, USA zahllose Vorträge - dafür nicht selten, weil ich ihr Harmoniebedürfnis im "Koexistenz''-Verhältnis zwischen freiem Westen und kommunistischem Osten störte, von deutschen Medien besserwisserisch gerüffelt, wie von politisch wenig informierten Landsleuten in Ost und West angegriffen. Seit ich meine Securitate-Dossiers aus dieser Zeitspanne las, halte ich es gleichsam auch Schwarz auf Weiß in der Hand: Ich handelte damals politisch richtig. Als ich 1968 in Deutschland eintraf, hofierten vor allem die deutschen Medien Ceausescu. Sie fielen ihm ebenso auf alle Finten herein wie heute den falschen Märtyrern. Sie fallen, so scheint es, mit Regelmäßigkeit irgendjemandem herein.
Die Securitate hatte demnach 1968 einen Fehler gemacht, als sie meine Ausreise genehmigte. Es ist keine Selbstüberschätzung, wenn ich sage, dass sie genau den Falschen hatte emigrieren lassen. Belegen schon meine Veröffentlichungen und Funksendungen, dass kein zweiter Autor deutscher Zunge 1969-89 dem Bukarester Regime aus menschenrechtlichen Gründen so unnachgiebig das Leben sauer machte, so bestätigen dies die Securitate-Akten. Im Rückblick ist das eine der kardinalen Satisfaktionen meines Lebens - meine Legitimation vor der Zeit, in die wir hineingeboren wurden und in der sich dem Menschen eindringlicher als in anderen Epochen die Frage der Integrität stellte.
Nun taucht beginnend mit 1969 in meinen Securitate-Papieren - das heißt in den "Note informative", "Analize", "Informatii strict secrete", "Anexe" etc., in den Anmerkungen zu Kopien meiner Zeitungsaufsätze, abgefangener In- wie Auslandbriefe, Telefonatmitschnitten und anderen Aufzeichnungen -, taucht also mit Beginn meiner publizistischen Tätigkeit im Westen eine neue, veränderte Begleitfloskel meines Namens auf. Ich werde nicht mehr als „dusman al sistemului“, sondern als „dusmanul poporului roman“ bezeichnet, ist das als eine der Subtilitäten beachtenswert, deren sich die Securitatestilistik befleißigte - ich war jetzt Ausländer und schon dadurch ein Feind des rumänischen Volkes -, so bedeutete es gleichzeitig den internen Diensthinweis, der mich erhöhter Aufmerksamkeit der Securitate-Auslandsabteilungen empfahl. So präzise die erste Floskel den Kern der Dinge trifft, so diffamierend und lächerlich ist die zweite. Würde ich sonst - seit Jahren mit Vortragsreisen in. Rumänien - von Rumänen in Bukarest, Klausenburg, Kronstadt oder Jassy herzlich aufgenommen werden? Würden sonst in meinen Romanen, Erzählungen, Essays rumänische Landschaften, Menschen und Themen auftauchen? Würden mich sonst Rumänen des akademischen, universitären, politischen Bereichs seit 1989/90 durch Auszeichnungen öffentlich ehren? Die kommunistischen Diktatoren verfielen auch in Rumänien wie alle modernen Diktatoren - im Unterschied zu den Tyrannen der Antike, die zumindest ehrlicher waren - dem kapitalen Irrtum, sich für identisch mit dem Volk zu halten. Fehlte ihnen die Intelligenz, diesen wichtigsten Aspekt ihrer Fehlkalkulation zu begreifen? Hatten sie eine andere Definition von "Volk", als dieses sie von sich selber hat? Eben dies meinten die Menschenmassen in der DDR, die 1989 in Leipzig zusammenkamen und ihrem SED-Funktiönärsgesindel wochenlang ins Gesicht schrieen; "Wir sind das Volk". W i r, nicht ihr.
Abgesehen vom besonderen Blickwinkel der Einsicht in die Securitate-Auslandarbeit, stellt sich hier die beunruhigende Frage nach dem intellektuellen, moralischen, gesellschaftlichen, vor allem nach dem staatsbürgerlichen Selbstverständnis der Leute des Securitate Mitarbeiterzirkels im westlichen Deutschland. Wer waren die in der Bundesrepublik zur Kollaboration bereiten Menschen aus meiner unmittelbaren Umgebung? Warum ihre Securitate-Mitarbeit?
Klingt die Fragestellung zunächst rhetorisch, so erscheint sie von allgemeiner gesellschaftlicher Erheblichkeit, wenn sie aus der Sphäre des Privaten und Persönlichen herausgelöst wird. In Deutschland gingen in meiner Zeitungsredaktion täglich etwa ein Dutzend Menschen ein und aus, deutsche Staatsbürger wie ich, bei meinen zeitweise wöchentlichen Auftritten als Redner sahen mich Tausende, ungezählte verwickelten mich in Gespräche. Dies alles waren weder rumänische Patrioten noch Kommunisten, wie meine Dossiers zeigen. Ebenso wenig geistig Beschränkte, prädestiniert als Zielpersonen für Bauernfängerei. Denn unter ihnen, so die Akten, befanden sich Rechtsanwälte, Lehrer, Pfarrer, Ärzte: Menschen, die ich, wenn auch nicht immer politisch einer Meinung mit ihnen, für ihrem staatsbürgerlichen Gewissen verpflichtet hielt. Das Aktenstudium im März d.J. weckte erhebliche Zweifel in mir. Warum also?

Verleumdungskampagnen

Ermutigt durch die KSZE-Akte Helsinki 1973 hatte eine Gruppe in öffentlicher Verantwortung stehender Siebenbürger Sachsen im Zeichen der Menschen- und Minderheitenrechte eine offensive Bukarest-Politik begonnen. Es galt, den Landsleuten in Rumänien, die sich dort immer weniger frei akzentuieren und entscheiden durften, wirkungsvoller als bis dahin zu helfen. Sowohl der Bonner Außenminister als auch die Mehrheitsstimmung unter den im Westen lebenden Siebenbürgern hatten dieser Politik das Plazet gegeben, die Siebenbürgische Zeitung wurde zu ihrem militanten Sprachrohr. Aus unterschiedlichen Gründen, keineswegs allein politischen, fand der neue Kurs bei einer Minderheit keine Zustimmung. Ihn durch demokratische Mehrheitsfindung zu ändern, war also aussichtslos. Es erschien nur möglich durch die Ausschaltung der bestimmenden Personen - durch deren öffentliche Unglaubwürdigmachung. Wie das? Mit Hilfe der Möglichkeiten des Securitate-Apparats, groß angelegte propagandistische Verleumdungsinszenierungen zu organisieren. Die geradezu enorme Pressekampagne 1977 in Rumänien, die massenweise Verbreitung anonym verfasster Schmähschriften in Deutschland, die Ausstreuung lügnerischer Gerüchte hier wie dort u.a.m. (siehe Neuer Weg, Scinteia, Scinteia Tineretului, Romania Libera, alle Bukarest, im April und Mai 1977). Dazu benötigte die Securitate grundlegende Informationen und Hilfe. Sie erhielt beides, wie aus den Akten hervorgeht, von Landsleuten. Das zwingt zur unangenehmen Anmerkung: Die Rolle, die der Verrat auch in den siebenbürgisch-sächsischen Angelegenheiten jüngeren Datum spielte, ist unübersehbar. Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen im ausgehenden 20. Jahrhundert in Ost und West kann daher ohne Studium der Securitate-Dossiers nicht objektiv und vollständig geschrieben werden. Wer diese wichtige Quelle außer Acht lässt, liefert unbrauchbares Stückwerk. Ihre Zuverlässigkeit in Frage zu stellen, verbietet eine Anmerkung Joachim Gaucks: "Die kommunistischen Staatssicherheitsdienste belogen sich selber nicht." Sie interpretierten wohl manches falsch, doch in den Fakten logen sie sich gegenseitig nicht an; es war ja für sie eine Existenzfrage.
Um solche wenig erfreulichen Feststellungen kommt ein Exposé dieses Inhalts nicht herum. Wer sich auf ein Aktenstudium in Bukarest einlässt, der weiß, dass ihn über das Persönliche hinausreichende Korrekturzwänge erwarten. Sie werfen erst recht die Frage nach der Beschaffenheit unserer Gesellschaft auf. Es geht hier nicht mehr um Personen, sondern um die Frage individuellen wie kollektiven Verhaltens in einer bestimmten Situation. Auch im kommunistischen Rumänien gab es die Geheimpolizei-Mitarbeit aus Angst. Darf die physische Angst als allzumenschliche Eigenschaft bedauert werden, so ist die moralische Feigheit bzw. Nachgiebigkeit ein Zeichen niederer Gesinnung, sie spiegelt einen kritischen Zustand der Gesellschaft wider. Doch weder das Argument der Angst noch das der nachgiebigen Feigheit angesichts politischen Machtdrucks kann in unserem Fall gelten, weil sich das, worüber hier berichtet wird, in einem freien Land abspielte, wo niemand politischer Willkür existentiell ausgesetzt war.

Unvollständige Dossiers

Leider sind die Bukarester Dossiers unvollständig. Auf meinen Papieren ist die Seitennummerierung einige Male umgeschrieben und dabei jedesmal nach unten verändert. Das heißt, dass ursprünglich mehr Papiere vorhanden waren als gegenwärtig. Es heißt weiter, dass Papiere verschwanden. Wie ich informiert wurde, soll es "interessierten Leuten mit Verbindungen" gelungen sein, belastende Schriftstücke aus den Dossiers entfernen zu lassen; das gilt, wie ich weiter informiert wurde, selbstverständlich auch für Rumäniendeutsche.
Abschließend zwei bezeichnende Hinweise auf die Breite der Skala, in der sich Securitate-Aktivitäten im Ausland abwickelten. Der erste Hinweis ist privater Natur - sofern hier von Privatissima gesprochen werden kann: Bald nach meiner Haftentlassung 1964 konnten meine Frau und die drei minderjährigen Kinder emigrieren. Bis zu meiner Ausreise 1968 war unsere Verbindung brieflicher Natur. Die Verbindung enthielt jedoch für beide Seiten Verwirrendes; Unverständlichkeiten in den Briefen des jeweils anderen führten zu Missverständnissen, ja Spannungen. In den Securitate-Dossiers stieß ich nun auf eine Mappe mit wichtigen Briefen meiner ehemaligen Frau an mich und umgekehrt. Es sind die Originale. Sie tragen den Vermerk: "A nu se preda destinatarului." Rund vierzig Jahre zu spät erhalte ich so die Erklärung für empfindliche Informationslücken und -irrtümer.
Der zweite Hinweis ist politischer Natur: Die "Asociatia Romania" hatte sich als Vermittlerinstanz für Verhandlungen angeboten, die ich in Absprache mit dem Auswärtigen Amt im Februar '75 mit rumänischen Vertretern in Bukarest zur "Familienzusammenführung" führte. "Korb 3" der Helsinkiakte hatte das Thema aktualisiert, der Kanzler Brandt sich dafür eingesetzt, ich kehrte mit gutem Ergebnis zurück und erstattete einem hochrangigen Bonner Politiker Bericht. In meinen Securitate-Akten ist der Inhalt dieses vertraulichen Gesprächs festgehalten. Meine Erklärung: So wie der DDR-Spion Guillaume den Kanzler Brandt aushorchte und 1974 zu Sturz brachte, standen auch im Fall meines Gesprächspartners der DDR-Spionage Abhörmöglichkeiten zur Verfügung; die Stasi vermittelte meines Erachtens die Information über den Rumänischen Auslandsnachrichtendienst der Securitate. Einzelheiten über diese und weitere Erkenntnisse werde ich mitteilen, sobald ich das gesamte Material mit meinen Aufzeichnungen verglichen habe.

Hans Bergel



Anmerkung der Redaktion:

Diesem Text sind im Manuskript hinsichtlich der wichtigsten Passagen Quellennachweise beigefügt. Da die Siebenbürgische Zeitung kein wissenschaftliches Periodikum ist, verzichten wir auf sie, weisen aber auf Wunsch des Autors den Leser darauf hin, dass die rumänische Veröffentlichung den Fußnoten-Anhang enthalten wird.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 8 vom 15. Mai 2002, Seite 6)

Schlagwörter: Bergel, Securitate, Vergangenheitsbewältigung

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