14. Februar 2008
Bischof in der Gegenwart – Geschichtsschreiber für die Zukunft
Fragt man nach den Persönlichkeiten, die Geschichte und Geschichtsbild der Siebenbürger Sachsen in der zweiten Hälfte des 19. und den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt haben, dann fallen zweifellos die Namen von Georg Daniel Teutsch und Friedrich Teutsch, den „Sachsenbischöfen“ schlechthin und Verfassern der „Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk“. 1852 veröffentlichte Georg Daniel Teutsch, der damalige Rektor des Schäßburger Gymnasiums, die ersten Lieferungen dieser „Grundfeste, auf der die sächsische Geschichtskenntnis bis heute beruht“, wie Karl Kurt Klein über die Sachsengeschichte geurteilt hat. Für den Sohn, Friedrich Teutsch, der im gleichen Jahr am 16. September geboren wurde, sollte die Vollendung dieses Werkes zur Lebensaufgabe werden.
Als Friedrich Teutsch 55 Jahre später (1907) den zweiten Band vorlegte, war er dazu nicht nur wie kein anderer seiner Generation berufen, sondern auch glänzend vorbereitet. Er hatte zunächst die Schäßburger Bergschule besucht, die sich, geleitet von seinem Vater, unter Mitarbeit so hervorragender Vertreter unserer Landeskundeforschung wie Josef Haltrich, Carl Gooss, Friedrich Müller und Georg Fr. Marienburg, zu einer der besten Bildungsanstalten jener Zeit entwickelt hatte, hörte dann (1869-1870) an der Hermannstädter Rechtsakademie bei Friedrich Schuler von Libloy siebenbürgische Rechtsgeschichte und war schließlich, während des Studiums der Theologie und Geschichte an den Universitäten Heidelberg, Leipzig und Berlin (1870-1874) ein Schüler von Theodor Mommsen, Wilhelm Wattenbach und Heinrich von Treitschke.
Mommsen und Wattenbach, die berühmten Herausgeber antiker bzw. mittelalterlicher Geschichtsquellen, vermittelten ihm eine gründliche Ausbildung in positivistischer Quellenkunde, der das Geschichtswerk Friedrich Teutschs die ausgezeichnete wissenschaftliche Untermauerung verdankt. Treitschke, der bedeutende Repräsentant des Historismus jener Zeit, beeinflusste weitgehend sein geschichtliches Denken. Weil der Historismus das Wesen der Wirklichkeit aus ihrem geschichtlichen Werdegang begriff, erkannten seine Vertreter auch die kaum zu unterschätzende Wirksamkeit der Historie für die politische Meinungsbildung. Es ist ein Gedanke, den auch Friedrich Teutsch vertrat und der den Grundton seiner Geschichtsschreibung bestimmte. Er schrieb Geschichte, „um das sächsische Bürger- und Bauernhaus nicht vergessen zu lassen, was es der Vergangenheit verdankt, damit es dadurch fähiger werde, die Gegenwart mit ihren Aufgaben zu verstehen und ihnen gerecht zu werden“.
Nachdem er in Heidelberg mit der Dissertation Die „Unionen“ der drei ständischen „Nationen“ in Siebenbürgen bis 1542 promoviert hatte, kehrte der junge Doktor der Philosophie in die Heimat zurück. Er begann seine berufliche Tätigkeit als Lehrender und dann als Direktor des Hermannstädter Lehrerseminars (1876-1896). Seine größten Erfolge in diesem Bereich waren der Bau des neuen landeskirchlichen Lehrerseminars (1889) und der Zusammenschluss der bis dahin von einzelnen Kirchenbezirken betriebenen Lehrerbildungsanstalten (1894). Als Pfarrer in Großscheuern (1896-1904) und in Hermannstadt (1904-1906) zeichnete er sich durch volkstümliche, gleichzeitig lehrreiche und geschichtsbezogene Predigten aus, aber auch als guter Verwalter kirchlichen Eigentums. Seit 1898 war er 27 Jahre lang Mitglied im Zentralausschuss des Gustav-Adolf-Vereins und konnte in dieser Eigenschaft für die Unterstützung seiner Kirche durch dieses Hilfswerk der evangelischen Kirchen in Deutschland werben.
Als Bischof (1906-1932) steuerte Friedrich Teutsch die evangelische Kirche der Siebenbürger Sachsen durch die schwierigen Fahrwasser einer Zeit des Übergangs, des Neubeginns und der Gefährdungen, in der sein freundliches, auf Konsens ausgerichtetes Wesen viel zur Überbrückung von Gegensätzen beigetragen hat, aber auch das Austragen und Ausdiskutieren von Konflikten behinderte. Seine Grundüberzeugung war, „dass Glaube und Volkstum miteinander stehen und fallen“. Es gab für Friedrich Teutsch – wie der Kirchenhistoriker Ludwig Binder formuliert hat – „kein Arbeitsgebiet der Kirche, das nicht auf dem Boden des Volkslebens stände, und keinen Zug im Volksleben, der nicht durch die Führung der Kirche geadelt und geheiligt würde“. Dieses ‚volkskirchliche‘ Selbstverständnis, das die Mahnung seines Amtsvorgängers Friedrich Müllers d. Ä. nicht berücksichtigte, der Pfarrer möge von der aktuellen Tages- und Parteienpolitik Abstand halten, hat „die innere Bindung an die eigentlichen Aufgaben der Kirche recht locker“ werden lassen (L. Binder) und die evangelische Kirche nach 1918 schwer belastet.
Denn zum einen musste nach dem Anschluss Siebenbürgens an das Königreich (Groß-) Rumänien der Zusammenschluss der siebenbürgisch-sächsischen mit den evangelischen Gemeinden in Bessarabien, der Bukowina, der Dobrudscha, dem Banat und der Hauptstadt Bukarest bewältigt werden, eine Kräfte zehrende und auch finanziell belastende Aufgabe, die dem Kirchenoberhaupt in Hermannstadt zufiel. Die neue Kirchenordnung von 1927 trug diesen Entwicklungen Rechnung. Zum anderen mussten die Folgen der rumänischen Agrarreform von 1924 verkraftet werden, die der Kirche wichtige Einkünfte entzog und zur Erhöhung der Kirchensteuern zwang, um die Pfarrgehälter zahlen zu können und das Schulwesen zu finanzieren. Das leistete der so genannten Unzufriedenenbewegung Vorschub, die sich nationalsozialistischem Gedankengut öffnete. Die Abdankung Friedrich Teutschs am 17. September 1932 und sein Tod am 11. Februar 1933 markieren auch ein Ende der traditionellen, in alle Bereiche des Volkslebens wirkenden Kirchenpolitik. Es blieb diesem um Ausgleich bemühten, jedem Extremismus abholden Menschen erspart, die Entwicklungen der Folgezeit, bis hin zur „Gleichschaltung“ der Kirche durch die „Deutsche Volksgruppe“ im Jahre 1941, zu erleben. Rückblickend kann mit Ludwig Binder festgestellt werden, dass Friedrich Teutsch, anders als sein Vater „nicht so sehr Gestalter, als vielmehr Verwalter des Kirchen- und Volksgeschickes in seiner Mannigfaltigkeit“ gewesen ist.
In der Erinnerung der Nachwelt lebt Friedrich Teutsch vor allem dank seiner regen wissenschaftlichen und publizistischen Tätigkeit fort. Die von Rudolf Spek zusammengestellte Bibliographie enthält 1 351 Titel, darunter zwei ausgezeichnete Quellenpublikationen (Mitarbeit an den Quellen zur Geschichte Siebenbürgens, aus den sächsischen Archiven, 1. Band; Herausgabe der Siebenbürgisch-sächsischen Schulordnungen, 2 Bde), neun selbständige Werke (wie: Geschichte der evangelischen Kirche in Siebenbürgen, 2 Bde.; Die Siebenbürger Sachsen in Vergangenheit und Gegenwart; Georg Daniel Teutsch, Geschichte seines Lebens; Herausgeber der Bilder aus der vaterländischen Geschichte, 2 Bde.) sowie zahlreiche Aufsätze zur siebenbürgischen Geschichte. Das wissenschaftliche Werk dieses „fruchtbarsten Geschichtsschreibers“ der Sachsen (Friedrich Müller d. J.) erfuhr auch die äußeren Ehrungen, deren es würdig war. Friedrich Teutsch wurde schon 1894 Vorsitzender des Vereins für siebenbürgische Landeskunde, dieser „kleinen sächsischen Akademie der Wissenschaften“ (Karl Kurt Klein), außerdem war er Inhaber mehrerer Ehrendoktorate ausländischer Universitäten und seit 1919 Ehrenmitglied der Rumänischen Akademie. Er ist auch nicht zufällig zum Namensgeber der Landeskirchlichen Begegnungsstätte mit Zentralarchiv und Museum geworden, die im früheren Waisenhaus in Hermannstadt aufgebaut wird, führt doch dieses „Friedrich-Teutsch-Haus“ zentrale Elemente seines Wirkens fort.
Es ist bezeichnend für das Verantwortungsbewusstsein, mit dem Teutsch an sein Lebenswerk, die Fortsetzung und Vollendung der Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk heranging, dass er sich erst 23 Jahre nach Abschluss der Hochschule entscheiden konnte, den zweiten Band zu veröffentlichen. Es sind Jahre intensivster Vorbereitung, deren Niederschlag zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten sind, Jahre, in denen er – der als Student vor der Frage Mommsens, ob er die Sachsengeschichte seines Vaters fortsetzen wolle, zutiefst erschrak – in die Größe seiner Aufgabe hineinwuchs. In der relativ kurzen Zeit von kaum 20 Jahren (1907-1926) konnte er schließlich das Werk beenden. Es ist bis heute die umfangreichste Darstellung der siebenbürgisch-sächsischen Geschichte.
Die Sachsengeschichte von Georg Daniel Teutsch und Friedrich Teutsch entstand in einer Zeit tief greifender Umbrüche im Leben der Siebenbürger Sachsen. Wie Friedrich Teutsch selbst bekannte, „gibt es kein rechtes historisches Werk, das nicht die Zeichen seiner Entstehungszeit an sich trägt, denn jeder Verfasser schreibt aus seiner Zeit heraus“. Die Revolution von 1848/49 und der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867 bewirkten umfassende ökonomische, soziale und politische Veränderungen, denen sich die sächsische Bevölkerung schwer anpassen konnte. Der österreichische Neoabsolutismus nach 1848 und vor allem die Magyarisierungsbestrebungen nach 1867 bedrohten sogar die nationale Existenz der sächsischen Gemeinschaft und bewirkten den Rückzug auf eine Verteidigungsstellung, deren vordringlichste Aufgabe darin bestand, das Selbstverständnis der Siebenbürger Sachsen neu zu beleben. Geschichte konnte in diesem Zusammenhang nicht Selbstzweck sein, sondern – im Sinne des Historismus – eine Waffe im politischen Kampf; sie sollte Leistung und Existenzberechtigung der Sachsen beweisen, um angesichts der bestehenden Nöte Hilfe und Kraft zu verleihen.
Es ergab sich daraus einerseits eine Beschränkung auf die Darstellung der eigenen Geschichte auf Kosten der gesamten Landesgeschichte, andererseits eine gewisse Heroisierung der siebenbürgisch-sächsischen Vergangenheit, verbunden mit einer allzu einseitigen Darstellung von Richtung und Ziel dieser Geschichte als ständigem, meist erfolglosem Kampf für die Bewahrung errungener Vorrechte. Daraus folgte wie selbstverständlich eine Beschränkung auf die Behandlung der politischen und in geringerem Maße der Kirchengeschichte. Kultur- und Kunstgeschichte kamen wie auch die Wirtschaftsgeschichte nur insoweit zur Geltung, als sie dazu dienten, die Leistungen der Vorfahren hervorzuheben. Sozialgeschichte wurde stark vernachlässigt. All das forderte zur Kritik heraus, und sie wurde schon von den Zeitgenossen (Franz Zimmermann, Johannes Höchsmann) formuliert. Sich aber heute auf eine solche Kritik sozusagen als „Pflichtübung“ zu beschränken, ist wenig sinnvoll, sind doch die Mängel, auf die gewöhnlich hingewiesen wird, im historischen Denken jener Zeit verwurzelt. Notwendig ist vielmehr eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Teutschschen Geschichtswerk und das bedeutet: die landesgeschichtliche Integration und eine zeitgemäße Interpretation der sächsischen Geschichte, die intensivere Behandlung jener Aspekte unserer Vergangenheit, die darin vernachlässigt worden sind, die Berichtigung und Ergänzung verschiedener Einzelfragen. Denn dieses Werk erweist sich selbst dort als fruchtbar, wo es zur Kritik herausfordert! (Andreas Möckel)
Auch als Historiker hat Friedrich Teutsch für gegenseitigen Respekt und Versöhnung gewirkt. Nach dem Anschluss Siebenbürgens an Rumänien schrieb er in einer einbändigen Geschichte seines Volkes (Die Siebenbürger Sachsen in Vergangenheit und Gegenwart, 1924) die bezeichnenden Worte: „Das zukünftige gegenseitige Verstehen der nun einmal hier zusammenwohnenden Völker, das doch gefunden werden muss, setzt vor allem eine gegenseitige Kenntnis voraus, und zwar der Seelenstimmungen und Schwingungen, die nicht immer an der Oberfläche erkennbar sind; und wer für solches gegenseitiges Sichkennenlernen arbeitet, baut für die Zukunft“.
Nachdem er in Heidelberg mit der Dissertation Die „Unionen“ der drei ständischen „Nationen“ in Siebenbürgen bis 1542 promoviert hatte, kehrte der junge Doktor der Philosophie in die Heimat zurück. Er begann seine berufliche Tätigkeit als Lehrender und dann als Direktor des Hermannstädter Lehrerseminars (1876-1896). Seine größten Erfolge in diesem Bereich waren der Bau des neuen landeskirchlichen Lehrerseminars (1889) und der Zusammenschluss der bis dahin von einzelnen Kirchenbezirken betriebenen Lehrerbildungsanstalten (1894). Als Pfarrer in Großscheuern (1896-1904) und in Hermannstadt (1904-1906) zeichnete er sich durch volkstümliche, gleichzeitig lehrreiche und geschichtsbezogene Predigten aus, aber auch als guter Verwalter kirchlichen Eigentums. Seit 1898 war er 27 Jahre lang Mitglied im Zentralausschuss des Gustav-Adolf-Vereins und konnte in dieser Eigenschaft für die Unterstützung seiner Kirche durch dieses Hilfswerk der evangelischen Kirchen in Deutschland werben.
Als Bischof (1906-1932) steuerte Friedrich Teutsch die evangelische Kirche der Siebenbürger Sachsen durch die schwierigen Fahrwasser einer Zeit des Übergangs, des Neubeginns und der Gefährdungen, in der sein freundliches, auf Konsens ausgerichtetes Wesen viel zur Überbrückung von Gegensätzen beigetragen hat, aber auch das Austragen und Ausdiskutieren von Konflikten behinderte. Seine Grundüberzeugung war, „dass Glaube und Volkstum miteinander stehen und fallen“. Es gab für Friedrich Teutsch – wie der Kirchenhistoriker Ludwig Binder formuliert hat – „kein Arbeitsgebiet der Kirche, das nicht auf dem Boden des Volkslebens stände, und keinen Zug im Volksleben, der nicht durch die Führung der Kirche geadelt und geheiligt würde“. Dieses ‚volkskirchliche‘ Selbstverständnis, das die Mahnung seines Amtsvorgängers Friedrich Müllers d. Ä. nicht berücksichtigte, der Pfarrer möge von der aktuellen Tages- und Parteienpolitik Abstand halten, hat „die innere Bindung an die eigentlichen Aufgaben der Kirche recht locker“ werden lassen (L. Binder) und die evangelische Kirche nach 1918 schwer belastet.
Denn zum einen musste nach dem Anschluss Siebenbürgens an das Königreich (Groß-) Rumänien der Zusammenschluss der siebenbürgisch-sächsischen mit den evangelischen Gemeinden in Bessarabien, der Bukowina, der Dobrudscha, dem Banat und der Hauptstadt Bukarest bewältigt werden, eine Kräfte zehrende und auch finanziell belastende Aufgabe, die dem Kirchenoberhaupt in Hermannstadt zufiel. Die neue Kirchenordnung von 1927 trug diesen Entwicklungen Rechnung. Zum anderen mussten die Folgen der rumänischen Agrarreform von 1924 verkraftet werden, die der Kirche wichtige Einkünfte entzog und zur Erhöhung der Kirchensteuern zwang, um die Pfarrgehälter zahlen zu können und das Schulwesen zu finanzieren. Das leistete der so genannten Unzufriedenenbewegung Vorschub, die sich nationalsozialistischem Gedankengut öffnete. Die Abdankung Friedrich Teutschs am 17. September 1932 und sein Tod am 11. Februar 1933 markieren auch ein Ende der traditionellen, in alle Bereiche des Volkslebens wirkenden Kirchenpolitik. Es blieb diesem um Ausgleich bemühten, jedem Extremismus abholden Menschen erspart, die Entwicklungen der Folgezeit, bis hin zur „Gleichschaltung“ der Kirche durch die „Deutsche Volksgruppe“ im Jahre 1941, zu erleben. Rückblickend kann mit Ludwig Binder festgestellt werden, dass Friedrich Teutsch, anders als sein Vater „nicht so sehr Gestalter, als vielmehr Verwalter des Kirchen- und Volksgeschickes in seiner Mannigfaltigkeit“ gewesen ist.
In der Erinnerung der Nachwelt lebt Friedrich Teutsch vor allem dank seiner regen wissenschaftlichen und publizistischen Tätigkeit fort. Die von Rudolf Spek zusammengestellte Bibliographie enthält 1 351 Titel, darunter zwei ausgezeichnete Quellenpublikationen (Mitarbeit an den Quellen zur Geschichte Siebenbürgens, aus den sächsischen Archiven, 1. Band; Herausgabe der Siebenbürgisch-sächsischen Schulordnungen, 2 Bde), neun selbständige Werke (wie: Geschichte der evangelischen Kirche in Siebenbürgen, 2 Bde.; Die Siebenbürger Sachsen in Vergangenheit und Gegenwart; Georg Daniel Teutsch, Geschichte seines Lebens; Herausgeber der Bilder aus der vaterländischen Geschichte, 2 Bde.) sowie zahlreiche Aufsätze zur siebenbürgischen Geschichte. Das wissenschaftliche Werk dieses „fruchtbarsten Geschichtsschreibers“ der Sachsen (Friedrich Müller d. J.) erfuhr auch die äußeren Ehrungen, deren es würdig war. Friedrich Teutsch wurde schon 1894 Vorsitzender des Vereins für siebenbürgische Landeskunde, dieser „kleinen sächsischen Akademie der Wissenschaften“ (Karl Kurt Klein), außerdem war er Inhaber mehrerer Ehrendoktorate ausländischer Universitäten und seit 1919 Ehrenmitglied der Rumänischen Akademie. Er ist auch nicht zufällig zum Namensgeber der Landeskirchlichen Begegnungsstätte mit Zentralarchiv und Museum geworden, die im früheren Waisenhaus in Hermannstadt aufgebaut wird, führt doch dieses „Friedrich-Teutsch-Haus“ zentrale Elemente seines Wirkens fort.
Es ist bezeichnend für das Verantwortungsbewusstsein, mit dem Teutsch an sein Lebenswerk, die Fortsetzung und Vollendung der Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk heranging, dass er sich erst 23 Jahre nach Abschluss der Hochschule entscheiden konnte, den zweiten Band zu veröffentlichen. Es sind Jahre intensivster Vorbereitung, deren Niederschlag zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten sind, Jahre, in denen er – der als Student vor der Frage Mommsens, ob er die Sachsengeschichte seines Vaters fortsetzen wolle, zutiefst erschrak – in die Größe seiner Aufgabe hineinwuchs. In der relativ kurzen Zeit von kaum 20 Jahren (1907-1926) konnte er schließlich das Werk beenden. Es ist bis heute die umfangreichste Darstellung der siebenbürgisch-sächsischen Geschichte.
Die Sachsengeschichte von Georg Daniel Teutsch und Friedrich Teutsch entstand in einer Zeit tief greifender Umbrüche im Leben der Siebenbürger Sachsen. Wie Friedrich Teutsch selbst bekannte, „gibt es kein rechtes historisches Werk, das nicht die Zeichen seiner Entstehungszeit an sich trägt, denn jeder Verfasser schreibt aus seiner Zeit heraus“. Die Revolution von 1848/49 und der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867 bewirkten umfassende ökonomische, soziale und politische Veränderungen, denen sich die sächsische Bevölkerung schwer anpassen konnte. Der österreichische Neoabsolutismus nach 1848 und vor allem die Magyarisierungsbestrebungen nach 1867 bedrohten sogar die nationale Existenz der sächsischen Gemeinschaft und bewirkten den Rückzug auf eine Verteidigungsstellung, deren vordringlichste Aufgabe darin bestand, das Selbstverständnis der Siebenbürger Sachsen neu zu beleben. Geschichte konnte in diesem Zusammenhang nicht Selbstzweck sein, sondern – im Sinne des Historismus – eine Waffe im politischen Kampf; sie sollte Leistung und Existenzberechtigung der Sachsen beweisen, um angesichts der bestehenden Nöte Hilfe und Kraft zu verleihen.
Es ergab sich daraus einerseits eine Beschränkung auf die Darstellung der eigenen Geschichte auf Kosten der gesamten Landesgeschichte, andererseits eine gewisse Heroisierung der siebenbürgisch-sächsischen Vergangenheit, verbunden mit einer allzu einseitigen Darstellung von Richtung und Ziel dieser Geschichte als ständigem, meist erfolglosem Kampf für die Bewahrung errungener Vorrechte. Daraus folgte wie selbstverständlich eine Beschränkung auf die Behandlung der politischen und in geringerem Maße der Kirchengeschichte. Kultur- und Kunstgeschichte kamen wie auch die Wirtschaftsgeschichte nur insoweit zur Geltung, als sie dazu dienten, die Leistungen der Vorfahren hervorzuheben. Sozialgeschichte wurde stark vernachlässigt. All das forderte zur Kritik heraus, und sie wurde schon von den Zeitgenossen (Franz Zimmermann, Johannes Höchsmann) formuliert. Sich aber heute auf eine solche Kritik sozusagen als „Pflichtübung“ zu beschränken, ist wenig sinnvoll, sind doch die Mängel, auf die gewöhnlich hingewiesen wird, im historischen Denken jener Zeit verwurzelt. Notwendig ist vielmehr eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Teutschschen Geschichtswerk und das bedeutet: die landesgeschichtliche Integration und eine zeitgemäße Interpretation der sächsischen Geschichte, die intensivere Behandlung jener Aspekte unserer Vergangenheit, die darin vernachlässigt worden sind, die Berichtigung und Ergänzung verschiedener Einzelfragen. Denn dieses Werk erweist sich selbst dort als fruchtbar, wo es zur Kritik herausfordert! (Andreas Möckel)
Auch als Historiker hat Friedrich Teutsch für gegenseitigen Respekt und Versöhnung gewirkt. Nach dem Anschluss Siebenbürgens an Rumänien schrieb er in einer einbändigen Geschichte seines Volkes (Die Siebenbürger Sachsen in Vergangenheit und Gegenwart, 1924) die bezeichnenden Worte: „Das zukünftige gegenseitige Verstehen der nun einmal hier zusammenwohnenden Völker, das doch gefunden werden muss, setzt vor allem eine gegenseitige Kenntnis voraus, und zwar der Seelenstimmungen und Schwingungen, die nicht immer an der Oberfläche erkennbar sind; und wer für solches gegenseitiges Sichkennenlernen arbeitet, baut für die Zukunft“.
Dr. Konrad Gündisch
Schlagwörter: Kirche und Heimat, Historiker
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- 14.02.2008, 22:12 Uhr von erasmus: Zu Friedrich Teutsch ist gerade ein Buch erschienen: Gerhard Schullerus und Wolfram G. ... [weiter]
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