3. Juli 2003

Hommage an Rudolf Wagner-Régeny in Dinkelsbühl

„Peter, du bist der Star am heutigen Tag!“ Überschwang lag in diesem Ausruf des frisch gekürten Kulturpreisträgers Peter Jacobi, der spontan ans Mikrofon geeilt war. Eben hatte Peter Szaunig die letzten Harmonien seiner Hommage an Rudolf Wagner-Régeny (1903-1969) gespielt. Eine Neukomposition zu dessen 100. Geburtstag.
Wie am Samstag, anlässlich der Festveranstaltung zur Unterzeichnung des Protokolls der Zusammenarbeit zwischen dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat e.V. und dem rumänischen Kulturministerium, so gestaltete Peter Szaunig am Klavier gemeinsam mit dem Bariton Michael Kreikenbaum auch am Pfingstsonntag den musikalischen Rahmen der Preisverleihung in der Sankt Paulskirche zu Dinkelsbühl. Am „Schimmel“ sitzend, brachte der Pianist Feststimmung ins gut gefüllte Kirchenschiff.

Rudolf Wagner-Régeny im letzten Lebensjahr. Foto: Hans Pölkow
Rudolf Wagner-Régeny im letzten Lebensjahr. Foto: Hans Pölkow

Fast auf den Tag genau vor 100 Jahren, am 28. August 1903, erblickte der Komponist Rudolf Wagner-Régeny in Sächsisch-Regen das Licht der Welt. Aus diesem Anlass finden vielerorts in Deutschland, wie in Berlin, Dresden oder Leipzig, Jubiläumsveranstaltungen statt, oft auf Initiative ehemaliger Meisterschüler. Ganz ohne Zweifel wird der verstorbene Tonkünstler in diesem Gedenkjahr zu Recht als der bedeutendste musikdramatische Komponist Siebenbürgens gewürdigt, in dieser Zeitung zuletzt in einem Gespräch, das Dr. Franz Metz mit dem Musikpädagogen und Musikwissenschaftler Peter Szaunig geführt hat (Folge 9 vom 31. Mai, Seite 8). Der heute in Eichenau bei München lebende, gebürtige Kronstädter feierte vor kurzem sein 70. Wiegenfest. Anlässlich des Wagner-Régeny-Jubiläumsjahres hat Szaunig eine CD (in „true 20 bit“-Qualität digitalisiert von der italienischen Plattenfirma Real Sound) mit historischen Aufnahmen, aber auch mit von ihm selbst eingespielten Werken des nordsiebenbürgischen Komponisten realisiert. Er sei sehr glücklich, denn diese CD enthalte, neben den historischen Interpretationen „eines komponierenden Pianisten allerhöchsten Ranges“, erstmals eine repräsentative Auswahl des noch fast unbekannten, 140 Seiten starken Klavierwerks von Wagner-Régeny.

Beispiele aus Wagner-Régenys Liedschaffen und Klavierwerk kamen nun in Dinkelsbühl zur Aufführung: am Pfingstsamstag „Zwei Tänze für Palucca“, die beiden Hermann-Hesse-Lieder für Bariton und Klavier „Nun blühet die Welt nicht mehr“ und „Beim Schlafengehen“, die drei Lieder zu Brecht-Texten „Der Rattenfänger von Hameln“, „Vom Glück des Gebens“ und „Ulm 1592“, die Stücke „Le coq au vin“ und „L’étoile verte“, am Sonntag dann im Rahmen der Preisverleihung die Fontane-Lieder für Bariton und Klavier „Trost“, „Die Frage bleibt“ und „Ausgang“ (allesamt aus dem Sterbejahr des Komponisten), das Klavierstück „Requiem“ (1965) sowie – als Uraufführung – Szaunigs neue Komposition „In Memoriam Rudolf Wagner-Régeny“, Fugato und Passacaglia auf ein 12-Ton-Thema. Wie im Titel bereits anklingt, entstand dieses Stück als Huldigung an den Komponisten und Humanisten Rudolf Wagner-Régeny, in Anlehnung an dessen 1965 komponiertes Klavierlied „Requiem“, das sinnigerweise im Programmverlauf vorab zu hören war.

Peter Szaunigs Hommage an Rudolf Wagner-Régeny im Dinkelsbühl. Foto: Günther Melzer
Peter Szaunigs Hommage an Rudolf Wagner-Régeny im Dinkelsbühl. Foto: Günther Melzer

Szaunig wählte bewusst die Fuge mit Passacaglia als „eine von Wagner-Régeny bevorzugte, nach strengen Formprinzipien aufgebaute Schreibweise“, denn, so hatte dieser einmal geäußert, die Fuge ermögliche es am ehesten, „auf anständige und geschmackvolle Art alle Register unseres Gefühls zu ziehen“. In dem Zwölfton-Thema, das Szaunig „als Sinnbild universeller Klangstruktur“ versteht, finden sich zu Beginn wie in den Schlussharmonien des „Dona eis requiem. Amen“ Zitate aus Wagner-Régenys „Requiem“. Die „Flucht“ mit streng komponiertem Fugenkopf mündet in einen Kanon; dessen Choralverbindung fließt ungestaut in dichte Passacaglia-Variationen. Jäh brechen die romantisch improvisierten Gefühlsregungen ab, so als würden die Hände zum Gebet gefaltet: „Schenke den Toten ewige Ruhe.“ Memento-haft besänftigen Wagner-Régenys Harmonien die Wellen im Amen, einer demütigen Mollterz. Im Letzten noch ertastet Szaunig die Hoffnung tief religiösen Erlösungsglaubens. Als wollte das in den Kirchenchor einfallende, milde Sonnenlicht diesen frohen Schimmer bestätigen. Szaunigs leidenschaftlicher Vortrag fand anhaltenden Applaus. In Klammern gefügt, sah man geflissentlich hinweg über die ungünstige, hallenartige Akustik und den dumpf klingenden „Schimmel“ (Szaunig vermochte ein piano nur mittels des zweiten Pedals, nicht über den Tastenanschlag zu spielen). „Schuld“ daran, dass diese Eigenkomposition nicht auf der neuen CD eingespielt wurde, sei deren romantisierender Ausdruck, erklärt Szaunig. Durchaus nachvollziehbar. Allzu vehement hatte sich Rudolf Wagner-Régeny in seiner eigenen Klangsprache von romantischen Einflüssen distanziert.

Christian Schoger


Bestelladresse für die CD „Klavierwerke Rudolf Wagner-Régeny. Historische Aufnahmen des Komponisten und Live-Einspielungen von Peter Szaunig“: Peter Szaunig, Zaunkönigweg 1, 82223 Eichenau, Telefon und Fax: (0 81 41) 81 85 77. Die CD wird ab Juli/August 2003 zum Preis von 15 Euro, zuzüglich Versandkosten, ausgeliefert.

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