4. Juni 2004

Dr. Christoph Hammer: Landsmannschaft hat für Dinkelsbühl viel getan

In seiner "Novizen-Rede" am Pfingstsamstag im Schrannen-Festsaal würdigte der Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Dinkelsbühl, Dr. Christoph Hammer, anlässlich der Eröffnung des Heimattages die Leistungen der Landsmannschaft, gerade im Hinblick auf den ersten großen Entwicklungsschub der Stadt. Hammer dankte den Siebenbürger Sachsen und versicherte ihnen seine Unterstützung auf dem weiteren partnerschaftlichen Weg im zusammenwachsenden Europa. Die Rede wird nachfolgend im Wortlaut wiedergegeben.
Verehrte Ehrengäste, sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich, Sie zu Ihrem Heimattreffen in der historischen Schranne in unserem wunderschönen Dinkelsbühl begrüßen zu dürfen. Besonders möchte ich begrüßen Herrn Europaminister von Rumänien, Alexandru Farcas, und meinen Mit-Festredner, Herrn Abgeordneten und Stellvertretenden Landrat Hagen Jobi - es scheint ja offensichtlich so zu sein, dass er beim nächsten Heimattreffen dann als Landrat begrüßt wird.

Dr. Christoph Hammer, Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Dinkelsbühl, bei seiner Rede anlässlich der Eröffnung des Heimattages am Pfingstsamstag im Schrannen-Festsaal. Foto: Günther Melzer
Dr. Christoph Hammer, Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Dinkelsbühl, bei seiner Rede anlässlich der Eröffnung des Heimattages am Pfingstsamstag im Schrannen-Festsaal. Foto: Günther Melzer
Es ist für mich persönlich eine ganz große Ehre, zwischen zwei so potenten und hochwürdigen Festrednern heute auch eine Rede zu halten. Ich bedanke mich bei Ihnen herzlich, dass Sie mir diesen Rahmen geben. Ich darf darüber hinaus meinen Bürgermeister-Kollegen aus Wiehl begrüßen. Es freut mich ganz besonders, dass Sie uns ein solches Rahmenprogramm bieten. Es ist eine tolle Sache, wenn man überlegt, dass praktisch alle Trachten aus dem Gebiet der Siebenbürger Sachsen heute hier von Ihnen mitgebracht worden sind - für mich äußerst interessant. Und natürlich eine wunderschöne Kinderschar. Der Platz passt auch hervorragend, denn bei unserem historischen Festspiel der Kinderzeche nehmen die Kinder immer genau diesen Platz ein. Dinkelsbühl ist ja als die Stadt der Kinder bekannt und ihr passt ganz hervorragend hier herein. Herzlichen Dank.

Auch möchte ich noch neben der Bürgermeisterin Beck meinen Stadtratskollegen Johann Schuller noch begrüßen, der hier in Dinkelsbühl federführend die Organisation des heutigen Heimattages mit betrieben hat. Herzlichen Dank im Namen der Stadt und im Namen aller Stadträte.

Für mich persönlich, verehrte Damen und Herren, ist es heute eine ganz besondere Ehre, als Oberbürgermeister erstmals diesen ganz besonderen Tag, dieses ganz besondere Pfingsten, das Sie uns jedes Jahr bescheren, mit begleiten zu dürfen. Sie wissen, dass das Heimattreffen der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl mittlerweile eine feste Größe unseres städtischen Veranstaltungskalenders ist. Ich habe vor ungefähr 15 Jahren das erste Mal zufälligerweise bei einem Besuch in Dinkelsbühl zu Pfingsten Ihr Treffen miterlebt, und es war für mich ein bleibendes Erlebnis. Deswegen freut es mich, dass ich ca. 15 Jahre später als Novize hier in dem offiziellen Amt des Oberbürgermeisters Sie heute hier mit begleiten darf. Welche Ehre das ist, dass Sie jedes Jahr zu Pfingsten in unsere Stadt kommen, sehen Sie auch daran, dass es mir erlaubt ist, zu diesem Anlass meine Amtskette zu tragen. Die durfte ich bislang nur einmal tragen. Das war zu meiner Amtseinführung am 6. November. Es ist ein Zeichen der großen Ehrschätzung vor Ihnen, dass ich dies heute wieder tun darf.

Verehrte Damen und Herren, das Thema Ihres diesjährigen Treffens ist "Heimat suchen - Heimat finden". Man könnte auch sagen: Nur wenn man weiß, woher man kommt, wenn man weiß, wo seine Wurzeln sind, weiß man auch, wohin man geht und wo man steht. Bereits im Jahre 1841 hat der Dichter Hoffmann von Fallersleben die drei Begriffe Einigkeit und Recht und Freiheit in sein Lied der Deutschen geschrieben. Damals handelte es sich um einen Wunsch, der sich für sein Vaterlied erfüllen sollte. Fallersleben konnte nicht ahnen, welche turbulente, tragische Geschichte im folgenden Jahrhundert bevorstand. Trotzdem ist zumindestens die dritte Strophe seines Liedes bis heute unsere Nationalhymne geblieben. Auch wenn Deutschland diese drei Werte nicht durchgehend bewahren konnte, hat es sich Einigkeit und Recht und Freiheit inzwischen wieder erarbeitet. Über 150 Jahre nach Entstehen dieses Liedes haben diese drei Begriffe nichts von ihrer Bedeutung verloren. Warum erzähle ich dies? Weil ich finde, dass es zu einem Jahrestag passt, mit dem die Siebenbürger Sachsen 60 Jahre Flucht und Vertreibung gedenken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich hier auch eine ganz persönliche Anmerkung machen als jemand, der, Gott sei's gedankt, niemals dieses Schicksal erleben musste. Ich denke, unabhängig, in welchem Land, welchem Kontinent, welche Ethnie, welche Religion das betrifft, Vertreibung ist niemals die Lösung von Problemen. Vertreibung ist dem Grunde nach ein Unrecht. Es ist unser aller Aufgabe, insbesondere in einem Europa, das zusammenwächst, die Probleme, ob sie nun ethnisch, kulturell, religiös bedingt sind, dort zu lösen, wo sie anfallen. Vertreibung ist immer nur die Lösung eines Problems mit schlimmsten Mitteln und nur für einen kleinen Zeitraum. Wir haben es in allen Bereichen erlebt, wo Vertreibung war, insbesondere auch ethnische Probleme in Jugoslawien, dass bei diesen Problemen, diesen Auseinandersetzungen es unsere ureigenste Aufgabe als Menschen ist, dies dort zu tun, wo diese Konflikte auftreten, in einem Miteinander und nicht in einem Gegeneinander. Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, denke ich auch im Blick auf das gesamte Weltgeschehen, dass es unsere Aufgabe eines zusammenwachsenden Europa ist, die Probleme, die wir in Europa haben, zu lösen und damit ein Vorbild für die gesamte Welt zu geben.

Solche Jahrestage wie der heutige haben stets zwei Aspekte. Einmal ist da natürlich immer das Erinnern, der Blick in die Vergangenheit. Dieser Blick zurück ist wehmütig. Aber ich denke, er kann auch stolz machen und zuversichtlich. Wehmütig, weil Sie die Städte und Dörfer Ihrer Heimat im Karpatenbogen verlassen mussten, weil Sie neue Heimat suchen und schaffen mussten. Stolz, weil Sie diese neue Heimat gefunden haben, ob hier bei uns in Deutschland, Österreich oder gar in Übersee. Sie haben sich Ihren Zusammenhalt bewahrt, Ihre Kultur, Ihre Traditionen, ja sogar Ihre Sprache. Daraus lässt sich Zuversicht schöpfen und dazu haben Sie jeden Grund. Denn kaum eine Gemeinschaft hat wie Sie Gräben überwunden und geholfen, Deutschland und Europa neu aufzubauen. Auf diesen Fundamenten werden die nächsten Generationen weiterbauen. Das ist eine große Verheißung in einer Welt, in der Terror und Unterdrückung oftmals den Sieg davonzutragen scheinen.

Sie, verehrte Damen und Herren, haben unserem Land viel gegeben und mitgeholfen, dass Einigkeit und Recht und Freiheit keine leeren Worthülsen sind. Umgekehrt, und hier darf ich an eine Rede unseres frisch gewählten neuen Bundespräsidenten Horst Köhler anknüpfen: hat Ihnen, hat uns dieses Land viel gegeben. Das gilt natürlich genauso für alle hier im Saal, deren Heimatländer Österreich, USA oder Kanada heißen, und die heute bei uns sind. Wir alle können in Freiheit leben, in einem Rechtsstaat. Und diese freiheitliche Demokratie strahlt auf andere Nationen aus. Das mag uns nicht immer so erscheinen. Gegenwärtig meinen wir vielleicht eher Abneigung zu verspüren. Doch erinnern wir uns an die Zeit nach 1989, an den großen Umbruch in Europa. Das Modell "freiheitliche Demokratie" zog die Völker Osteuropas in seinen Bann und sprengte den Eisernen Vorhang. Viele Ihrer Landsleute kamen nach 1990 zu uns, auch hierher nach Dinkelsbühl.

Meine verehrten Damen und Herren, ich darf dies in Vertretung unserer Gemeinschaft Dinkelsbühl auch sagen im Namen unserer Stadt: Ihre Landsmannschaft hat für die Entwicklung unserer Stadt viel geleistet. Ich habe oftmals gehört: "Wir danken Euch, der Stadt Dinkelsbühl, dass Ihr uns aufgenommen habt." Der Dank gehört auch in die andere Richtung. Die Landsmannschaft, die Siebenbürger Sachsen haben für unsere Stadt viel getan. Sie haben mit Ihrer Landsmannschaft im Wesentlichen den ersten großen Entwicklungsschub in Dinkelsbühl geschultert. Daran erinnert das damals errichtete Baugebiet im Hoffeld, das letztendlich aus dem Siebenbürgischen fast uneingeschränkt alle Namensbezeichnungen trägt. Dafür seitens der Stadt Ihnen allen stellvertretend herzlichen Dank.

Meine verehrten Damen und Herren, auch jetzt wieder zeigt sich der Zusammenhalt der siebenbürgischen Gemeinschaft. Sie gaben wertvolle Hilfestellung bei der Eingliederung. Sie pflegen Traditionen, ohne altbacken zu sein, Sie begleiten kritisch das politische Geschehen. Und wie Sie in der Vergangenheit vielen Landsleuten geholfen haben, sich in der Bundesrepublik Deutschland zurecht zu finden, so leisten Sie heute tätige Hilfe in Rumänien. Sie haben es immer verstanden, nicht nur zu nehmen, sondern auch zu geben. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Und damit sind wir beim Blick in die Zukunft, den Jahrestage stets herausfordern. Dieser Heimattag ist ohne einen Verweis auf das neue, größere Europa nicht denkbar. Seit dem 1. Mai besteht die Europäische Union aus 25 Mitgliedsstaaten. Auch Rumänien, Herr Minister, und das freut uns ganz besonders, wird bald zur Gemeinschaft gehören. Auf die Chancen und Risiken dieser Entwicklung will ich gar nicht weiter eingehen. Wohl aber werden wir der Unterstützung bedürfen, wenn Europa für alle Heimat werden soll, die in Frieden und unter Beachtung der Menschenrechte und demokratischen Grundsätze unter das gemeinsame europäische Dach streben. Es wird im Hinblick auf wirtschaftliche Entwicklung und Stabilisierung der demokratischen Strukturen nicht ohne massive, auch finanzielle Hilfe gehen. Wir müssen aber auch lernen, andere Mentalitäten, Sitten und Gebräuche zu akzeptieren und sie auch gelten lassen. Und hier können wir viel von Ihnen lernen. Auch im neuen Europa müssen wir Heimat suchen und Heimat schaffen.

Die Stadt Dinkelsbühl als die Partnerstadt der Siebenbürger Sachsen wird sich dem Bemühen, den Nachbarn im Osten näher zu kommen, nicht verschließen. So sind erste Kontakte nach Schäßburg geknüpft. Auch hier soll Partnerschaft entstehen, gegenseitiges Vertrauen und Miteinander. Wir wollen dies zusammen mit Ihnen, mit Ihrer Unterstützung gerne angehen. Ich freue mich, hier in diesem offiziellen Rahmen ganz klar zu sagen: Wir stehen zu unseren Freunden und stehen zu Schäßburg, und wir wollen die Bande, die sich schon aufgebaut haben, fördern und weiterentwickeln.

Verehrte Damen und Herren, "ein bloßes Nebeneinander von Menschen ist keine Gesellschaft". Dieses Wort des ehemaligen Stuttgarter Oberbürgermeisters Manfred Rommel spricht diese Gedanken an. Damit will ich schließen. Ich darf Sie nochmals ganz herzlich willkommen heißen zum Heimattag in Dinkelsbühl und darf Ihnen unsere Stadt übergeben. Wir sind stolz, dass Sie da sind. Ich freue mich auf die nächsten Jahre, mit Ihnen gemeinsam den Weg unserer Freundschaft zu begleiten.

Schlagwörter: Dinkelsbühl, Christoph Hammer

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