11. Juni 2003

Volker Dürr: Für ein offenes Europa

Bundesvorsitzender Volker E. Dürr hat in seiner Festrede beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl am 8. Juni die Zuversicht geäußert, dass „Europa durch die Öffnung der Grenzen im buchstäblichen wie im übertragenen-Sinne die Feindseligkeiten und Borniertheiten der Vergangenheit endgültig überwindet“. Die Erfahrungen der friedlichen Koexistenz, wie man sie in Siebenbürgen lernte, und die über Jahrhunderte bewahrte Zugehörigkeit der Siebenbürger Sachsen zum deutschen Kulturkreis ermöglichten es, „uns ohne Identitätsverlust in Deutschland einzugliedern, und können uns auch in dem zusammenwachsenden Europa sehr nützlich und hilfreich sein“, betonte der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen bei der Festkundgebung vor der Schranne. Dürr dankte Bundesinnenminister Otto Schily, der sich kürzlich für eine weitere staatliche Förderung des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim ausgesprochen hatte. Dürrs Begrüßung und Ansprache in Dinkelsbühl werden im Wortlaut wiedergegeben.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Landsleute,
zur Tradition unseres Heimattages gehört die Pfingstandacht, und wir alle hier danken Herrn Bischofsvikar Prof. Dr. Hans Klein dafür, dass er sie mit uns gemeinsam gestaltet hat. Wir freuen uns auch über die herzlichen Grüße der Heimatkirche, die sich unter der tatkräftigen Leitung unseres Sachsenbischofs Dr. Christoph Klein für das Fortbestehen unserer siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft in Siebenbürgen, unserem Herkunftsgebiet, einsetzt. Alle, die wir uns in Dinkelsbühl festlich versammelt haben, bitten Sie, sehr geehrter Prof. Klein, die Botschaft dieses Heimattages, verbunden mit den besten Wünschen und Grüßen, nach Siebenbürgen zu tragen und unserer Heimatkirche und den dort lebenden Siebenbürger Sachsen zu übermitteln.

Bundesvorsitzender Volker E. Dürr während seiner Festrede am Pfingstsonntag in Dinkelsbühl. Foto: Günther Melzer
Bundesvorsitzender Volker E. Dürr während seiner Festrede am Pfingstsonntag in Dinkelsbühl. Foto: Günther Melzer

Im Namen meiner hier versammelten Landsleute und unserer Gäste darf ich als Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland alle Bürgerinnen und Bürger der großen Kreisstadt und ehemals freien Reichsstadt Dinkelsbühl, unter Ihnen besonders Oberbürgermeister Otto Sparrer mit Gattin, sowie seine Vorgänger im Amt, Dr. Friedrich Höhenberger und Prof. Dr. Jürgen Walchshöfer und außerdem alle hier vertretenen Mitglieder des Rates dieser gastfreundlichen Stadt sehr herzlich begrüßen.

52 Jahre Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl sind nicht nur ein Symbol des Zusammenhalts der Siebenbürger Sachsen auf der ganzen Welt, sondern auch ein Bekenntnis zu gewachsenen Bindungen, zur Partnerschaft zwischen der Stadt Dinkelsbühl und der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen. Gemeinsam hoffen wir, dass auf der Grundlage dieser fast 20 Jahre alten Partnerschaft die noch recht jungen gemeinsamen Initiativen zur Schaffung einer neuen, weiteren Partnerschaft zwischen Dinkelsbühl und Schäßburg erfolgreich sein werden. Dem Gelingen dieses Brückenschlages ist auch der Verband der Heimatortsgemeinschaften der Siebenbürger Sachsen verpflichtet, der den heurigen Heimattag mit ausgerichtet hat.

Unter dem Motto „Partner in Gemeinschaft" sind wir alle aufgerufen, unsere Erfahrungen des Zusammenhalts und der Unterstützung weiterzutragen und Partner zu sein für alle friedliebenden Völker in Europa und darüber hinaus. Unserem Selbstverständnis entsprechend werden wir auch weiterhin versuchen, die historischen Erfahrungen von Solidarität und Zusammenhalt nach innen sowie Toleranz nach außen einzubringen.

Meine Damen und Herren, ganz besonders herzlich begrüße ich die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Susanne Kastner, die an vorderster Stelle mit den Fragen der Aussiedleraufnahme, Aussiedlereingliederung und Hilfe zur Selbsthilfe in den Herkunftsgebieten besonders vertraut ist. Ich danke Ihnen, sehr geehrte Frau Vizepräsidentin, dass Sie unserer Einladung, als Ehrengast und Rednerin am diesjährigen Heimattag teilzunehmen, gefolgt sind und hoffe, dass Sie uns auch weiterhin bei der Fortführung unserer Hilfsmaßnahmen nach Siebenbürgen / Rumänien unterstützen, insbesondere auch vor dem Hintergrund des über zehnjährigen Bestehens des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien geschlossenen „Vertrages über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa".

Ich begrüße aufs herzlichste Frau Dr. Annette Schavan, Ministerin für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg und danke Ihnen, sehr geehrte Frau Schavan, auch im Namen unserer landsmannschaftlichen Landesgruppe Baden-Württemberg für Ihr Kommen und die bisherige tatkräftige Unterstützung Ihres Bundeslandes bei der Aufnahme und Eingliederung meiner über 100 000 Landsleute in Ihrem schönen Bundesland. Wir alle sind Ihnen, sehr geehrte Frau Dr. Schavan wie auch der baden-württembergischen Landesregierung dafür dankbar, dass Sie mit der Ernennung von Staatssekretär Heribert Rech zum Aussiedlerbeauftragten der Landesregierung einen exzellenten Sachkenner berufen haben, jemanden, der um die Probleme der Siebenbürger Sachsen in Deutschland weiß und dem unsere Belange am Herzen liegen.

Herzlich willkommen heiße ich seine Exzellenz Mihai Vierita, Botschafter Rumäniens, und Generalkonsul Mihai Botorog mit Gattin. Wir alle werden Sie bei Ihren Bemühungen zur Aufrechterhaltung der kulturellen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den verschiedenen Ländern, in denen Siebenbürger Sachsen heute leben, im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens in Europa und der ganzen Welt gerne unterstützen.

Als aktiven Ehrengast unseres diesjährigen Heimattages darf ich Prof. Dr. Ioan Opris, Staatssekretär im Ministerium für Kultur und Kultus in Bukarest, und Dr. Thereza Sinigalia, persönliche Beraterin des Kulturministers, sehr herzlich begrüßen und Ihnen, sehr geehrter Herr Staatssekretär, dafür danken, dass Sie nicht nur als einer der Wegbereiter, sondern auch als Vertreter Rumäniens das Protokoll für die kulturelle Zusammenarbeit zwischen dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat e.V. und dem Ministerium für Kultur und Kultus Rumäniens im Rahmen der gestrigen Festveranstaltung in der St. Pauls-Kirche in Dinkelsbühl unterzeichnet haben.

Meine Damen und Herren, ich freue mich ganz besonders, dass wir gestern in unserer Mitte unseren Landsmann Norbert Kartmann, den Landtagspräsidenten des Landes Hessen, begrüßen durften. Aufs allerfreundschaftlichste begrüße ich in unserer Mitte Herrn Ministerialdirigent Frank Willenberg, Vertreter des Bundesministeriums des Innern. Bitte übermitteln Sie allen verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Hauses unseren herzlichen Dank für Ihr vorbildliches Engagement bei der Aufnahme und Eingliederung unserer Landsleute hier in Deutschland.

Unsere Freunde aus der seit 1983 bestehenden und 1993 erweiterten Föderation der Siebenbürger Sachsen begrüße ich hiermit namentlich sehr herzlich: Es sind dies Dr. Paul Jürgen Porr, der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Siebenbürger Sachsen in Rumänien und Herr Magister Volker Petri, Obmann der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Österreich. Den heuer leider nicht anwesenden landsmannschaftlichen Vorsitzenden aus Kanada und den USA, Herrn Jon Werner und Herrn David Bokesch, die an ihrem diesjährigen Heimattag in Almer/Waterloo das 40-jährige Bestehen der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada begehen, danke ich für die übermittelten Grußbotschaften.

Meine Damen und Herren, wir grüßen unsere siebenbürgisch-sächsischen Heimatortsgemeinschaften, ihren Vorsitzenden Michael Konnerth, seine Stellvertreter und Vorstandsmitglieder, Brauchtums- und Kulturgruppen, die sich als Mitausrichter unseres diesjährigen Heimattages hier in Dinkelsbühl vorbildlich beteiligen. Unter Ihnen befinden sich natürlich sehr viele Mitglieder unserer landsmannschaftlichen Gliederungen aus Kreis- und Landesgruppen, für deren vielfältiges Engagement ich an dieser Stelle besonders herzlich danke.

Mein partnerschaftlicher Gruß gilt dem stets an unseren Heimattagen engagierten Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und Evangelischen Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD mit ihrem Vorsitzenden Kurt Franchy und unserem Sozialwerk unter dem Vorsitz von Peter Pastior sowie allen weiteren Mitgliedern des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates und dessen Vorsitzenden, Dr. Christoph Machat. Ich begrüße Dr. Wilhelm Bruckner als Ehrenvorsitzenden der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen und Rainer Lehni, den Vorsitzenden unserer siebenbürgisch-sächsischen Jugendorganisation. Ich danke allen aktiven Teilnehmern aus Jugend-, Kreis- und HOG-Gruppen, die unter der verantwortlichen Leitung von Hannelore Scheiber, Thorsten Schuller und vielen anderen zum Gelingen dieses herrlich bunten Trachtenzuges beigetragen haben.

Der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Herr Bürgermeister Klaus Johannis, bedauert, die Teilnahme am diesjährigen Heimattag absagen zu müssen und schreibt weiter: „Auf diesem Wege wünsche ich dem Heimattag ein gutes Gelingen und Ihnen sowie der gesamten Leitung der Landsmannschaft weiterhin Erfolg.“

Motto "Partner in Gemeinschaft"

Meine Damen und Herren, liebe Landsleute!
Zum sichtbaren Zeichen siebenbürgisch-sächsischer Gemeinschaft organisiert die Landsmannschaft- in diesem Jahr partnerschaftlich unterstützt vom Verband der Heimatortsgemeinschaften - den Heimattag der Siebenbürger Sachsen. Seit 1951 vereint er zu Pfingsten in festlichem Rahmen etliche Tausend Siebenbürger Sachsen und deren Freunde und Förderer aus aller Welt in unserer Partnerstadt Dinkelsbühl.

Unter dem Motto „Partner in Gemeinschaft" wollen wir mit unserem diesjährigen Pfingsttreffen ein Zeichen des Gemeinsinns setzen, den die Siebenbürger Sachsen nicht nur einst im Karpatenbogen geübt haben, sondern auch in ihrer neuen Heimat praktizieren, zwischen Jung und Alt, zwischer Starken und Schwachen, zwischen Landsmannschaft und Heimatortsgemeinschaften, zwischen den verschiedenen siebenbürgischen Einrichtungen in der ganzen Welt. Die Siebenbürger Sachsen sind zudem fähig und willens, aus der Erfahrung ihrer Jahrhunderte alten Rolle als Vermittler zwischer Ost und West heraus auch heute dem partnerschaftlichen Dialog und Brückenschlag im zusammenwachsenden Europa zu dienen. „Fraglos" schreibt Adolf Muschg, „ist uns Europa nur als Erinnerungs- und Erfahrungsgemeinschaft bewusst mit der Besonderheit, dass es Erinnerungen sind, die uns gründlich genug trennen mussten, bevor sie uns verbanden."

In einer Welt, in der es trotz vorsichtiger Annäherungs- und Entspannungspolitik wieder kriegerische Auseinandersetzungen gibt, von denen wir alle in Mitleidenschaft gezogen werden, sind Eigenschaften wie Einsicht und Bereitschaft zu gemeinsamem und partnerschaftlichem Handeln erst recht gefragt und müssen gefördert und gestärkt werden.

Integration ohne Identitätsverlust

Meine Damen und Herren, liebe Landsleute, in Siebenbürgen, einem Land von mindestens drei Nationen und mindestens vier Religionen wurde bereits sehr früh und lange Zeit Toleranz gelebt. Unsere Erfahrungen der friedlichen Koexistenz, wie man sie dort lernte, und unsere über Jahrhunderte bewahrte Zugehörigkeit zum deutschen Kulturkreis machten es uns möglich, uns ohne Identitätsverlust in Deutschland einzugliedern und können uns auch in dem zusammenwachsenden Europa sehr nützlich und hilfreich sein.

Die Solidarität der deutschen Nachkriegsgesellschaft manifestierte sich in dem vor 50 Jahren am 19.05.1953 vom ersten Deutschen Bundestag verabschiedeten „Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge", das schon damals in der Presse als „Magna Charta" gepriesen wurde. Das seit nunmehr einem halben Jahrhundert geltende Bundesvertriebenengesetz regelt die Kriegsfolgenrechte der Vertriebenen, der Heimatvertriebenen, der Aussiedler und heute der Spätaussiedler und bot bzw. bietet damit auch weiterhin den verlässlichen rechtlichen Rahmen für die Integration.

Das Bundesvertriebenengesetz konkretisierte die verfassungsrechtliche Bestimmung des Artikels 116. Die Bundesrepublik bekannte sich damit zu ihrer Verantwortung nicht nur für die Deutschen aus den Ostgebieten des Reiches, sondern auch für das Schicksal der in Ost-, Mittelost- und Südosteuropa sowie Mittelasien lebenden deutschen Minderheiten. Es wurde bewusst als reaktives Gesetz konzipiert: Es gab Antworten auf die bestehende Vertreibungssituation, ohne eigene Zielsetzungen zu Umfang und Art des Flüchtlingsstroms zu verfolgen. Lastenausgleichsgesetz und Bundesvertriebenengesetz gehören zusammen: Gemeinsam sind sie Ausdruck für die große Solidarität der im Bundesgebiet ansässigen Deutschen mit den vertriebenenVolksdeutschen. Ich denke, hierfür können wir uns gegenseitig Dank aussprechen. Für die erfolgreiche Eingliederung in die Nachkriegsgesellschaft stellte das Bundesvertriebenengesetz den notwendigen rechtlichen Rahmen. Die eigentliche Aufbau- und Eingliederungsarbeit aber haben die Vertriebenen und Flüchtlinge selbst leisten müssen. Damit haben sie sich hohes Ansehen und Respekt erworben.

Landsmannschaft hat den Weg in das gesellschaftliche Leben geebnet

An dieser Stelle, sehr geehrte Frau Bundestagsvizepräsidentin Kastner und sehr geehrte Frau Kulturministerin Dr. Schavan, ist dem Bund der Vertriebenen und seinen Mitgliederorganisationen, zu denen auch die Landsmannschaften gehören, für die große Unterstützung bei der über Jahrzehnte währenden Eingliederungsarbeit zu danken. Ohne die soziale Beratung und Betreuung durch unsere Vertriebenenorganisationen hätten Millionen Menschen ihren Weg in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben Deutschlands nicht gefunden. Das gilt für die Vertriebenen und Kriegsflüchtlinge, und es gilt genauso für die Aussiedler und Spätaussiedler.

Besonderer Dank gilt hier auch den verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesinnenministeriums, ohne deren jahrzehntelanges Engagement das Bundesvertriebenengesetz seine Wirkung nicht hätte entfalten können.

Wir sind dankbar dafür, dass auch 50 Jahre nach dem Stalin-Dekret in der Bundesrepublik Deutschland keine Abschlussgesetzgebung für Spätaussiedler geplant ist, sondern in dem wieder ins parlamentarische Verfahren eingebrachten Zuwanderungsgesetz weiterhin an der Kriegsfolgenschicksalsvermutung festgehalten wird. Neben der Akzeptanz und der Solidarität mit Aussiedlern ist auch weiterhin ihre Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland zu fordern, wobei Härten wie Familientrennung und Abschiebung vermieden werden müssen. Hierzu gehört auch, dass die vor einigen Jahren zu unrecht eingeführte 40-%-Kürzung der Fremdrentenanteile von Aussiedlern aus den GUS und den südosteuropäischen Staaten nicht erst nach der hoffentlich für uns positiven Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurückgenommen wird. Gerade die Aussiedler haben seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wesentlich mit dazu beigetragen, dass hier ein wirtschaftlich solides, sozial ausgewogenes und kulturell bereichertes demokratisches Gemeinwesen entstanden ist, und auch durch die Zuwanderung im letzten Jahrzehnt haben Aussiedler dazu beigetragen, dass in dem vereinigten Deutschland kein Wohlstandsverlust eingetreten ist.

Otto Schily für Erhalt des Siebenbürgischen Museums

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine besondere Erwähnung verdient die Vorschrift des § 96 des Bundesvertriebenengesetzes. Sie betrifft die Pflege des Kulturgutes und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Mit diesem Paragraphen haben Bund und Länder 1953 die Verpflichtung übernommen, das kulturelle und historische Erbe der ehemaligen deutschen Ostprovinzen Pommern, Schlesien, Ostbrandenburg, Ost- und Westpreußen sowie der historischen Siedlungsgebiete in Ost-, Mittelost- und Südosteuropa zu sichern und zu bewahren. In diesen Gebieten befinden sich Zeugnisse deutscher Kultur von unschätzbarem Wert. Sie müssen für kommende Generationen im In- und Ausland erhalten werden. Ich bin Herrn Otto Schily, unserem Bundesminister des Inneren, besonders dafür dankbar, dass er anlässlich seiner Auszeichnung mit der Wenzel Jaksch-Medaille des BdV am 06.05.2003 in Berlin auf die Notwendigkeit und die Verpflichtung des Bundes hingewiesen hat, dem Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim auch zukünftig staatliche Förderung zu gewähren. Das muss und wird auch weiterhin durch den § 96 sichergestellt werden.

So sind auch unsere Verbände und Institutionen mit dem als Brückenkopf nach Osteuropa wirkenden Siebenbürgischen Kulturzentrum in Gundelsheim bereit, mit der Kulturbeauftragten der Bundesregierung ein gemeinsames Umsetzungskonzept zur Kulturförderung gemäß § 96 BVFG zu entwickeln, das es sowohl den wissenschaftlich Interessierten als auch unseren vielen ehrenamtlich tätigen Aussiedlern wieder möglich macht, die vom Deutschen Bundestag geforderte Brückenfunktion aktiv wahrzunehmen.

Neues Europa muss sich an humanistisch-demokratischen Grundsätzen orientieren

Ich bin Ihnen, sehr geehrter Herr Staatssekretär Prof. Dr. Ioan Opris, außerordentlich dankbar dafür, dass es nach vielen Anläufen nunmehr gelungen ist, zwischen Rumänien und dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat ein Kulturabkommen im Rahmen der gestrigen Festveranstaltung in der St. Pauls-Kirche zu unterzeichnen. So werden wir uns auch weiterhin am Fortgang des europäischen Einigungsprozesses aktiv beteiligen. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass die viel zitierte europäische Wertegemeinschaft aus einer Jahrhunderte alten Tradition humanistisch-demokratischer Denkansätze erwächst. Daran muss sich die Staatswerdung Europas orientieren und daran muss sich auch der Umgang der beitrittswilligen Staaten mit ihren Minderheiten messen lassen. Auf der Grundlage des am 21. April 1992 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien geschlossenen „Vertrages über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa" und des am 16. Mai 1995 geschlossenen „Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Rumänien über kulturelle Zusammenarbeit" erhoffen wir uns auch weiterhin Unterstützung bei der Stabilisierung der deutschen Minderheit in Rumänien, deren Überleben nach unserer Überzeugung nur durch einen gesicherten Minderheitenschutz und die Wiederherstellung ihrer kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen möglich sein wird. Nur so können wir gemeinsam an dem Versöhnungswerk teilnehmen, das uns in Europa aufgetragen ist.

Die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland ist mit ihrer selbstständigen Jugendorganisation weiterhin darum bemüht, das mit unseren Landsleuten in Kanada, USA, Österreich und Siebenbürgen geschaffene Netzwerk der Partnerschaften innerhalb der Föderation der Siebenbürger Sachsen weiter auszubauen. Unsere jungen Menschen wollen unser siebenbürgisch-sächsisches Kulturerbe, das Teil des deutschen und damit europäischen Kulturgutes ist, in allen Ländern, in denen Siebenbürger Sachsen leben, pflegen und lebendig erhalten. In diesem Sinne werden wir in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Heimatortsgemeinschaften uns auch weiterhin für die Gründung und den weiteren Ausbau bestehender bzw. auch zukünftiger Städtepartnerschaften wie z.B. denen zwischen Landshut und Hermannstadt, Dinkelsbühl und Schaßburg und vielen anderen aktiv einsetzen.

Das neue Europa, das den europäischen Osten mit einbezieht, hat auch und vielleicht sogar zuallererst den geistig-kulturellen Auftrag, die reiche Vielfalt Europas, welche durch die totalitären Systeme des Nationalsozialismus und des Stalinismus verwüstet und eingeebnet worden war, wieder entstehen zu lassen. Ein großer Teil der einzigartigen mittel- und osteuropäischen Kultur ist unter der Schreckensherrschaft Hitlers und Stalins und in der Katastrophe des zweiten Weltkrieges im vergangenen Jahrhundert unwiederbringlich verlorengegangen. Wir dürfen aber die Hoffnung, ja viel mehr noch, die Zuversicht haben, dass das neue Europa durch die Öffnung der Grenzen im buchstäblichen wie im übertragenen-Sinne die Feindseligkeiten und Borniertheiten der Vergangenheit endgültig überwindet. Dann kann der Kulturraum Europa neuen Glanz und neue Substanz gewinnen.

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass wir aus der Schaffenskraft und der Solidarität der Menschen, denen Deutschland zu einer liebens- und lebenswerten Heimat geworden ist, die notwendige Stärke gewinnen, um gemeinsam unsere Zukunft in einem Europa zu gestalten, dass in Frieden und Freiheit zusammenwächst. Mögen die Veranstaltungen, Ausstellungen und Begegnungen dieses Heimattages uns und unseren Gästen und selbstverständlich den Bürgerinnen und Bürgern unserer Partnerstadt Dinkelsbühl auch weiterhin viel Freude und Ermutigung schenken. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und darf nunmehr unseren Ehrengast, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Frau Susanne Kastner, um ihre Ansprache bitten.

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