25. August 2001

Nationale Töne überschatten Rumänien

Nationale Töne überschatten die öffentliche politische Debatte in Rumänien. Politiker der Großrumänien-Partei PRM fordern die Abschaffung der Minderheiten und veröffentlichen antisemitische Bücher, und selbst der Vorsitzende der Abgeordnetenkammer, Valer Dorneanu (PSD), betrachtet die Parteien der ethnischen Minderheiten als Anomalie.
Die Großrumänien-Partei (Partidul România Mare – PRM) will den Begriff der Minderheiten aus der rumänischen Verfassung streichen, da alle Bürger des Landes die gleichen Rechte hätten. Dies erklärte PRM-Generalsekretär Gheorghe Funar Ende Juli in einem Interview gegenüber einer Lokalzeitung in Hermannstadt. Der Extremist Funar, Bürgermeister der siebenbürgischen Großstadt Klausenburg, ist zuversichtlich, dass seine Partei die Wahlen im Jahr 2004 mit großer Mehrheit gewinnen und die beabsichtigte Verfassungsänderung durchsetzen werde.
In die gleiche Kerbe schlug auch der Vorsitzende der Abgeordnetenkammer Valer Dorneanu von der regierenden Sozialdemokratischen Partei (PSD – früher PSDR). Ende vergangener Woche gab Dorneanu auf einer Tagung in Izvoru Muresului bekannt, dass die Sozialdemokraten die Abschaffung der Parteien der ethnischen Minderheiten durch eine Verfassungsänderung anstrebe. Nach kritischen Presseberichten erfolgte am 21. August das Dementi aus Bukarest. Der PSD-Parlamentarier stellte auf einer Pressekonferenz klar, dass die PSD nun doch nicht die Minderheitenparteien wie etwa den Ungarnverband abschaffen wolle, der bekanntlich die Regierungspartei aufgrund einer gemeinsamen Erklärung parlamentarisch und politisch unterstützt. Dennoch sei die Existenz von Minderheitenparteien keine "normale Sache", beharrte der Vorsitzende der Abgeordnetenkammer. Die Medien hätten seine Worte jedoch aus dem Zusammenhang gerissen und umgedeutet, in seiner "theoretischen Analyse" in Izvoru Muresului habe er die Existenz der Minderheitenparteien als Realität anerkannt, mit der man sich abfinden müsse, beteuerte Dorneanu im Nachhinein.
Dorneanus Rückzieher geht auf ein Gespräch mit Premier Adrian Nastase zurück, der seinem Parteikollegen lapidar nahe gelegt hatte: "Valerica, ich bin sicher, du hättest so etwas nicht sagen können". Dass Nastase selbst auch nicht immer die freundlichsten Töne gegenüber Ungarn anschlägt, ist spätestens seit Verabschiedung des Statusgesetzes zur Unterstützung der magyarischen Minderheiten im Ausland offenbar geworden. Die gereizte Atmosphäre zwischen den beiden Nachbarländern führte kürzlich zu einer diplomatischen Kontroverse. Rumänien kritisierte den Botschafter Ungarns in Sofia, Béla Kolodji, der Berichten einer bulgarischen Radiostation zufolge gesagt haben soll, sein Land rate Bulgarien, beim Integrationsprozess nicht auf andere zu warten; ein Fahrrad könne nicht im Tandem gelenkt werden. Premierminister Adrian Nastase hatte einige Tage zuvor der bulgarischen Seite vorgeschlagen, Rumänien und Bulgarien sollten "ein Tandem bilden" und ihre Anstrengungen zur NATO- und EU-Integration aufeinander abstimmen.
Für einen Skandal sorgte das vom PRM-Abgeordneten Vlad Hogea veröffentliche Buch "Der Nationalist", in dem Artikel aus der rechtsradikalen Zeitschrift "România Mare" veröffentlicht werden und ein Loblied auf Corneliu Vadim Tudor, den ehemaligen Ceausescu-Hofpoeten und derzeitigen PRM-Leader, gesungen wird. Das Buch erscheint unter der Ägide der Rumänischen Akademie und des Instituts für Europäische Geschichte und Zivilisation, dessen Direktor Gheorghe Buzatu PRM-Senator und zugleich stellvertretender Vorsitzender des rumänischen Senats ist. Der Minister für Öffentliche Information, Vasile Dâncu, kritisierte das Buch, das eine flagrante Ähnlichkeit zu Hitlers "Mein Kampf" aufweise. Der Minister begrüßte, dass die rumänische Justiz ein strafrechtliches Verfahren gegen die antisemitische Publikation eingeleitet habe.
Während die rumänische Regierung viel Energie für nationale und ideologische Debatten verschwendet, tritt die ernsthafte Umsetzung des Reformprozesses, der für die europäische Integration unabdingbar ist, in den Hintergrund. Gerade beim Reformprozess wird Premier Adrian Nastase neuerdings mit Widerstand aus den Reihen der eigenen Minister konfrontiert. Über diese Probleme wird die SbZ-Online Mitte nächster Woche berichten.

Siegbert Bruss

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