27. Mai 2002

Dramatische Lage der siebenbürgisch-sächsischen Denkmäler

Apsis der evangelische Kirche in Wölz eingestürzt: Beginnender Verlust des letzten Merkmals der evangelischen und deutschen Geschichte und baulichen Tradition
Am 15. April 2002 stürzte die Apsis der evangelischen Kirche in Wölz (Velt), nordwestlich von Mediasch, ein und riss auch den östlichen Teil des Daches mit sich. Die Ursache lag am mangelnden Bauunterhalt und einer langsam fortschreitenden Verwahrlosung der Gebäudes und der gesamten Anlage.
Wehrkirche in Wölz noch vor dem kürzlichen Absturz der Apsis. Luftbildaufnahme: Georg Gerster
Wehrkirche in Wölz noch vor dem kürzlichen Absturz der Apsis. Luftbildaufnahme: Georg Gerster

Die spätgotische Saalkirche wurde im 14. Jahrhundert inmitten des Dorfes errichtet, sie ist von einer einst fünf Meter hohen Ringmauer umgeben, in welcher sich das einstige Rathaus einfügt. Charakteristisch für die Wölzer Kirchenburg ist die vom Kirchenbau abgerückte Lage des Glockenturmes, der gleichzeitig als Torturm dient. Infolge der wachsenden Gefahr von Türkeneinfällen wurde im 15. Jahrhundert der Chor um zwei Geschosse aufgestockt und mit Schießscharten ausgestattet. Als Zugang diente eine Wendeltreppe in der südwestlichen Ecke des Langhauses. Im 19. Jahrhundert wurde das Gebäude durch zwei Erdbeben beschädigt, besonders das Chorgewölbe wurde in Mitleidenschaft gezogen. Vermutlich um das Gewölbe zu stabilisieren und weiteren Erschütterungen zu begegnen, erhielt das Tonnengewölbe nun beidseitig Stichkappen, die dem Inneren ein eigentümliches Aussehen verleihen. Da die Außenmauern unter aufsteigender Feuchte litten, wurden im 20. Jahrhundert einige Reparaturmaßnahmen veranlasst, die jedoch die Schäden nicht beheben konnten - offenbar aufgrund der Verwendung von unpassendem Baumaterial.
Mit ihrer zentralen Lage, der markanten Höhe und Gestalt als zweigeteilter Kirchenbau mit vorangestelltem Turm ist die Wölzer Kirche ein wichtiges bauliches Merkmal. Ihr beginnender Verfall ist ein unwiederbringlicher Verlust und stellt eine optische Katastrophe dar, die den gesamten Ort beeinträchtigt. Der Exodus der Deutschen aus Wölz hinterließ die Kirche, die nun aufgrund der mangelnden Pflege ihrem Verfall entgegenblicken muss. Es wurde bereits eingebrochen, wobei die Orgel zerstört und ihrer Metallpfeifen beraubt wurde; der Burghof ist ungepflegt, das einstige Rathaus eingestürzt und nur noch als unkrautüberwucherte Ruine sichtbar.
Am offiziellen „Tag der Denkmalpflege“ in Wölz fotografiert: Einsturz der Apsis der Wehrkirche, Blick aus östlicher Richtung. Foto: G. Mergenthaler
Am offiziellen „Tag der Denkmalpflege“ in Wölz fotografiert: Einsturz der Apsis der Wehrkirche, Blick aus östlicher Richtung. Foto: G. Mergenthaler

Dieser Einsturz beschreibt eindringlich und repräsentativ die gegenwärtige Situation der evangelischen Kirche A.B. in Rumänien: Mit der Massenauswanderung der deutschen Bevölkerung zerbrachen nicht nur Traditionen und gewachsene Strukturen, auch die Betreuung und Verantwortung der von den Vorfahren errichteten Bauten, die heute geschützte Denkmäler sind (!), verschwand. Trotz der Bemühungen des Landeskonsistoriums, der Bezirkskonsistorien und der rumänischen Denkmalbehörde ist im Angesicht der finanziell engen Situation im Land, der andererseits eine große Anzahl baulicher Denkmäler entgegensteht, eine ausreichende Pflege oftmals nicht zu leisten. Es können zumeist nur einfache Reparaturen und Notsicherungen durchgeführt werden.
Traurig ist die Aussicht, dass die vielen unverwechselbaren und historisch wertvollen Kirchenbauten, denen oftmals der Stempel ihrer Gemeindemitglieder eingedrückt ist, offenbar ihrem Niedergang entgegengehen, weil in der gegenwärtigen hiesigen Situation keine ausreichenden Möglichkeiten vorhanden sind. Würde es denjenigen, denen es jetzt besser geht, nicht gut zu Gesicht stehen, sich auch mit dem Erbe ihrer Vorfahren zu identifizieren und dies gebührend zu beachten?

Gabriele Mergenthaler, Hermannstadt

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