3. Dezember 2022

Vom „Seimen Ännchen“ zur „Princesse Omer“: Zu einem Jugendbildnis der Pianistin Anna Simonis, später verheiratete Baronin v. Braunecker (1832-1914)

Während wir über die Bilder des oft gezeichneten, gemalten und fotografierten türkischen Generals Omer Pascha (eigentlich Mihailo/Michael Latas) lückenlos informiert sind, weiß man über jene von Anna Simonis, später verheiratete Baronin v. Braunecker, nur wenig. Neben einer Fotografie, die sie wenige Jahre vor ihrem Tod zeigt, ist meines Wissens nur die fotografische Reproduktion eines Jugendbildnisses erhalten geblieben. Das Hüftbild, welches das damals wohl 16-jährige „Seimen Ännchen“ in einem schulterfreien Biedermeierkleid mit Schnebbentaille zeigt, erinnert an ähnlich anmutige Damenbildnisse, wie sie damals in Bukarest vor allem der aus Klausenburg zugewanderte Maler und Lithograph Carol Popp de Szathmáry, der bereits 1851 verstorbene Constantin D. Rosenthal (vor allem durch sein allegorisches Bild „România Revoluționară“ bekannt) oder auch der hier zeitweilig lebende August Schoefft fertigten.
Carol Popp de Szathmáry (?): Anna Simonis, ...
Carol Popp de Szathmáry (?): Anna Simonis, Aquarell, um 1848. Kabinettbild aus dem fotografischen Atelier Messy in Nizza, 1890er Jahre. Bildarchiv Konrad Klein
Leider ist Annas aquarelliertes Jugendbildnis nur als Reproduktion des fotografischen Ateliers Messy in Nizza erhalten. Offensichtlich hatte Anna Baronin v. Braunecker irgendwann in den 1890ern veranlasst, dass man für ihre zahlreichen Nachkommen ihr Mädchenporträt in größerer Zahl vervielfältigt. Ein Kabinettbild mit einer persönlichen Widmung für ihren Großneffen Michael Lurtz aus Schäßburg hatte sich mit einigen anderen Fotografien bei der jüngst verstorbenen Lehrerin Gerda Lurtz in Geretsried erhalten (Siebenbürgische Zeitung v. 31.10.2022, S. 14) und war zeitweilig – über Balduin Herter – nach Gundelsheim ausgeliehen worden, der die Sachen kopierte und wieder zurückgab. Leider hatte Frau Lurtz die Bilder danach nochmals verliehen, wusste aber nicht mehr wem. Auch der bekannte Schäßburger Fotograf Hans Lurtz und dessen Schwester Hermine, verheiratete Blaha, sind Großneffen bzw. -nichten von Anna v. Braunecker, die in der Familie Lurtz stets die „Omir-Pascha-Tant“ genannt wurde (vgl. hierzu auch O. Scola: Die Omir Pascha-Tant, in: Siebenbürgische Zeitung vom 30. April 1986, S. 4). Und weil wir schon bei der „Annatant“ sind: Annas Neffe George Simonis war in der Zwischenkriegszeit Professor an der Musikakademie in Klausenburg, wo auch Anneliese Barthmes und Ernst Irtel studierten. Eines Tages lud der als Finsterling bekannte Musikpädagoge die beiden Deutschen zu sich nach Hause ein, um ihnen ein Geheimnis anzuvertrauen, demzufolge er während seiner Studien am Pariser Konservatorium auch seine Tante besucht habe und von dieser auch eine Uhr geerbt hatte. Er zeigte sie ihnen, bat sie aber, niemandem davon zu erzählen (vgl. Walter Hutter, Vom Geistigen in der Musik, 2017, S. 19).

Anna Baronin von Braunecker auf ihrem Wohnsitz im ...
Anna Baronin von Braunecker auf ihrem Wohnsitz im südfranzösischen Pau, um 1910. Reproduktion aus Welt und Heimat vom 7.12.1924. Samml. des Verfassers
Das hier abgebildete Jugendbildnis wurde erstmals – freilich in einer Variante mit ovalem Passepartout – ohne weitere Angaben im Neuen Weg vom 20. Mai 1967, S. 3, veröffentlicht, zusammen mit Fragmenten aus Adolf Meschendörfers Drehbuch „Prinzessin Omer“ von 1936. Die Bildvorlage stammte von Gertrud Fernengel, langjährige Filmchronistin der genannten Zeitung. Wie wir bei der leider ebenfalls verstummten Plaudertasche Hans Liebhardt erfahren, hatte „Tutzi“ Fernengel, eine Großnichte von Anna Simonis, zeitlebens diese Fotografie über ihrem Bett hängen (vgl. Deutsche in Bukarest, Bukarest 2003, S. 27-28; davor bereits in anderer Textgestalt in Allgemeine Deutsche Zeitung vom 4. Januar 1995, S. 5).

Letzte Gewissheit über den Bildnismaler ist wohl nicht mehr möglich, der Stil spricht jedoch eindeutig für Szathmáry (siehe beispielsweise sein bekanntes Porträt von Prinzessin Mariţica Bibescu). Er lebte seit 1843 in Bukarest und stieg wenige Jahre später zum bedeutendsten Fotografen der rumänischen Fürstentümer auf, nicht zuletzt dank seiner Aufnahmen vom Krimkrieg und später auch für das rumänische Königshaus.

Eine eher unscheinbare Meldung über den Tod von Omer Paschas wichtigstem militärischen Lehrer, dem Major Graf von Gospich (1781-1854), der im kroatischen Gospić an der Cholera gestorben war, könnte indes meine Annahme stützen, weil neben dem kleinen Nachruf auch ein aufschlussreicher „Original-Brief“ Omer Paschas aus Rustschuk mit Datum vom 18.12.1854 abgedruckt ist, den dieser seinem verehrten Lehrer geschickt hatte. Diesem Brief zufolge hatte er dem Major als Beweis seines Dankes neben 200 Golddukaten auch sein „meisterhaft in Aquarell gemaltes“ Porträt von Szathmaryi (sic) in Quartgröße zugeschickt (vgl. Siebenbürger Bote Nr. 195 vom 2. Oktober 1855, S. 782). Nicht ausgeschlossen, dass das Aquarell-Porträt zeitgleich mit dem Bildnis der jungen Pianistin Anna Simonis entstand. Der Verbleib der beiden Originale ist leider unbekannt.

Der hier abgedruckte Text stellt eine gekürzte Fassung meines Beitrags für das Jahrbuch 2022 des Siebenbürgisch-Sächsischen Hauskalenders dar. Neben dem dort abgedruckten Text „Princesse Omer“ der Repser Heimatschriftstellerin Hermine Melas (1864-1951), der immer noch den maßgeblichen Basistext zum Leben von Anna Simonis darstellt (auch in dem von Oskar Wittstock herausgegebenen Sammelband „Im Kampf um Brot und Geist“, 1927, nachzulesen), ist ferner auch ein Artikel von Emil Sigerus zu erwähnen, dem auch nebenstehendes Altersbild entnommen ist (Welt und Heimat Nr. 27 vom 7.12.1924, S. 323). Danach trug auch der eher als Kunstkritiker bekannte Viktor Kloeß einige Fakten zur Vita von „Prinzessin Omer“ zusammen (Korrespondenzblatt Nr. 5-6, 1927, S. 83-84). 2011 veröffentlichte der zeitweilig als Landarzt bei Hamruden tätige Dr. Károly Szöcs (gest. 2018) neue Erkenntnisse, speziell auch zu Annas zweitem Ehemann Otto von Braunecker-Beridez (1818-1880), einem Banater Adligen, den diese nach ihrer Trennung von Omer Pascha 1860 geheiratet hatte (Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde, H. 1, 2011, S. 117-119).
Das Elternhaus von Anna Simonis in Hamruden in ...
Das Elternhaus von Anna Simonis in Hamruden in der Niedergasse Nr. 46 steht noch, wenn auch leider mit entferntem Gesims, einer dritten, nicht der sächsischen Fassadengestaltung entsprechenden Giebelöffnung und einem späteren Fensterstock (2021). Bildquelle: Horst Bretz/HOG Hamruden
Das märchenhaft-abenteuerliche Leben der einstigen Militärgouverneursgattin beschäftigte neben der bereits erwähnten Hermine Melas jahrelang auch Adolf Meschendörfer: anekdotenhaft in „Der Büffelbrunnen“, abendfüllend als 298 Seiten starkes Drehbuch für Tobis-Film unter Mitarbeit von Herbert Tjadens (Dreharbeiten kriegsbedingt leider abgebrochen). In unseren Tagen waren es zwei Katzendorfer Dorfschreiber, die sich des Stoffes annahmen: gewohnt launig Elmar Schenkel: „Haben wir dafür drei Jahrhunderte gegen die Türken gekämpft, damit der meine Tochter bekommt? Niemals!“ („Mein Jahr hinter den Wäldern“, 2017). Nicht minder amüsant Dagmar Dusil, derzufolge sächsische Bäuerinnen durchaus das Zeug dazu hätten, auch mal einen Pascha ins Schwitzen zu bringen. Sowieso sei jeder Siebenbürger Sachse, zumindest früher, eine Kirchenburg en miniature gewesen, die es zu erobern galt („Auf leisen Sohlen. Annäherungen an Katzendorf“, 2019).

Am 17. November waren es 190 Jahre seit der Geburt des schönen Ännchens von Hamruden.

Konrad Klein

Schlagwörter: Porträt, Hamruden, Fotografie, Konrad Klein

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