9. Juni 2006

Barbara Stamm: "Wir müssen dieses Europa optimistisch angehen"

Dr. Barbara Stamm, 1. Vizepräsidentin des Bayerischen Landtags und Rumänienbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, hat die beispielhaften Leistungen der Siebenbürger Sachsen bei der Eröffnung des Heimattages am 3. Juni in Dinkelsbühl gewürdigt. Sie hätten sich nicht nur hervorragend in ihrer neuen Heimat integriert, sondern es sei ihnen auch gelungen, ihre Kultur zu bewahren und in Ehren zu halten. Die CSU-Politikerin sprach sich trotz Skepsis in Bayern für einen rechtzeitigen EU-Beitritt Rumäniens am 1. Januar 2007 aus. Dieser Schritt sei mit Blick auf die erzielten Reformen in Rumänien und den starken demokratischen Willen der rumänischen Bevölkerung notwendig. Die Festrede wird im Folgenden leicht gekürzt wiedergegeben.
Eine Freundin ist zu Freunden gekommen. Es ist eine Riesenfreude für mich, heute wieder einmal mehr oder weniger offiziell bei Ihnen Gast zu sein. Sie wissen, dass ich seit 1990 eng mit Ihrer Heimat verbunden bin. Unmittelbar nach der blutigen Revolution in Rumänien habe ich mich mit Freunden aus Bayern aufgemacht und dadurch auch Ihre Heimat kennen gelernt. Und dafür danke ich Ihnen und ich danke Ihnen auch, dass ich heute als Vertreterin des Bayerischen Landtags alle Gästen von nah und fern zum diesjährigen Heimattag der Siebenbürger Sachsen hier begrüßen und bei uns in Bayern willkommen heißen kann.

Dr. Barbara Stamm, Vizepräsidentin des Bayerischen Landtags, während ihrer Ansprache im Schrannensaal zu Dinkelbühl. Foto: Josef Balazs
Dr. Barbara Stamm, Vizepräsidentin des Bayerischen Landtags, während ihrer Ansprache im Schrannensaal zu Dinkelbühl. Foto: Josef Balazs
Der Heimattag hat wiederum eine große Anziehungskraft entfaltet - sogar Gäste aus Übersee sind gekommen und beweisen damit ihre enge Verbundenheit mit der alten Siebenbürger Heimat und ihren früheren Mitbürgerinnen und Mitbürgern.

Sicherlich trägt auch der Ort, in dem alljährlich der Heimattag stattfindet, die alte Reichsstadt Dinkelsbühl, zum regen Zuspruch, den die Heimattage erfahren, bei. Hier fand bereits 1951 der erste Heimattag der Siebenbürger Sachsen statt, und diese Tradition hat sich über 55 Jahre erhalten. Dadurch ist Dinkelsbühl zu einem Zentrum des siebenbürgisch-sächsischen Lebens in Deutschland, zu einer Hauptstadt der Siebenbürger Sachsen auf Zeit, wie hier gesagt wurde, und zum festen Partner der Landsmannschaft geworden.

Deutschland hat in den zurückliegenden Jahren enorme Integrationsleistungen erbracht. Nach dem 2. Weltkrieg wurden Millionen von Heimatvertriebenen und Aussiedlern in unsere Gesellschaft erfolgreich eingegliedert. Auch den gut 200 000 Siebenbürger Sachsen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten ihren Wunsch, als Deutsche unter Deutschen zu leben, verwirklicht haben, ist die Integration auf bewundernswerte Weise gelungen.

Dinkelsbühl ist dafür ein gutes Beispiel, ist es doch vor neun Jahren beim Bundeswettbewerb "Vorbildliche Integration von Aussiedlern" mit einer Goldenen Plakette ausgezeichnet worden. Aber Dinkelsbühl hat den Blick auch nach außen gerichtet: Im November des vergangenen Jahres hat der Stadtrat einstimmig beschlossen, eine Städtepartnerschaft mit Schäßburg einzugehen.

Ich darf mich dafür ganz, ganz herzlich bedanken, weil es nicht immer unbedingt selbstverständlich, sehr leicht ist Partnerschaften zu finden, gerade auch für Siebenbürgen oder das Banat. Wir sind also immer auf der Suche nach Städtepartnerschaften, und ich freue mich natürlich, dass zum Beispiel Landshut jetzt die Partnerstadt von Hermannstadt ist. Hermannstadt ist ja 2007 die Kulturhauptstadt Europas zusammen mit Luxemburg, ich glaube das macht auch deutlich, wie froh und wie stolz Sie auf Ihre Heimat sein können. Darüber freue ich mich ganz besonders mit Ihnen.

Herr Oberbürgermeister, es ist ja schon in Ihren Worten angeklungen: der Beitritt Rumäniens, Exzellenz, Herr Botschafter, im Jahre 2007 zusammen mit Bulgarien. Ich habe immer wieder, Herr Botschafter, gemerkt, dass in Ihrer Heimat, in Rumänien, so wenig Verständnis dafür bestanden hat und auch heute noch besteht, dass wir doch, auch wir in Deutschland, auch wir in Bayern, ich bekenne mich dazu, sehr zurückhaltend sind, sehr skeptisch sind, was den Beitritt Rumäniens und Bulgariens anbelangt. Aber ich habe jetzt noch einmal in den jüngsten Kommissionsbericht der EU hineingeschaut. Dort ist zu vermelden: Rumänien hat Fortschritte gemacht. Sie sind dabei, die Hausaufgaben zu erfüllen. Und ich gehe mal davon aus, Herr Botschafter, da hat die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen auch enorm mit dazu beigetragen, vor allen Dingen in Siebenbürgen. Wenn ich allein denke, was da in den letzten Jahren entstanden ist, nicht nur im Bereich der Kultur, die ja immer wieder auch im Mittelpunkt der landsmannschaftlichen Arbeit gestanden ist, wenn ich mir überlege, was auch mittlerweile an Arbeitsplätzen entstanden, an Investitionen getätigt wurde, gerade auch von Deutschland, von Bayern her, in Siebenbürgen, im Banat und insgesamt in Rumänien, dann kann ich Ihnen, Herr Oberbürgermeister, nur zustimmen. Wir müssen dieses Europa optimistisch angehen. Und in den Herzen und in den Köpfen der Menschen sieht es halt zum Teil noch anders aus. Ich sage Ihnen ganz offen, Herr Botschafter: Wenn ich die Administration auch manchmal nicht gut gefunden habe, aber die Menschen in Ihrem Land, vor allen Dingen auch die junge Generation, die habe ich in meinen vielen Reisen und Begegnungen kennen und schätzen und lieben gelernt. Und ich stand oft an Gedenkstätten der Opfer der blutigen Revolution, und da ist mir immer wieder bewusst geworden: Die Menschen, die damals diese Revolution wollten, da war ja Mut und Zuversicht und "Wir wollen Zukunft" mit dabei, und sie wollten eben in Freiheit leben, sie wollten, dass die Grenzen fallen, dass man zusammenkommt, dass man sich begegnet, dass Europa enger zusammenwächst, auch in seiner Geschichte und in seiner Kultur wieder lebendig wird. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir diese Menschen, die diesen Weg und dieses große Wagnis gegangen sind, nicht enttäuschen dürfen. Und deswegen habe ich mich bei allen Gesprächen, die ich in Rumänien zu diesem Thema hatte, trotz aller Skepsis, die ich hatte, immer für den Beitritt, für den zeitgerechten Beitritt Rumäniens und Bulgariens ausgesprochen. Auch wenn die jeweiligen Regierungen es vielleicht nicht immer so ernst genommen haben, die Hausaufgaben zu machen. Das möchte ich auch hier ganz deutlich anmerken, weil man gedacht hat: Na ja, 2007, das ist das Datum. Nein, weil es eine enorme Enttäuschung für die Menschen wäre, und ich glaube, dass wir heute in Europa so weit sein müssen, dass wir den Menschen diese Enttäuschung wegnehmen und dass wir ihnen auch den Blick und die Hoffnung in die Zukunft geben.

Wenn ich hier auch noch weiter anfügen darf: Es ist auch ganz, ganz wichtig, wenn wir heute wieder hier bei Ihrem Heimattreffen sind, dass man auch immer wieder deutlich macht, was die Siebenbürger Sachsen in Siebenbürgen geleistet haben, dass man sich auch immer wieder an ihre Geschichte erinnert.
Blickt man in die Geschichte der Siebenbürger Sachsen, so erkennt man wie in einem Brennglas Größe und Verwerfungen der europäischen Geschichte seit dem Mittelalter: Bereits im 12. Jahrhundert folgten die ersten Deutschen dem Ruf des ungarischen Königs, die Grenzen gegen die Mongolen- und Tatareneinfälle zu sichern und das Land wirtschaftlich zu erschließen. Die Siebenbürger Sachsen besaßen schon früh die Selbstverwaltung, und obwohl sie im 16. Jahrhundert geschlossen zum evangelischen Glauben übertraten, galt in Siebenbürgen Religionsfreiheit. Auf der Basis gewachsener politischer Strukturen und einer gefestigten Identität erbrachten die Deutschen in Siebenbürgen großartige kulturelle, wirtschaftliche und administrative Leistungen. Es war schade und mit Sicherheit für die Geschichte auch sehr, sehr schwierig, dass gerade diese Minderheit, die sich so engagiert hat, dennoch im 20. Jahrhundert wie kaum eine andere Gruppe in den Strudel der politischen Entwicklungen geraten ist.
Lebten 1930 noch etwa 750 000 Menschen deutscher Nationalität in Rumänien, so sind es heute nur noch 60 000.

Aber die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen setzt sich dafür ein, dass die einst in Siebenbürgern blühende deutsche Kultur nicht erlischt. Und dafür ist Ihnen ein herzliches Dankeschön immer wieder zu sagen. Und ich gehe davon aus, Herr Botschafter, dass auch Ihre Verantwortlichen der Regierung diese große Leistung nie vergessen, immer wieder in den Mittelpunkt stellen und immer wieder auch herausstellen, weil ich zutiefst der Auffassung bin, dass die Siebenbürger Sachsen, die ihre Heimat verlassen mussten, diese großartige Leistung erbracht haben, sich in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur gut, sondern hervorragend zu integrieren. Sie haben ihre Arbeit, ihre Leistung immer in den Mittelpunkt gestellt. Sie wollten auch und haben in ihrer neuen Heimat immer mit dazu beigetragen Zukunft zu gestalten. Und es ist ihnen das Kunststück gelungen, mit dieser Integration nicht auch die eigene Kultur aufzugeben, sondern sie weiter in Ehren zu halten und zu pflegen. Und davon wird dieser Heimattag Zeugnis ablegen.

Ein solcher Heimattag dient ja nicht nur der Festigung des inneren Zusammenhaltes, sondern er sendet auch ein Signal an die Öffentlichkeit und macht auf die eigenen Anliegen zu Recht aufmerksam. Wer sich näher mit der Geschichte der Siebenbürger Sachsen beschäftigt, der lernt eine faszinierende Kulturlandschaft kennen. Man stößt dabei auf eine großartige, wenn auch schreckliche Geschichte mitunter, die uns mehr über Europa lehrt, als wir auf den ersten Blick glauben.

Und wenn ich mir Ihr Motto vergegenwärtige, "Zukunft braucht Hoffnung", wo eben deutlich wird, natürlich die Vergangenheit, das, was in der Geschichte war, nicht zu vergessen, aber dennoch zu sagen, wir schauen in die Zukunft, wir benötigen Zukunft, und dazu benötigen wir Hoffnung, Optimismus, Kreativität, und dazu müssen wir zusammenrücken und in unseren Köpfen und Herzen Grenzen beseitigen, die noch vorhanden sind. Und wenn Sie gerade mit Ihrem Motto "Zukunft braucht Hoffnung" dieses Signal geben, dann geben Sie auch ein Signal an unsere junge Generation, an unsere Kinder und an deren Kinder. Mit ihnen gemeinsam sind wir verpflichtet, ein Europa zu gestalten, das in Frieden und Freiheit, in der Achtung der Menschenrechte, in einem Miteinander und nicht in einem Gegeneinander Zukunft gestaltet. Und Zukunft kann man nur gestalten, wenn man verwurzelt ist in einer Heimat, wenn man weiß, wo man hingehört, wenn man angenommen wird, wenn man verlässliche Strukturen hat, wenn man die Kultur und das, was es ausmacht, dass die Verwurzelung stattgefunden hat, in ihrer alten Heimat und jetzt auch in ihrer neuen Heimat. Diese Verwurzelung benötigen wir Menschen, um nach vorne zu gehen, um Zukunft zu gestalten. Und deshalb wünsche ich Ihnen, Herr Bundesvorsitzender Dürr, Herr Landesvorsitzender, und allen Verantwortlichen Ihrer Landsmannschaft, und ich möchte hier vor allen Dingen auch Dr. Paul Jürgen Porr mit einbeziehen, damit stellvertretend für alle Deutschen in Siebenbürgen, ich wünsche Ihnen weiterhin bei Ihrer verdienstvollen Arbeit Erfolg, Gottes Segen benötigen wir dazu immer, und natürlich Ihrem Heimattag 2006 einen schönen und bereichernden Verlauf. Die Gemütlichkeit, das Zusammensitzen, das Miteinanderreden, Feiern und Tanzen sind nach all der hervorragenden Arbeit bei Ihnen groß angeschrieben und kommen in diesen Tagen nicht zu kurz. Herzlichen Dank, dass ich bei Ihnen sein kann und sein durfte, und alles Gute für Sie. Glück auf!

Schlagwörter: Heimattag, Dinkelsbühl, Politik

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