17. Mai 2005

Volker Dürr: Siebenbürger Sachsen wollen europäische Brücken wieder aufbauen

Die Siebenbürger Sachsen wollen auch künftig ihren Beitrag zum Wiederaufbau der europäischen Brücken leisten. Vor 60 Jahren hätten Flucht und Deportation das Ende der deutschen Siedlungsgruppen in Südosteuropa als "lebendige, eigenständig agierende und sich selbst bestimmende Gemeinschaften" markiert. Heute seien die Siebenbürger Sachsen "ein lebendiges Bindeglied zwischen den Kontinenten" und hofften auf eine baldige Aufnahme Rumäniens in die Europäische Union. Dies erklärte der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Volker Eduard Dürr, in seiner Ansprache auf der Festkundgebung des Heimattages am Pfingstsonntag, dem 15. Mai, in Dinkelsbühl. Rund 10.000 Besucher, davon 1.500 siebenbürgisch-sächsische Trachtenträger, fanden sich bei wechselhaftem Wetter in der mittelfränkischen Stadt ein. Dürrs Begrüßungsansprache wird im Folgenden im Wortlaut veröffentlicht.
Zur Tradition unseres Heimattages gehört die Pfingstandacht, und wir alle hier danken unserem Sachsenbischof D. Dr. Christoph Klein dafür, dass er sie mit uns gemeinsam gestaltet hat. Wir freuen uns auch über die herzlichen Grüße unserer Heimatkirche, und bitten Sie, sehr geehrter Herr Bischof, die Botschaft dieses Heimattages, verbunden mit den besten Wünschen und Grüßen nach Siebenbürgen zu tragen und sie unseren dort lebenden Schwestern und Brüdern zu übermitteln.

Arch. Dipl.-Ing. Volker Dürr beim Heimattag in Dinkelsbühl. Foto: Josef Balazs
Arch. Dipl.-Ing. Volker Dürr beim Heimattag in Dinkelsbühl. Foto: Josef Balazs
Im Namen meiner hier versammelten Landsleute und unserer Gäste darf ich als Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland alle Bürgerinnen und Bürger der großen Kreisstadt und ehemals freien Reichsstadt Dinkelsbühl sehr herzlich begrüßen, unter ihnen besonders: Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer mit Gattin, Bürgermeisterin Hildegard Beck mit Gatten, Altbürgermeister Prof. Dr. Jürgen Walchshöfer mit Gattin sowie alle hier vertretenen Mitglieder des Rates dieser gastfreundlichen Stadt.

Vierundfünfzig Jahre Heimattage der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl sind nicht nur ein Symbol des Zusammenhalts der Siebenbürger Sachsen auf der ganzen Welt, sondern auch ein beiderseitiges Bekenntnis zu gewachsenen Bindungen zwischen der Stadt Dinkelsbühl und der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, die vor nunmehr 20 Jahren zu einer Partnerschaft führten.

Aus dieser erfolgreichen Partnerschaft erwuchs vor einigen Jahren die gemeinsame Initiative zur Schaffung einer weiteren Partnerschaft zwischen dem fränkischen Dinkelsbühl und dem siebenbürgischen Schäßburg in Rumänien. Bitte begrüßen Sie mit mir Ioan Dorin Danesan, den Bürgermeister von Schäßburg, der zurzeit mit einer kleinen Delegation hier in Dinkelsbühl weilt, um den für Juli geplanten Gegenbesuch des Dinkelsbühler Bürgermeisters in Schäßburg vorzubereiten.

Sie alle hier rufe ich auf, zum Wiederaufbau dieser europäischen Brücke beizutragen, und damit den Brückenschlag zu erneuern, den die Siebenbürger Sachsen vor mehr als 850 Jaren vollbracht haben, als sie aus allen Teilen Deutschlands von dem Ungarnkönig Geisa II. nach Siebenbürgen gerufen wurden, um das Land urbar zu machen.

Kriegsende und Deportation

In diesen Tagen wird weltweit in vielen Veranstaltungen an das Ende des zweiten Weltkrieges vor 60 Jahren gedacht. Auch wir Siebenbürger Sachsen sind Betroffene, viele von uns tief getroffen von diesem schrecklichsten Ereignis des vergangenen Jahrhunderts, die meisten vertrieben vom rauhesten Sturm der Geschichte, aus 850-jähriger geliebter Heimat. Nur die alljährlichen großen Treffen im Zeichen der landsmannschaftlichen Zusammengehörigkeit zeugen noch von unserer lebendigen Geschichte, wenn auch größtenteils fern von Siebenbürgen, wo die Siebenbürger Sachsen einst Land urbar machten, über 260 wehrhafte Ortschaften und Städte gründeten, die Mittler der abendländischen Kultur wurden.

Die Flucht und die Vertreibung der Südostdeutschen, welche bei den Nordsiebenbürgern, die in Trecks Richtung Westen zogen, schon vor Kriegsende stattfand sowie die Deportation von ca. 130.000 Deutschen, davon 75.000 aus Rumänien, zur Zwangsarbeit in die UDSSR zwischen den Jahren 1945 und 1949 markieren das Ende der deutschen Siedlungsgruppen in Südosteuropa als lebendige, eigenständig agierende und sich selbst bestimmende Gemeinschaften. Die sich zunehmend manifestierende Ohnmacht und das Ausgeliefertsein an die Willkür der dann folgenden menschenverachtenden Regime gingen einher mit der Enteignung, dem Verlust des Vermögens und der Bürgerrechte für alle Deutschen. Die Folge davon war, neben dem Einbruch kultureller Tradition und Identität, der Verlust der inneren Bindung an die Heimat, in der man seit Jahrhunderten wurzelte.
Die Folgen des zweiten Weltkrieges haben das politische Weltbild verändert, jahrzehntelang war der Eiserne Vorhang die Messlinie der europäischen, transatlantischen Welt zwischen Gut und Böse, zwischen Freiheit und Unterdrückung. Nun, da er gefallen, besser gesagt weggezogen ist, entwickelt sich ein neues Bild von globaler Dimension, in dem Brückenschlag und Brückenbau Voraussetzung seiner Tragfähigkeit sind.

Mitbauen an der Zukunft Europas

Wir Siebenbürger Sachsen haben in neuem Lebensumfeld, wo auch immer es auf der Welt liegt, bewiesen, dass wir im Frieden neue Heimat aufbauen können: Tüchtig und erfolgreich und dabei dem Ganzen treu dienend mit Menschlichkeit, Willen zur Versöhnung und Freundschaft. Wir haben diese Tugenden geübt und seit Jahrzehnten auch in unserer neuen Heimat gepflegt. Wir leben, verbunden mit unseren Schwestern und Brüdern in Siebenbürgen, aber auch mit unseren neuen Freunden, neuen Familien tief verbunden in einem neuen Haus, sei es Europa oder Nordamerika, wir sind auch ein lebendiges Bindeglied, zwischen den Kontinenten!

"Tiefen überstehen - Brücken bauen" lautet das Motto unseres diesjährigen Heimattages. Es verweist nicht nur auf Vergangenes, sondern auch auf Zukünftiges.

Zum Beispiel die Hoffnung, dass in naher Zukunft unsere in Siebenbürgen lebenden Landsleute und alle Mitbürger Rumäniens in der erweiterten europäischen Völkergemeinschaft Heimat finden werden. Mit der am 25. April 2005 erfolgten Weichenstellung des Europäischen Parlamentes dürfte auch der Aufnahme Rumäniens als Mitglied in die Europäische Union, bei Erfüllung der Beitrittskriterien in hoffentlich naher Zukunft nichts mehr im Wege stehen.

Hierzu dürfen wir Sie, Gheorghe Flutur, Rumäniens Landwirtschaftsminister, Ihre Exellenz Mihai Vierita, Botschafter Rumäniens in Deutschland, und Dr. Zeno Pinter, Unterstaatssekretär im Departement für interethnische Beziehungen, beglückwünschen und Sie alle sehr herzlich willkommen heißen. Auf der Grundlage der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien bereits im April 1992 bzw. Mai 1995 geschlossenen Freundschafts- und Kooperationsverträge erhoffen wir uns auch weiterhin Ihre Unterstützung bei der Stabilisierung der deutschen Minderheit in Rumänien, deren Überleben als solche nur durch eine paritätische Politik des gesicherten Minderheitenschutzes sowie durch die Wiederherstellung ihrer kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen gesichert sein dürfte. Am Schutz der Würde des Einzelnen und seines Volkes muss sich die Neuwerdung Europas orientieren und daran muss sich auch der Umgang der beitrittswilligen Staaten mit ihren Minderheiten messen lassen.

Solidarität der deutschen Nachkriegsgesellschaft

Meine Damen und Herren, es ist der beispielhaften Aufnahmebereitschaft der in Deutschland lebenden Bürgerinnen und Bürger zu verdanken, dass annähernd 250.000 Siebenbürger Sachsen im Laufe von 60 Jahren nach Kriegsende hier neue Heimat fanden. Die Solidarität der deutschen Nachkriegsgesellschaft, die Solidarität der im Bundesgebiet ansässigen Deutschen mit den vertriebenen Volksdeutschen bildete die Grundlage für die eigentliche Aufbau- und Eingliederungsarbeit, die die Vertriebenen und Flüchtlinge dann selbst leisten mussten. Sie haben dies erfolgreich getan und sich damit hohes Ansehen und allseits Respekt erworben.

Deshalb ist es uns eine große Freude, Hans-Peter Kemper, den Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung und den Bayrischen Innenminister, Dr. Günter Beckstein, herzlich willkommen zu heißen. Wir Siebenbürger Sachsen sind Ihnen, sehr geehrte Herren, sehr dankbar dafür, dass Sie unserer Einladung, als Ehrengäste und Redner am diesjährigen Heimattag teilzunehmen, gefolgt sind. Ich hoffe, dass Sie, sehr geehrte Herren, die Siebenbürger Sachsen nicht nur in ihrer Funktion als Brückenbauer in einem zusammenwachsenden Europa, sondern auch als aktive Partner im Wiederaufbau des Nachkriegsdeutschlands und Europas weiterhin unterstützen. Denn wir bringen nicht nur unsere Fähigkeiten sondern auch unseren Willen ein, mit unseren in Jahrhunderten erworbenen Erfahrungen als Vermittler zwischen Ost und West auch heute dem partnerschaftlichen Dialog und Brückenschlag im zusammenwachsenden Europa zu dienen. Ein Beleg unserer bisher erfolgreich ausgeübten Brückenfunktion ist die seit Jahrzehnten erfolgte grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf sozialem und kulturellem Gebiet. Damit diese Aktivitäten auch in die Zukunft hineingetragen und fortgeführt werden können, ist die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland mit ihrer Jugendorganisation darum bemüht, das mit unseren Landsleuten in Kanada, den Vereinigten Staaten von Nordamerika, Österreich und Siebenbürgen geschaffene Netzwerk der Partnerschaften innerhalb der bereits 1983 gegründeten Föderation der Siebenbürger Sachsen weiter auszubauen. Unsere jungen Menschen wollen unser siebenbürgisch-sächsisches Kulturerbe, das Teil des deutschen und damit europäischen Kulturgutes ist, in allen Ländern, in denen Siebenbürger Sachsen leben, pflegen und lebendig erhalten. In diesem Sinne werden wir uns in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Banater und Sathmarer Schwaben sowie anderen rumäniendeutschen Landsmannschaften und unseren Heimatortsgemeinschaften, deren Vertreter ich hiermit herzlich willkommen heiße, auch weiterhin für die Gründung und den weiteren Ausbau bestehender bzw. auch zukünftiger Städtepartnerschaften, wie z.B. die zwischen Landshut und Hermannstadt oder Dinkelsbühl und Schäßburg, aktiv einsetzen.

Wir grüßen unsere siebenbürgisch-sächsischen Landesgruppen Hamburg/Schleswig-Holstein, Niedersachsen/Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz/Saarland sowie Berlin/Neue Bundesländer, die sich mit ihren Brauchtums- und Kulturgruppen, als Mitausrichter unseres diesjährigen Heimattages hier in Dinkelsbühl vorbildlich beteiligen. Mit dabei sind natürlich auch die Mitglieder unserer landsmannschaftlichen Gliederungen aus anderen Landesgruppen und aus anderen Organisationen, für deren vielfältiges Engagement ich an dieser Stelle besonders herzlich danke.

Mein partnerschaftlicher Gruß gilt dem stets an unseren Heimattagen engagiert mitwirkenden Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD. Ich grüße unsere Ehrenvorsitzenden, meine Stellvertreter, die Vorsitzenden der Landesgruppen und danke Ihnen und allen aktiven Teilnehmern, die unter der verantwortlichen Leitung von Hannelore Scheiber, Thorsten Schuller und Rainer Lehni und vielen anderen zum Gelingen dieses herrlichen bunten Trachtenzuges beigetragen haben.

Lassen Sie mich bitte zum Abschluss auf die Grußbotschaften zu unserem diesjährigen Heimattag eingehen:
* unser Landsmann Norbert Kartmann, Präsident des Hessischen Landtages,
* Birgit Fischer, Ministerin für Gesundheit, Soziales, Frau und Familie unseres Patenlandes Nordrhein-Westfalen,
* Heribert Rech, Innenminister und Aussiedlerbeauftragter der Landesregierung Baden-Württemberg,
* Erika Steinbach, MdB und Präsidentin des Bundes der Vertriebenen,
* Rudolf Friedrich, dem Landesbeauftragten der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätzaussiedler,
* Klaus Johannis, DFDR-Vorsitzender und Bürgermeister von Hermannstadt,
* sowie die Vorsitzenden der Landsmannschaften der Siebenbürger Sachsen in Kanada, den USA, Österreich und Siebenbürgen.
*
Ihre guten Worte und Wünsche für eine weitere verlässliche gute Zusammenarbeit lassen sich in folgender Botschaft zusammenfassen:
"Das großartige Engagement der Siebenbürger Sachsen für die Völkerverständigung, ihre Funktion als Brückenbauer zwischen Ost und West wird auch in Zukunft gebraucht, um das zusammenwachsende Europa, unsere Heimat, mit Leben zu erfüllen".

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass wir aus der Schaffenskraft und der Solidarität der Menschen, denen Deutschland zu einer liebens- und lebenswerten Heimat geworden ist die notwendige Stärke gewinnen, um auch unsere gemeinsame europäische Zukunft mitzugestalten. Mögen die Veranstaltungen, Ausstellungen und Begegnungen dieses Heimattages uns und unseren Gästen und selbstverständlich den Bürgerinnen und Bürgern unserer Partnerstadt Dinkelsbühl auch weiterhin viel Freude und Ermutigung schenken.

Schlagwörter: Heimattag, Volker Dürr

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