16. Dezember 2002

Friedrich von Bömches: Fotografien

Im Rahmen der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage 2002 wurde in einer von vier Ausstellungen Friedrich von Bömches als Fotograf präsentiert. Vom Haus des Deutschen Ostens München, dem Siebenbürgischen Museum Gundesheim und der Landsmannschaft veranstaltet, wurde die Ausstellung „. . . auf dem Weg nach Stalingrad. Fotografien 1942/1943“ vom 11. Oktober bis 17. November im Richard-Langer-Saal auf Schloss Horneck gezeigt. Flankiert von einem niveauvollen Begleitprogramm (Vernissage, Finissage und zwei Filmvorführungen), zog die Schau zahlreiche Besucher an.
Nicht als Maler und Grafiker, gleichwohl als Künstler, stellte Friedrich von Bömches bei den diesjährigen Kulturtagen aus. Denn die vor 60 Jahren entstandenen Schwarz-weiss-fotografien sind nicht nur dokumentarisch wertvoll, sondern zeugen von Bömches‘ Gespür für Form, Maß und Komposition, das auch im Medium der Fotografie trägt. Seine wache Beobachtungsgabe und sinnliche Wahrnehmung führt zu Abbildungen, die über das Abgebildete hinausweisen, die die Realität zwar nicht in Frage stellen, aber hinterfragen. Abbildungen, also, die den Betrachter ansprechen und ohne Einschränkung als Kunstwerke anzusehen sind.

Logo der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage 2002
Logo der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage 2002
Darauf wies bei der Vernissage am 11. Oktober nach der Begrüßung durch Irmgard Sedler, Vorsitzende des Museumsvereins, Hans-Werner Schuster hin. Der Bundeskulturreferent wertete gleichzeitig die Fotografien als zeigeschichtliche Dokumente von hoher Aussagekraft. Denn anders als die meisten Bilddokumente des Zweiten Weltkrieges sind sie nicht von einem Kriegsberichterstatter, nicht mit einem Auftrag und einem davon bestimmten Zweck aufgenommen worden.

Friedrich von Bömches: Russische Kriegsgefangene im Güterwaggon
Friedrich von Bömches: Russische Kriegsgefangene im Güterwaggon

Friedrich von Bömches hat als 25-jähriger Gefreiter der rumänischen Armee – 5. Regiment der 6. Kavalleriedivision mit dem Standort Heldsdorf – den Russlandfeldzug mitgemacht, aus dem und der anschließenden Deportation er erst neun Jahre später heimkehren sollte. In der Zeit vom 8. August 1942 bis 9. Januar 1943 hat er mit seiner Leika neun Filme fotografiert, von denen einer in den Wirren des Krieges verloren ging. Von Bömches fotografierte das, was ihn persönlich ansprach: ein ausdrucksstarkes Gesicht – auch des Feindes –, eine Landschaft, Kriegsgerät und Kriegseinsatz, Not und Elend ebenso wie Momente der Freude und des Glücks. So tritt dank dieser Zweckfreiheit neben die Ästhetik eine Authentizität, die diese Fotos einmalig macht. Ohne die Fotografien nachträglich mit einem „Titel“ zu versehen, wurden lediglich drei Gruppierungen vorgenommen zu den Themen Begegnungen, Gesichter des Krieges, General Winter. Ergänzt wurden sie mit den Kontaktabzügen der acht Filme, mit Tagebuchaufzeichnungen von Bömches‘, mit Informationstafeln zum Künstler sowie zum Frontverlauf und Einsatz des 5. Kavallerieregimentes.

Schuster wies auch darauf hin, dass die Ausstellung, die seit dem 25. Januar 2001 wiederholt gezeigt wurde, insbesondere der Initiative des Dokumentarfilmers Günter Czernetzky zu verdanken ist: Er besorgte die Negative und Kontaktabzüge, traf die repräsentative Auswahl, gewann das Haus des Deutschen Ostens für die Finanzierung und den Grafiker Mark Fabini für die Ausarbeitung der 52 Abzüge. Dass aber Günter Czernetzky den Maler und Grafiker Friedrich von Bömches auch als Fotografen kennen lernen durfte, ist der audio-visuellen Show „Pitz der Maler“ von Dr. Alexander Oltenau zu verdanken.

Pitz der Maler

Nicht nur als Reverenz für den auslösenden Moment wurde die audio-visuelle Show „Pitz der Maler“ zur Finissage der Ausstellung am 17. November im Festsaal von Schloss Horneck gezeigt. Sie sollte auch über die Fotografie hinaus den Blick auf den Künstler Friedrich von Bömches und sein Werk ermöglichen.

Für den aus Mühlbach stammenden Arzt und Fotografen Dr. Alexander Oltenau wurde Friedrich von Bömches seit den späten 80er Jahren gewissermaßen zur Vaterfigur – in persönlicher wie auch künstlerischer Hinsicht. Was war für den vielfach ausgezeichneten Fotografen, u.a. erster Preis der Norddeutschen Fotografie 1997, und Kunstfreund nahe liegender, als Bömches und seine Werke zu fotografieren und mit einer Auswahl davon eine Diaserie zu komponieren? Dass es technisch brillante Dias sind, die auch technisch anspruchsvoll präsentiert wurden, durfte man bei einem Fotografen erwarten – obwohl das Fotografieren von Kunst eine ganz besondere Herausforderung ist. Aufgrund der engen persönlichen Beziehung und der künstlerischer Empathie war man vielleicht auch nicht überrascht, dass Oltenau ein anschauliches Porträt gelingt, das so tiefe und facettenreiche Einblicke erlaubt, wie es die zahlreichen kunsthistorischen Abhandlungen nur selten schaffen. Erstaunen musste allerdings, dass die audio-visuelle Show – auch dank der unterlegten Musik – in der Rezeption des Werkes und in der Unmittelbarkeit ihrer Wirkung auf den Betrachter hinter Ausstellungen nicht zurücksteht. Was also für den Autor als Hommage an den Künstler von Bömches gedacht war, entpuppte sich für manchen im Publikum als Katalysator für den Zugang zu dem anspruchsvollen Werk.

Friedrich von Bömches: Auf dem Rückweg von Stalingrad
Friedrich von Bömches: Auf dem Rückweg von Stalingrad

Propaganda und Dokumentation

Als Begleitprogramm zur Ausstellung wurden am 16. November zwei Filme gezeigt, die das zeitgeschichtliche Umfeld, in der die Fotografien entstanden, näher bringen sollten.

Der 1942 entstandene, bald danach in der Versenkung verschwundene und erst kürzlich wieder aufgefundene rumänische Propagandafilm „Razboiul sfânt“ (Der heilige Krieg) wurde dank der Vermittlung von Günter Czernetzky erstmals in Deutschland vorgeführt. Der Film zeigt, beginnend mit der Abtretung der Bukowina und Bessarabiens an die UdSSR am 28. Juni 1940 bis zu der (verfrühten) Siegesparade in Bukarest am 8. November 1941 nach der Eroberung Odessas, „ein Jahr aus dem Leben des rumänischen Volkes. In ihm spiegelt sich das nationale Wiedererwachen Rumäniens unter König Mihai und unter der schicksalserfüllenden Obhut des Marschalls Antonescu. Es ist das erhabene und wahrhafte Porträt eines Volkes, das sich seine Geschichte durch die Tapferkeit und die Opfer seiner Armee schreibt.“ So heißt es im Einführungstext.

Der Film wurde vom Nationalen Büro für Filmkunst (Oficiul National Cinematografic) aus eigenen und erbeuteten Filmdokumenten sowie aus dem Filmmaterial von Kriegskameramännern – darunter Wilfried Ott – produziert. Es ist ein beeindruckendes Filmmaterial, schwarz-weiß in des Wortes doppelter Bedeutung. Allerdings ist die Propaganda so offensichtlich, wird Heldentum und nationales Pathos so dick aufgetragen, dass man sich Günter Czernetzkys Nachbetrachtung zur Propaganda und deren Gestaltungsmitteln sparen konnte. Um so ausführlicher war dafür die Einleitung von Günter Klein. Der 1961 in Bistritz geborene Historiker, der gerade seine Dissertation zum Thema „Von einer Diktatur zur anderen. Rumänien 1944-1945“ an der Universität Freiburg beendet, präsentierte dem Publikum all jene Fakten, die ihm der Film vorenthielt, insbesondere die hohen Opfer der Kriegshandlungen auf rumänischer Seite: Gefallene, Vermisste und Gefangene, wie auch die Deportation der Juden und Zigeuner nach Transnistrien sowie die Massenmorde, die von rumänischen Truppen bzw. rumänischer Gendarmerie in der ersten Phase des Krieges gegen die Sowjetunion begangen wurden.

Den zeitlichen Rahmen seiner Ausführungen legte er bis zum 23. August 1944, so dass er damit den Verbindungsbogen zu dem zweiten Filmbeitrag schlug: „Stalingrad an der Donau“. Der im Süddeutschen Rundfunk am 22. Januar 1995 erstmals ausgestrahlte Dokumentarfilm hatte nicht nur im Titel und in der Person Günter Czernetzky, des aus Schäßburg stammenden, vielfach ausgezeichneten Regisseurs und Produzenten, Berührungspunkte mit von Bömches‘ Fotografien. Er machte vielmehr deutlich, dass „. . . auf dem Weg nach Stalingrad“ dazu führte, dass sich auch Stalingrad auf den Weg machte, dass Tod und Zerstörung dahin kamen, von wo sie ausgegangen waren, wobei es so gesehen nebensächlich ist, ob nun das echte „Stalingrad“ oder Rumäniens Frontwechsel die verheerenderen Folgen zeitigte.

Hans-Werner Schuster


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 15. Dezember 20021, Seite 5)

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