20. April 2001

Czernetzky sucht Mitarbeiter für "ZeitZeugenVideo"

Günter Czernetzky hat kürzlich in München eine Bilanz des von ihm initiierten Arbeitskreises ZeitZeugenVideo (ZZV) gezogen. Seit seiner Gründung 1996 sind mehr als 175 Stunden Interviews mit über 75 Zeitzeugen auf Video aufgezeichnet worden, unter ihnen mit bekannten siebenbürgische Persönlichkeiten wie Hans Meschendörfer, Dr. Wilhelm Bruckner, Fritz Cloos, Dr. Hans Ambrosi, um nur einige zu nennen. Der Arbeitskreis ZZV beabsichtigt, möglichst viele Zeitzeugen der Erlebnisgeneration zu befragen und der interessierten Nachwelt auf Filmband zu präsentieren. Damit soll auch ein Beitrag zur Erhaltung der siebenbürgisch-sächsischen Geschichte, der Mundart und des Kulturerbes geleistet werden. Für die Umsetzung seines Vorhabens sucht Czernetzky weitere "Idealisten" mit filmtechnischen Kenntnissen, aber auch Anregungen, welche weiteren Zeitzeugen zu welchen Themen befragt werden sollten.
Zwölf Videofreunde aus München und Umgebung trafen sich Ende März im Haus des Deutschen Ostens (HDO), um Erfahrungen auszutauschen. Gezeigt wurden dabei von Dr. Ziebart ein Reisefilm über die Expo 2000 und von Hans-Joachim Acker eine Montage mit sehr eindrucksvollen Winteraufnahmen; Günter Czernetzky stellte den von Hans Hedrich in der Republik Moldau gedrehten Film „Auf der Suche nach dem Vater“ vor.
Aus dem Kreis der Teilnehmer kam die Anregung, einen Videoclub zu gründen und dort in gegenseitiger Unterstützung auch Kleinaufträge aus den Landsmannschaften zu realisieren. Acker und Ziebart erklärten sich bereit, dort u.a. ihre Kenntnisse der digitalen Schnitttechnik weiterzugeben. Der Videoclub ist nun auf der Suche nach einem geeigneten Standort innerhalb einer gemeinnützigen landsmannschaftlichen Institution sowie nach finanzieller Förderung in der Größe einer Startfinanzierung von maximal 5 000 Mark. Anfragen gehen an die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, an die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung, ans HDO und an den BdV sowie die übrigen Landsmannschaften. Als Gegenleistung bietet der Videoclub die Möglichkeit hausinterner Nachberarbeitung von Videofilmen. Dadurch könnten wichtige Veranstaltungen und Projekte hochwertig dokumentiert und in attraktiver Weise präsentiert werden. Nicht zuletzt wäre die „Investition“ auch in der Jugendarbeit nützlich. Czernetzky ist dabei mit gutem Beispiel vorangegangen und hat das Preisgeld seines 1997 erhaltenen Ernst-Habermann-Preises dem ZZV-Arbeitskreis zur Verfügung.

Themenliste für jüngste deutsche Geschichte

Die Generation der Kriegsteilnehmer und jener, die die Kriegsfolgen erlitten oder den Neuanfang in Deutschland mitgestaltet haben, ist in die Jahre gekommen und weilt höchstens noch einige Jahre unter uns. Die höchste Dringlichkeit einer systematischen Zeitzeugen-Befragung hat 1996 den siebenbürgischen Regisseur Günter Czernetzky veranlasst, den Arbeitskreis "ZeitZeugenVideo" (ZZV) ins Leben zu rufen. Damit sollen mit möglichst vielen Vertretern der Erlebnisgeneration Videointerviews geführt und diese für die interessierte Nachwelt (Historiker, Familienangehörige u.a.) gesichert werden. Angeregt wurde Czernetzky durch ein Projekt des amerikanische Filmemachers Steven Spielberg ("Schindlers Liste"), der eine Stiftung zur Befragung aller noch lebender Holocaust-Opfer mit einem Kapital von 50 Millionen Dollar gegründet hatte. Diese "wegweisende Weitsichtigkeit und Zielsetzung" des Amerikaners hat sich der 1956 in Schäßburg geborene Siebenbürger zu Eigen gemacht: Er stellte seinerseits eine prioritäre Themenliste für die jüngste deutsche Geschichte auf, die u.a. die Kriegsereignisse, die von ranghohen Militärs erzählt werden sollen, die Zustände vor und nach dem Zusammenbruch, die Kriegsgefangenschaft, der wirtschaftliche und politische Aufbau im West und Ost in den Nachkriegsjahren, umfasst. Zeitzeugen aus Rumänien will Czernetzky beispielsweise über die Themen Deportation in die UdSSR, Agrarreform und Kolonisationspolitik 1945, Aufbau der "Securitate", Begegnungen mit der rumänischen Sicherheitspolizei, Unterwanderung deutscher Einrichtungen in Rumänien sowie Bestechungs- und Erpressungspraxis bei der Auswanderung nach Deutschland befragen. Besonders die Aufzeichnung individueller Schicksale, die von der kommunistischen Repression gezeichnet wurden, dürften nach Ansicht Czernetzkys nicht zu kurz kommen.
Czernetzky empfiehlt einen fairen und respektvollen Umgang mit den Interviewten. Dieser einfühlsamen Haltung liege das Konzept der Phänomenologie zugrunde: Die "Wahrheit" bestehe aus mehreren gleichzeitigen und unterschiedlichen Ideen, Wahrnehmungen und Handlungen, die der Film zu einem mosaikartigen Gesamtbild zusammenfüge: "Zeitzeugenmontage als individuell gestaltetes Zeit-"Mosaik", so Czernetzky. Die Zeitzeugen würden ihre Erinnerungen zwar immer aufgrund eines ihnen oder ihrem Umfeld eigenen Weltbildes verpacken, aber ihre unterschiedlichen Aussagen ließen sich durch Konfrontation miteinander überprüfen. Zeitzeugenmontagen seien deshalb so publikumswirksam, weil mehrere emotionalisierte Aussagen in Rede und Gegenrede zu einem Fazit zusammengeführt werden und die fortführende Erzählung durch mehrere Personen den Zuschauer ähnlich fesselten wie "Talkrunden", in denen Streitpositionen ausgetragen werden.

S. B.



Kontaktadresse: Für Rückfragen zum Videoclub und dem Arbeitskreis ZZV steht Günter Czernetzky, Adalbertstraße 92, 80799 München, Telefon und Fax: (089) 27 77 48 25, gerne zur Verfügung.

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