12. Juni 2004

Preisverleihungen in Dinkelsbühl

In festlichem Rahmen fanden am Pfingstsonntag die diesjährigen Preisverleihungen in der St. Paulskirche zu Dinkelsbühl statt. Geehrt wurden die Siebenbürgisch-Sächsische Bruder- und Schwesternschaft Setterich mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreis, alsdann Christine-Franziska Lapping, Helga Fabritius und Wolfram-Wilhelm Ortius mit dem Ernst-Habermann-Preis, und Dr. Ernst Weisenfeld mit der höchsten Auszeichnung, dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis. Die musikalische Umrahmung des Festaktes gestalteten Hans-Paul Fuss (Trompete) und Christian Orben (Orgel).
Zum Auftakt der gut besuchten Feierstunde erklang die Fuge in D-Dur für Orgel von Johann Sebastian Bach. Daran anknüpfend begrüßte Dr. Fritz Frank, Stellvertretender Vorsitzender des Kulturpreisgerichts, die Veranstaltungsteilnehmer, namentlich den Unterstaatssekretär für Minderheitenfragen der rumänischen Regierung, Ovidiu Gant, die Forumsvertreterin aus Hermannstadt, Ilse Philippi, Pfarrer i.R. Wolfgang Rehner von der ev. Landeskirche A.B. in Rumänien sowie Karl Arthur Ehrmann, Geschäftsführer der Stiftung Saxonia in Kronstadt.

Forschung - Stiftung - Kulturförderung

Träger des diesjährigen Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises ist der Journalist Dr. Ernst Weisenfeld. In seiner Laudatio würdigte Pfarrer i.R. Wolfgang Rehner dessen Lebensleistung, respektive die von ihm vor zwölf Jahren gegründete, den Mädchennamen seiner verstorbenen Frau tragende "Elena-Mureșanu-Stiftung zur Jugendförderung und Altenpflege bei den Deutschen in Rumänien".

Kulturpreisträger Dr. Ernst Weisenfeld. Foto: Günther Melzer
Kulturpreisträger Dr. Ernst Weisenfeld. Foto: Günther Melzer
Der am 21. August 1913 im westfälischen Gevelsberg geborene Weisenfeld, obschon ohne siebenbürgische Wurzeln, hat sich früh mit dem Deutschtum in Rumänien befasst und die "Geschichte der politischen Publizistik bei den Siebenbürger Sachsen" zum Thema seiner Dissertation gemacht. Dessen „besondere wissenschaftliche Leistung in jenen Jahren“ bestehe darin, „dass er nicht allein aus den in Siebenbürgen vorhandenen Quellen schöpfte, sondern im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien die Quellen zur Siebenbürgen-Politik des Kaisers und der zuständigen Regierungsstellen untersuchte und mit den gleichzeitigen publizistischen und politischen Initiativen der Siebenbürger Sachsen verglich“, so Rehner.

Nach Abschluss des Studiums arbeitete Weisenfeld erst als Redakteur im Korrespondentenbüro des "Deutschen Nachrichtenbüros" in Bukarest, nach dem Einmarsch der russischen Armee in leitender Funktion. In Bukarest lernte er auch seine spätere Frau Elena, eine deutschstämmige Bistritzerin, kennen. Nach dem Krieg wechselte Weisenfeld als Frankreich-Korrespondent nach Paris, und wurde durch seine Präsenz in der ARD wie im Westdeutschen Rundfunk einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Weisenfeld verfasste zahlreiche Artikel für bedeutende deutsche Printmedien (u.a. Die Zeit) und mehrere Bücher. 1989 überreichte ihm der damalige Bundesaußenminister Genscher in der deutschen Botschaft in Paris das Große Bundesverdienstkreuz "in Anerkennung seiner journalistischen Leistungen zur deutsch-französischen Verständigung".

Pfarrer Rehner würdigte Weisenfelds Siebenbürgen-Engagement, insbesondere seine Verdienste um das landeskirchliche Schülerheim in der Fleischergasse in Hermannstadt, „dessen Hauptförderer und Begleiter seit 1992 Dr. Ernst Weisenfeld war“. Hier finden heute 52 Schülerinnen und Schüler, mehrheitlich zwischen 15 und 18 Jahren, eine Unterkunft und haben dadurch die Möglichkeit zum Schulbesuch. Zudem erleben sie „eine Gemeinschaft, die sie kulturell und charakterlich formt“. Durch die von Weisenfeld 1991 (nach dem Tode seiner Frau, die zeitlebens "eine innige seelische Beziehung zu ihrer siebenbürgischen Heimat bewahrte") ins Leben gerufene Elena-Mureșanu-Stiftung erwächst dem Schülerheim „großzügige materielle Unterstützung“. Weisenfeld habe einen essentiellen Beitrag geleistet zur Erhaltung deutscher Kultur in Rumänien, schloss der Laudator.

Dr. Weisenfeld skizzierte in seiner Danksagung in einem historischen Exkurs die Etappen von der „deutschen Frage“ im 19. Jahrhundert bis hin zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Teilstaaten und der Einbindung Deutschlands in ein vereintes Europa. Das Fazit des 53. Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreisträgers: „Wir sind ein altes Volk mit vielen Erfahrungen und unbestritten vielen Beiträgen zur Kultur und Zivilisation Europas.“

Gleich drei arrivierte Preisträger

Als musikalisches Intermezzo erklang die Sonate in F-Dur von Roberto Valentino für Orgel und Trompete. Dr. Harald Roth, Leiter der Forschungs- und Dokumentationsstelle für Siebenbürgische Landeskunde des Siebenbürgen-Instituts, würdigte in seiner Laudatio die Träger des Ernst-Habermann-Preises (wird alle zwei Jahre an junge Wissenschaftler und Künstler verliehen). Zuvor aber nahm Dipl.-Ing. Hans-Christian Habermann, Vorsitzender des Stiftungsrates, das 25-jährige Bestehen der Habermann-Stiftung zum Anlass, in wenigen Worten deren Aufgabengebiet zu umreißen und um Unterstützung zu werben.

In diesem Jahr wurden gleich drei Preisträger ausgezeichnet: Dr. Helga Fabritius für ihre Inaugural-Dissertation „Die Honigberger Kapelle. Kunst und Selbstdarstellung einer siebenbürgischen Gemeinde im 15. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte Südosteuropas.“; ferner Christine-Franziska Lapping für ihre Magisterarbeit „Samuel von Brukenthal (1721-1803). Eine Untersuchung zur Geschichte und zum Charakter seiner Sammlung im Hermannstädter Museum.“; schließlich Wolfram-Wilhelm Ortius für seine Diplomarbeit „Rumäniens Tourismus zwischen Tradition und Wandel. Unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen deutscher Siedlungsgeschichte und neuer Tourismusprojekte auf das touristische Potenzial“.



Die Ernst-Habermann-Preisträger 2004, von links nach rechts: Wolfram-Wilhelm Ortius, Christine Franziska Lapping, Laudator Dr. Harald Roth, Dr. Helga Fabritius. Foto: Josef Balazs
Die Ernst-Habermann-Preisträger 2004, von links nach rechts: Wolfram-Wilhelm Ortius, Christine Franziska Lapping, Laudator Dr. Harald Roth, Dr. Helga Fabritius. Foto: Josef Balazs


Der Laudator skizzierte kurz die Arbeitsschwerpunkte der drei Preisträger, angefangen mit der gebürtigen Hermannstädterin Helga Fabritius, die in Tübingen und Heidelberg Kunstgeschichte studierte und sich in ihrer Magisterarbeit mit mittelalterlichen Wandmalereien, insbesondere mit Fresken in siebenbürgischen Kirchenburgen wissenschaftlich auseinandergesetzt hat. Die in Temeswar geborene Christine-Franziska Lapping studierte ebenfalls Kunstgeschichte (in München). Ihre Kenntnisse brachte sie, wie Dr. Roth ausführte, „in eine eingehende Untersuchung der Genese der Brukenthalschen Sammlungen“ ein, wobei sie zu der Feststellung kam, „dass Brukenthal ausdrücklich als Kunstliebhaber und mit einem klaren Bildungsauftrag sammelte“. Der in Mediasch geborene Diplomgeograph Wolfram-Wilhelm Ortius untersuchte in seiner Abschlussarbeit das touristische Potenzial Rumäniens, respektive Siebenbürgens, und widmete sich „in besonderer Weise der Thematik ‚Heimwehtourismus’“. Dem Kultur- und Städtetourismus attestiert Ortius gute Perspektiven. Im Anschluss an die Laudatio nahmen die Preisträger ihre Urkunden entgegen und zum Gruppenbild Aufstellung.

Über 50 Jahre gemeinschaftsstiftend gewirkt

Dem Zwischenspiel der „Sieben französischen Tänze“, Anonyme und von C. Gervais für Orgel und Trompete (Christian und Hans-Paul Fuss), folgte die Verleihung des Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreises 2004. Die Laudatio hielt Inge-Erika Knoll, Pressereferentin der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD). Für herausragende Leistungen im Dienste siebenbürgisch-sächsischer Jugendarbeit verleihen die SJD und Studium Transylvanicum seit 1993 den Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreis, in diesem Jahr an die Bruder- und Schwesternschaft Setterich (BuSS), "in Anerkennung ihres 50-jährigen Wirkens zur Pflege und zum Erhalt siebenbürgisch-sächsischer Kultur in Deutschland".



Verleihung des Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreises 2004, von links nach rechts: Gerald Volkmer (Studium Transylvanicum), Altmagd Andrea Zybarth, Altknecht Michael Hilfenhaus, SJD-Bundesvorsitzender Rainer Lehni. Foto: Josef Balazs.
Verleihung des Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreises 2004, von links nach rechts: Gerald Volkmer (Studium Transylvanicum), Altmagd Andrea Zybarth, Altknecht Michael Hilfenhaus, SJD-Bundesvorsitzender Rainer Lehni. Foto: Josef Balazs.


Die Laudatorin erinnerte an die Umstände der Gründung der BuSS im Kontext der Umsiedlung von zunächst 200 Nordsiebenbürger Sachsen im Frühjahr 1953 von Österreich nach Setterich ins Aachener Kohlerevier. Um "in der Fremde ein Stück Heimat zu schaffen und der Jugend den entsprechenden Rahmen zu bieten, siebenbürgische Gemeinschaft zu erfahren", so Knoll, wurde auf Initiative des Settericher Kreisgruppenvorsitzenden Edmund Schneider am 3. Oktober 1954 die BuSS aus der Taufe gehoben. 15 Schwestern und 31 Brüdern, einschließlich Altknecht und Altmagd, Jungaltknecht und Jungaltmagd, Kassierer und Schriftführer, gehörten dem Zusammenschluss an. Der Satzung gemäß fußt die Gemeinschaft "auf evangelischem Glauben und christlicher Lebenshaltung". Eingefordert werden darüber hinaus "verantwortungsbereite Mitarbeit in der jeweiligen Kirchengemeinde", "Interesse an geistiger Fortbildung und Vertiefung in allen Lebensfragen".

Unter dem Dach der BuSS formierten sich einzelne Gruppen: Akkordeonorchester, Flötengruppe, Jugendchor, Theatergruppe, Sportgruppe und, als Herzstück, die Tanzgruppe. Bald nahm man an nationalen wie internationalen Veranstaltungen, von Wettbewerben bis hin zu Folklorefesten, teil. So knüpfte die BuSS in den Folgejahren freundschaftliche Kontakte zu anderen Chor- und Volkstanzgruppen im In- und Ausland. Bereits 1960 nahm die BuSS am Heimattag in Dinkelsbühl teil. Heute zählt die Tanzgruppe als Kern der BuSS zehn Tanzpaare, insgesamt 30 aktive und inaktive Mitglieder im Alter von 14 bis 27 Jahren. Die BuSS ist nicht nur der Traditionspflege verpflichtet, überdies organisiert und gestaltet sie verschiedene gemeinschaftsstiftende Aktivitäten auch im Zusammenhang mit nichtsiebenbürgischen örtlichen Brauchtumsveranstaltungen (u.a. Karneval, Maibaumstecken). So hat die BuSS "im Laufe ihres langjährigen Bestehens jedem einzelnen ihrer zahlreichen Mitglieder Halt und Geborgenheit, einen Freundeskreis und ein Stückchen Heimat geboten", resümierte Inge Erika Knoll. Stellvertretend für die BuSS nahmen Altmagd Andrea Zybarth und Altknecht Michael Hilfenhaus die Urkunde entgegen.

Zum Ausklang der zweistündigen Preisverleihungen spielte Christian Orben die „Litanies“ von Jehan Alain für Orgel - ein beschwingter Abschluss dieser Festveranstaltung.

Christian Schoger

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.