20. April 2001

Schröder will Grab des Vaters in Siebenbürgen aufsuchen

Das Grab des Vaters von Bundeskanzler Gerhard Schröder wurde in Siebenbürgen entdeckt. Wie die "Bild am Sonntag" zu Ostern berichtete, wurde Fritz Schröder in dem Dorf Ceanu Mare nahe Klausenburg in einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt. Das ergaben Nachforschungen der Kanzlerschwester Gunhild Kamp-Schröder, heute 61, die gemeinsam mit der 87-jährigen Mutter Erika in einer Dreizimmerwohnung in Paderborn lebt. Am Gründonnerstag ging bei Gunhild Schröder-Kamp eine schriftliche Nachricht der Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallen der ehemaligen deutschen Wehrmacht (WASt) in Berlin ein: Fritz Schröder sei im 4 500-Seelendorf Ceanu Mare nahe der orthodoxen Kirche im Gemeinschaftsgrab B zusammen mit drei Kameraden beigesetzt worden. Schröder und seine Schwester kündigten an, das Grab ihres Vaters in Siebenbürgen bald besuchen zu wollen.
Im rumänischen Fernsehen wurde der Augenzeuge Marcu Hadarean gezeigt, der als 14-Jähriger im Herbst 1944 beobachtet hatte, wie zwei Fahrzeuge der Wehrmacht in der Nähe der Kirche die Leichen aller Soldaten abgeladen hatten, die bei Kämpfen in der Region gefallen waren. Sie seien in Zeltplanen gehüllt und dann in ein vier mal zwei Meter großes Gemeinschaftsgrab in Ceanu Mare, einer Gemeinde zwischen Câmpia Turzii und Klausenburg, beigesetzt worden. Der orthodoxe Ortspfarrer hat die Grabstätte der Wehrmachtsangehörigen pflegen lassen, die unweit einer Gedenkstätte für rumänische Gefallene aus beiden Weltkriegen liegt.
Gunhild Kamp-Schröder und ihr Bruder Gerhard kündigten an, das Grab in der Nähe von Klausenburg bald aufzusuchen zu wollen. „Ich bin froh und berührt, endlich erfahren zu haben, wo genau das Grab meines Vaters liegt“, sagte der Bundeskanzler. Er werde das Grab besuchen, „in der Privatheit, die mir dann hoffentlich zugestanden wird.“ Seinen Vater hat er nie gekannt. Fritz Schröder, Obergefreiter der deutschen Wehrmacht, hatte aus der Feldpost erfahren, dass er am 7. April 1944 Vater eines Sohnes geworden war. Sein Antwortbrief an Ehefrau Erika: "Ich freu mich für Dich, dass es diesmal ein Junge ist, und im Herbst komm ich nach Hause." Doch in den Armen gehalten hat er den Sohn, der auf den Namen Gerhard Fritz Kurt getauft wurde, nie. Der Panzerpionier fiel, 32-jährig, am 4. Oktober 1944 auf einem Rückzugsgefecht in Nordsiebenbürgen. Gerd, wie der Junge genannt wurde, erfuhr nur, dass sein Vater Hilfsarbeiter und Pferdepfleger gewesen sei und seine Ehefrau gut behandelt habe. Gerhard Schröder und der fremde Mann, den er nicht kennen lernen durfte. Hat er den Vater vermisst? "Ich weiß es nicht", zitiert ihn die Bild am Sonntag. Und: "Psychologen würden jetzt natürlich sagen, vaterlos aufzuwachsen könne seelische Schäden nach sich ziehen. Das habe ich nie so empfunden." Seine Mutter heiratete zwei Jahre nach Kriegsende, 1947, erneut. Das Familienglück mit dem Hilfsarbeiter Paul Vosseler war jedoch nicht von Dauer: Er erkrankte an Tuberkulose und verbrachte die letzten zehn Jahre bis zu seinem Tod 1964 meist in Krankenhäusern und Sanatorien. Während die Mutter in Fabriken arbeitete oder in Wohnungen und Geschäften putzen ging, wurde Gerd schon als ein zehnjähriger Knirps zum "Mann im Haus" und kümmerte sich um seine drei kleineren Halbgeschwister.
Die Nachricht hat auch in Rumänien für Schlagzeilen gesorgt, Medien und Politiker erhoffen sich einen Aufschwung deutsch-rumänischer Beziehung durch Schröders neu entdeckte persönliche Bindung zum Karpatenland. Bürgermeister Gavrila Oros will die Gemeinde Ceanu Mare im Hinblick auf den hohen Besuch wieder auf Vordermann bringen und plant bereits ein Festessen mit dem Kanzler. Mitarbeiter des Bukarester Verteidigungs- und Außenministeriums in Bukarest forschen inzwischen in Militärarchiven nach den näheren Umständen, unter denen Fritz Schröder gefallen ist. Gheorghe Bodea, Direktor des Nationalen Historischen Museums in Klausenburg und Vorsitzender eines Vereins für Kriegsgräberpflege, unterstützte dpa-Recherchen und rumänische Medienberichte, wonach das Rote Kreuz möglicherweise den alten Namen von Ceanu Mare versehentlich mit dem ungarischen Namen Pusztacsan angegeben habe. Wie der Berliner Tagesspiegel berichtet, heiße Pusztaczan jedoch Ceanu Mic und liege etwa 30 Kilometer westlich von Ceanu Mare. Laut Bodea hätten die deutsche Wehrmacht und die rumänische Armee zum Zeitpunkt des Todesdatums von Fritz Schröder heftige Kämpfe bei Ceanu Mic ausgetragen, wo auch ein Massengrab liege.
Die Lage von Fritz Schröders Grab sei den deutschen Behörden schon seit 1978 bekannt, erklärte Klaus Mittermaier, Dienststellenleiter des DRK-Suchdienstes München, der Tageszeitung Die Welt. Das Rumänische Rote Kreuz, mit dem die Kooperation immer gut gewesen sei, lieferte am 21. Juli 1978 eine Liste mit Namen gefallener deutscher Soldaten an den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Eine Ausfertigung sei an den DRK-Suchdienst und eine andere an die Dienstelle in Berlin, die die Daten der Wehrmachtsangehörigen verwaltet, gegangen. Damals habe man in München auch die Karte mit Fritz Schröders persönlichen Daten angelegt, die jedoch in den letzten 23 Jahren nie angefordert worden sei, betonte Mittermaier. Die Suche nach den Kriegsvermissten gehe auch heute weiter. So erhielten die deutschen Suchstellen nach 1992 Zugang zu russischen Archiven und konnten weitere 100 000 Fälle aufklären. Derzeit werden noch 1,4 Millionen Menschen vermisst: nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilisten, deportierte Kinder, politische Häftlinge aus der Sowjetischen Besatzungszone, die Richtung Moskau verschleppt wurden.

Siegbert Bruss

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