3. Dezember 2024

Wortlandstreicher: Pop Verlag mit Deutschem Verlagspreis ausgezeichnet

Wie macht er das bloß? Diese Frage kennen alle, die mit Traian Pop zusammenarbeiten, sie wird ihnen nicht nur von vielen Seiten gestellt, sie stellen sie sich auch selbst. Und Traian Pop steht ihr mutmaßlich jeden Morgen gegenüber, beantwortet sie jeden Tag neu – und weiß es immer noch nicht. „Dass ich mich persönlich immer als jemanden betrachtet habe, der das Risiko liebte, an die Grenzen ging und die Zäune zu weniger ausgetretenen Orten übersprang, war mir bisher kaum bewusst. Genauso wie ich nie vorhatte, ausgerechnet in die Falle zu tappen, um jeden Preis so sein zu wollen wie jene, die ich bewunderte, ohne … wirklich zu wissen, wer sie waren und was genau die Anziehungskraft auslöste, die meist kein logisches Argument schwächen konnte.“
Traian Pop mit Kulturstaatsministerin Claudia ...
Traian Pop mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth bei der Verleihung des Deutschem Verlagspreises 2024 auf der Frankfurter Buchmesse. Foto: Maria-Dorina Pop
So verschmitzt entschlägt er sich „logischer Argumente“ und belächelt – sich selbst. Dieser Traian Pop ist nämlich einer, der lächeln gelernt hat zu Zeiten und an Orten, zu denen und an denen dafür keinerlei Anlass bestand. In heutiger Zeit und an anderem Ort, ja allerorten praktiziert er das Lächeln unbeirrt als Lyriker mit eigenen und als Verleger von Texten anderer Autoren. Möglicherweise ist er selbst überrascht, dass ich ihm zuvorderst das Lächeln nachsage, dass ich den Ernst, mit dem er seine Arbeit tut, mit dem bunten Wimpel der Freundlichkeit versehe. Aber einer, der so zu überraschen versteht wie er, der darf auch selbst überrascht werden.

Nichts am Leben und Tun des 1952 im siebenbürgischen Kronstadt Geborenen ist „seinen Gang gegangen“, schon gar nicht den „sozialistischen“, der einst dort vorgeschrieben war. Nach einem Studium an der Polytechnischen Hochschule Temeswar verweigert er die Laufbahn eines Ingenieurs in der „vielseitig entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ und begibt sich auf eigensinnige Abwege, die in die Kulturszene einer immer noch von habsburgischen Reminiszenzen zehrenden Stadt führen. So hat er zur Rock- und Jazzszene, ja zum Deutschen Staatstheater Temeswar gefunden, so hat er in den achtziger Jahren begonnen, mit lyrischen Texten und einem Theaterstück über die „Kleinen Lügen in der Stadt der Lügenzwerge“ – im rumänischen Vaterland der Lüge – der Wahrheit das Wort zu reden.

Nach der Ausreise 1990 hat er in Deutschland beschlossen, den Worten anderer Gehör zu verschaffen – in der deutschen Sprache, die ihm stets, mit Werner Söllner zu sprechen, „fremd und vertraut“ geblieben ist. Der deutsche Verlag mit seinem Namen bietet rund 520 Titel und die beiden Zeitschriften Matrix und Bawülon an, die in mittlerweile 162 Nummern die Buchpublikationen flankieren. 140 Bücher stammen – naturgemäß – von Autoren in und aus Rumänien, zur Hälfte schreiben sie Deutsch. Schon diese nachgerade barocke Statistik illustriert die Sinnfälligkeit jenes orthographisch akrobatischen Bawülon. Das Sortiment des Pop Verlags passt genauso wenig wie der Verleger in irgendeine Matrix, und so leistet dieser (sich) halt selber eine. Drum ehrt es die unabhängige Jury des Deutschen Verlagspreises, dass sie ihn zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse geehrt hat.

Der „Rebell“ (ein väterlich mildes Wort seines rumäniendeutschen Übersetzers Georg Scherg) der Achtziger, der „Hasardeur“, wie ihn sein Autor Frieder Schuller heute nennt, dieser Traian Pop, der sich seinen Vornamen auch als künstlerischen „Nom de Guerre“ symmetriehalber zugelegt hat, ist ein Einzelgänger unter den „Wortlandstreichern“. So bezeichnet der österreichische Schriftsteller und Verleger Ludwig Hartinger sich und sie, und so sieht sich Traian Pop Traian: „ewig unterwegs Landstreicher / mit den traurigen Augen des Abends / und wirrem Haar gleich einem Schimpfwort“ zwischen Worten, Sprachen, Ländern.

Er hat etwas, was Dichter „an sich“ gerade nicht auszeichnet und was ich mit „Freundlichkeit“ notdürftig zu umschreiben versucht habe. Und was Dichtern gemeinhin nicht eigen ist: Bescheidenheit bis hin zur Selbstlosigkeit. Fern von ihm jedoch, dies als einzigartig zu affichieren. Dieser Mensch hat im rumänischen Sozialismus gelernt: Alles, was affichiert wird, klingt nicht nur, sondern ist von vornherein falsch, führt in die Irre, spiegelt Hoffnung vor.

Damit sind wir bei der schönen Utopie vom Schmelztiegel Siebenbürgen/Banat, der dieser rumänische Poet und deutsche Verleger zahlreicher anderssprachiger Schriftsteller nachhängt. Auch in dieser Zeitung konnte man ihm manches Mal bei der unverdrossenen Trauerarbeit zusehen. Weder beim Schreiben noch beim Büchermachen leugnet oder verleugnet er seine Position als „Zwischenschaftler“ – um Dieter Schlesak, einen weiteren seiner Autoren, zu beschwören –: zwischen Literaturen und Menschen, die sich allemal selbst genügen mögen, das aus seiner Sicht aber nicht tun sollten. Er zitiert mit freundschaftlicher Bewunderung eine längst verstorbene Bukarester Kollegin, welche die nachgerade tragische Kehrseite der Utopie auf die nüchterne Formel gebracht hat: „was würden wir rumänischsprachigen Schriftsteller ohne die / deutschsprachigen anfangen / fragte sich Mariana Marin“.

Der offenen Frage geht Traian Pop in eigenen Texten und Büchern mit Texten anderer geduldig nach bis hin zu dem Schluss, dass verständige und sensible Solidarität aller, die mit und von den Worten aller Sprachen leben, unabdingbar ist. Diesem Gedanken gibt er sich als Verleger, vulgo Unternehmer, hin und hat ihm, rastlos unterwegs für die Schicksals- und Schreibgenossen, ein gerüttelt Maß an eigenen lyrischen Energien geopfert. In Großbuchstaben springt einen seine Einsicht in die Beschränktheit poetischer Imagination an:

„KÖNNTE DAS GURREN DER TAUBE NICHT
DAS WEHKLAGEN
EINER WEITAUS GEQUÄLTEREN SEELE SEIN?“

In den Büchern des Pop Verlags Ludwigsburg stehen viele Antworten.

Georg Aescht

Schlagwörter: Porträt, Verleger, Pop

Bewerten:

21 Bewertungen: o

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.