18. Januar 2003

Jungfernfahrt des Transrapid in China

Silvestertag 2002. Der Bad Heilbrunner und gebürtige Bistritzer Landsmann Stefan H. Hedrich ist glücklich. Sein Lebenswerk, der deutsche Transrapid, schwebt erstmals - 36 Jahre nach Beginn der Forschung und Entwicklung - auf einer kommerziellen Strecke in China: Jungfernfahrt.
Als Passagiere dabei waren Bundeskanzler Gerhard Schröder in Begleitung von Spitzenmanagern deutscher Wirtschaftskonzerne sowie, als Gastgeber, der chinesische Premier und Transrapid-Fan, Zhu Rongji, mit hohen Würdenträgern. Gemeinsam schwebten sie mit Tempo 400, kurzfristig sogar mit 431 Km/h, vom Bahnhof Longyang, einem Außenbezirk der 17-Millionen-Einwohnerstadt Schanghai, zum 31,5 km entfernten Flughafen Pudong. In nur 7 Minuten bewältigte die schnellste Bahn der Welt ihre Jungfernfahrt.

Am 23. Januar 2001 wurde der Liefervertrag für die weltweit erste, kommerzielle Transrapid-Strecke in Schanghai unterschrieben. Thyssen-Krupp sollte die vier sechsteiligen Züge, Siemens die Steuerungs-, Antriebs- und Signaltechnik liefern. Die Strecke wurde von den Chinesen durch Joint Ventures-Kooperation mit den Deutschen gebaut. Es sei ein „glattes Wunder“, sagte Premier Zhu Rongji, dass die 31 Kilometer lange Spur in nur 22 Monaten mit der nötigen Millimeterpräzision gebaut worden sei. Befreundete siebenbürgische Chinatouristen, die im August vorigen Jahres auch Schanghai kennen gelernt hatten, erzählten begeistert von der großen Transrapid-Baustelle, wo rund 10 000 Arbeiter, auch mit einfachen Hilfsmitteln wie Schaufel und Schubkarren, damit beschäftigt waren, die 2 600 Stützpfeiler der Doppelstrecke fristgerecht aufzustellen. Die Projektleitung lag in den Händen eines fähigen Baustellenleiters namens Wu Xiangming, von Deutschen und Chinesen respektvoll „Commander Wu“ genannt, der die ehrgeizigen Termine zur Fertigstellung dieser Strecke eingehalten hat. „Das Transrapid-Projekt in Schanghai wurde bis zur Jungfernfahrt wie ein Staatsgeheimnis behandelt“, berichtet Harald Maass in der Stuttgarter Zeitung. Polizisten bewachten die Baustelle und die chinesische Fabrik für die Betonträger. Informationen drangen kaum nach außen. Von Ende 2003 an soll der Transrapid auf einer Doppelspur im Acht-Minuten-Takt zwischen Longyang und dem Flughafen Pudong verkehren. Die Steuerung erfolgt vollautomatisch über eine Leitzentrale.

Auf die Frage der Journalisten bei der Jungfernfahrt, ob China Interesse an weiteren Aufträgen für die deutsche Industrie und Hochtechnologie habe, entgegnete der chinesische Premier: „Natürlich.“. Er denkt an eine Trassenverlängerung auf bis zu 300 km von Schanghai zur Provinzhauptstadt Nanjing, oder eine Verlängerung von 150 km bis in die Küstenstadt Hangzhou. Dazu schreibt Andreas Geldner unter dem Titel „Vage Hoffnung“ in der Stuttgarter Zeitung vom 2. Januar 2003, dass „die Chinesen knallharte Verhandlungspartner sind und vor allem ihr industriepolitisches Interesse im Auge haben. Wichtige Patente für den Fahrweg des Transrapids sind bereits auf Dauer in China gelandet, nun haben die Chinesen ein Auge auf die Fahrtechnik geworfen. Zhu Rongjis weiche Zusage lässt alle Optionen offen. Neue Aufträge wird es nur geben, wenn China weiteres technisches Wissen erwerben kann.“

Angesichts solcher Realitäten sollten die Bemühungen in Deutschland um die Realisierung der beiden geplanten Einsatzprojekte, Metrorapid in Nordrhein-Westfalen und Transrapid von München zum Flughafen, in greifbare Nähe rücken. Dazu geben jüngste Äußerungen von Bundeskanzler Gerhard Schröder, aber auch von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement und Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe Anlass zur Hoffnung.

Stefan H. Hedrich, der als Mitbegründer der berührungsfreien Fahrtechnik in Deutschland gilt, ist glücklich über das epochale Ereignis in China und traurig, dass es nicht in Deutschland stattfinden konnte. Er selbst hatte ab 1971 auch in China bei Gastvorlesungen an der Universität in Peking das neue Verkehrssystem Transrapid bekannt gemacht und erläutert, in deren Gefolge fünf chinesische Wissenschaftler in das Forschungsteam bei Krauss-Maffei in München aufgenommen wurden. Somit wurden damals wichtige Grundsteine für die Akzeptanz des neuen Verkehrsmittels bei den Chinesen gelegt, die Jahre später zu fruchtbarer Zusammenarbeit geführt haben.

Weil Stefan Hedrich bei seinen Vorträgen über die Forschung und Entwicklung des Transrapid bei der breiten Zuhörerschaft große Wissenslücken und falsche Ansichten aufgrund negativer Medienberichterstattung festgestellt hat, verfasste er jüngst ein Buch mit dem Titel "Der Transrapid oder die Magnetschnellbahn in der politischen 'Warteschleife'" (mit vielen interessanten Bildern), das in Kürze im Eisenbahn-Kurier-Verlag, Freiburg, erscheinen soll. Bei der Erstellung des Buches konnten dem 83-jährigen Buchautor die beiden Landsleute Ernst Prewlitz und Walter Klemm unterstützend zur Seite stehen.

Walter Klemm


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