16. April 2003

Leserecho: Bundesregierung will Sammlungen in Gundelsheim zerschlagen

Zu dem Leserbrief Das Siebenbürgische Museum in Gundelsheim wird es nicht mehr geben und zu dem Artikel Brukenthalmuseum erhält Gemälde zurück bezieht Alfred Mrass, Vorsitzender der Landesgruppe Baden-Württemberg der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, wie folgt Stellung. Der Brief gibt die Privatmeinung des Autors wieder.
Mit Erstaunen, Befremden und zunehmender Trauer habe ich den Brief von Dr. Jürgen Martens gelesen. Das Erstaunen und Befremden rühren daher, weil der Artikel das Ringen um einen neuen Standort bzw. um den Verbleib des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim, meiner Meinung nach einseitig darstellt. Die siebenbürgische Seite wird bezichtigt, ihrer Verantwortung bezüglich des Museums nicht gerecht geworden zu sein, die Vertreter der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien werden so dargestellt, als ob ihre Forderung und Meinung bezüglich der Verlagerung des Museums nach Ulm die einzig Richtige gewesen wäre und das Beste für das Museum dargestellt hätte.

Trauer hat mich erfasst, weil Mitarbeiter und Vertreter der bisherigen und jetzigen Bundesbeauftragten für Angelegenheiten der Kultur und Medien (BKM), als Bestimmende über Fördergelder und als Verantwortliche für die bundeseigenen Gegenstände aus der Sammlung des Museums, die Zerschlagung einer wertvollen und traditionsreichen Institution, wie es das Museum in Gundelsheim ist, scheinbar postulieren und akzeptieren. Es hätte bei größerer Kompromissbereitschaft des Bundes mit Sicherheit bessere Lösungen als die im Leserbrief angegebene gegeben.

Zu der angeschnittenen Problematik möchte ich einige Ideen äußern:
1. Dr. Martens erwähnt mit keinem Wort, dass die Verlagerung des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim nach Ulm ein Beschluss und eine Forderung waren, die in der „Konzeption zur Kulturförderung nach § 96 BVFG-Stand 20.5.1999“ aufgestellt waren. Dort ist auf Seite 7 zu lesen: „Das Siebenbürgische Museum Gundelsheim wird in das Donauschwäbische Zentralmuseum Ulm überführt“. Überführen bedeutete damals, dass in dem Gebäude mit dem Firmenschild „Donauschwäbisches Zentralmuseum“, irgendwo eine Abteilung „Siebenbürgen“ gewesen wäre (oder die siebenbürgisch-sächsischen Kunstgegenstände thematisch zusammen mit jenen des donauschwäbischen Raumes ausgestellt worden wären).

2. Nicht die absinkenden Besucherzahlen haben die Forderung nach einer Verlagerung ausgelöst, sondern die oben genannte „Konzeption“. Die absinkenden Besucherzahlen wurden später vom Bund als Begründung für die Notwendigkeit der Verlagerung vorgeschoben. Es ist nie ein Vergleich der Besucherzahlen aus Gundelsheim mit anderen Vertriebenenmuseen gemacht worden. Eine gutachtliche Untersuchung über die zu erwartenden Besucherzahlen in Ulm hat es nicht gegeben. Die Besucherzahlen in Ulm hätten ja auch geringer als die Zahlen für Gundelsheim sein können.

3. Die Überführung des Siebenbürgischen Museums in eine Einheit mit dem „Donauschwäbischen Zentralmuseum“ in Ulm hätte das Ende der Wahrnehmung siebenbürgisch-sächsischer Kultur in dem Museum in Ulm bedeutet. In der Donaubastion wäre für einen auswärtigen Besucher alles vermischt, verschwommen und im Endeffekt „donauschwäbisch“ gewesen.

4. Die Überführung des Siebenbürgischen Museums in das „Donauschwäbische Zentralmuseum“ hätte das Museum juristisch unter das Dach einer Stiftung gebracht. Das hätte das Ende der Eigenständigkeit des Trägervereines unter siebenbürgisch-sächsischer Leitung bedeutet. Man hätte mit einer Zustimmung zur Verlagerung den Willen aller missachtet, die in den Jahren 1960 –1990, als das Museum noch nicht durch den Bund gefördert wurde, Schenkungen für den Standort Gundelsheim gemacht haben.

5. Die Verlagerung nach Ulm in ein eigenes Gebäude wurde lange Zeit durch das Fehlen eines geeigneten Objektes verhindert. Das Angebot des Bundes, in Ulm einen Neubau für 9 Millionen DM zu finanzieren, bestand nur ca. zwei Monate! Als die siebenbürgisch-sächsischen Institutionen Anfang Mai 2002 einen Vorschlag machten, in Heidelberg ein vorhandenes Gebäude zu erwerben, zog der Bund Ende Mai 2002 seine Zusage zur Bereitstellung von 9 Millionen DM zurück! Das war für mich der Beweis, dass man unbedingt die Verlagerung nach Ulm gewünscht hat. Damit hat der Bund die Chance vertan, einen allgemein akzeptierten Standort in Heidelberg, dessen Realisierung finanziell günstiger gewesen wäre wie ein Neubau in Ulm, zu erhalten.

6. Der Trägerverein des Museums und der Kulturrat haben sich intensiv um eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Bundesbeauftragten für Kultur und Medien bemüht. Sie haben das in vollster Verantwortung für den Erhalt des siebenbürgisch-sächsischen Kulturgutes getan. Man war kompromissbereit bezüglich des Standortes, wollte aber die Einheit des Kulturzentrums (Siebenbürgisches Museum, Siebenbürgen-Institut und Siebenbürgisches Archiv am selben Standort) erhalten. Leider hat der Bund auf der Verlagerung des Siebenbürgischen Museums nach Ulm bestanden und auch Druck diesbezüglich ausgeübt.

7. Die BKM-Mitarbeiter standen und stehen mit ihrer Haltung bezüglich der Verlagerung des Museums nach Ulm im Gegensatz zur baden-württembergischen Landesregierung (Ministerpräsident Erwin Teufel hat sich wiederholt für den Verbleib in Gundelsheim ausgesprochen), zu allen siebenbürgisch-sächsischen Betroffenen (Kulturrat, Honterusverein, Trägerverein des Museums), zur Stadt Gundelsheim, zum BdV-Landesverband Baden-Württemberg und vor allem im Gegensatz zu der Meinung des Großteils der Mitglieder der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen.

8. Die von Dr. Martens im Leserbrief gemachte Aussage „Ein Siebenbürgisches Museum, das diesen Namen verdient, wird es in Gundelsheim künftig nicht mehr geben“ ist meiner Meinung nach nicht endgültig. Sollte diese Situation doch eintreten, haben sie nicht die Siebenbürger Sachsen zu verantworten. Es hat sich Kulturpolitik mit der Brechstange durchgesetzt.

9. Folgende Situation müsste eigentlich für die Bundesregierung beschämend sein: Die rumänische Regierung stellt dem Brukenthalmuseum in Hermannstadt die Rückgabe wertvoller, ehemals sächsischer Kunstschätze in Aussicht (siehe Seite 5 der Siebenbürgische Zeitung vom 31. März 2003), während gleichzeitig die Vertreter der Bundesbeauftragten für Angelegenheiten der Kultur und Medien sich dafür einsetzen und anstrengen, die Sammlung des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim zu zerschlagen, dieses als „Steinbruch“ zu benützen, um die Sammlungen von Museen in Berlin und in Ulm zahlenmäßig und inhaltlich aufzuwerten.

Alfred Mrass, Sachsenheim


Weitere Artikel zum Thema Siebenbürgisches Museum:

Totgesagte leben länger, Siebenbürgische Zeitung-Online, 12. April 2003

Siebenbürgisches Museum existenziell bedroht, Siebenbürgische Zeitung-Online, 22. Februar 2003

Förderverein Siebenbürgisches Museum gegründet, Siebenbürgische Zeitung-Online, 22. November 2002

Nach den Bundestagswahlen: Zuversicht in Gundelsheim, Siebenbürgische Zeitung-Online, 12. Oktober 2002

Gemeinsame Lösung für Siebenbürgisches Museum angestrebt, Siebenbürgische Zeitung-Online, 9. März 2002

Neue Intervention für Kulturzentrum Gundelsheim, Siebenbürgische Zeitung-Online, 11. Januar 2002

Kulturzentrum in Gundelsheim als Einheit erhalten, Siebenbürgische Zeitung-Online, 24. November 2001

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