23. Februar 2010

Otto Piringer: De iejenätzich Neeber

Gedicht in siebenbürgisch-sächsischer Mundart, entnommen aus: "Schärhibesker. Lastich Geschichten ä saksesche Reimen vun Otto Piringer". Gedrackt uch verlocht vu W. Krafft, Härmestadt 1921.
En uerem Danner, die gestiehlen,
dië sul na glatt der Hänger hilen.
Dänn säch – em måcht net vill Geschichten,
än ålder Zekt, mät diërlå lichten
Mängschen. Datt sich jeder hät,
kåm un de Galjen uch aft Räd
der Nästnätz, die de stull uch ruuwt. -
Uch aser uerem Danner gluuwt:
„Ta wirscht de Kuckuck nemmi hiren,
dänn na kitt det Exekutieren!“
Cha awer, munchmol, glatt wonn´t spet,
äs oft de Hälf gånz än der Neht.
Äm Iert gåw´t niche Galje nooch,
„Wo heh mer´n na?“ Dåt wor de Frooch.
Der Nobermuert hatt fir de Tot
en Galjen uch´t jus gladii, wä em sot.
Äm dåt båt de Gemien gorr hiesch:
„Heht es de Lumpen af, ’t licht Fliesch!“
Dett wor en Frooch besangdrer Uert,
sälwst fir e kennengliche Muert.
Äm dåt bestålt der Hann af drå
de Kommunität än de Kanzlå.
„Sed hiesch gebädden, ir gat Frängd,
und säht, datt er en Åntwert fängd
af det Usäcken aser Neeber!
Wat mient Er derza, Wiertmån Weber?“
Em riëdt båld dåt, em riëdt båld dett:
„Mer giën en!“ – „Ei, mer giën en net!“
Si riëdt em ammeränk zwo Stangden.
Da hatt der Wiertmån ´t Richtich fangden.
Die sot mät em gewässe Stuulz:
„Der Galjen äs ous a s e m Huulz,
e stiht af a s e m Galjereech;
fremd Lekt drun hehn, wer e Geleech.
Nä, ir gat Lekt, dåt wer en Sängd!
Die äs fir as uch fir as Kängd!"
Und alle krieschen: „Bravo, Weber! –
Dett äs as Åntwert fir de Neeber!“
Dett factum awer äs geschähn
Anno tousendsiwenhangdertzähn!
Und well em niche Galje fånd,
less em de Riewer frå änt Lånd.
E liëwt nooch lang gånz agestiert
und huet sich schengber – sihr vermihrt.


Woher kommt es eigentlich, dass heutzutage so viele Spitzbuben in der Welt herumlaufen? Schuld daran, so belehrt uns Otto Piringer, seien sächsische Eigensüchtelei und Missgunst gewesen: Nicht einmal die Nutzung des eigenen Galgens wollte man den Nachbarn gönnen. Schließlich war man ja Marktgemeinde und besaß auch das jus gladii (von gladius, lateinisch: Schwert), also die Halsgerichtsbarkeit. Doch wegen Diebstahl gleich an den Galgen? Dass die Gerichtsbarkeit früher tatsächlich sehr streng gewesen ist, zeigt ein Blick in: „Der Sächsischen Nation in Siebenbürgen STATUTA oder: EIGEN LAND-RECHT“. Dort kann man nämlich in „Das vierdte Buch, der andre Titul“ lesen: „§ 10. Strafe der Dieben, welche gemeine Güter, oder Kirchengut gestohlen. Gemeine Rechte und Land-Beschlüsse halten ein, daß die ergriffene überwiesene Dieben mit dem Strang gerichtet werden: Jene aber, so geweyhete oder Kirchen-Güter aus den Kirchen stehlen, werden mit dem Feuer gestraft [...].“ Zitiert aus dem Druck von 1779, „gedruckt bey Martin Hochmeister, k. k. priv. Buchdrucker und Buchhändler. Herrmannstadt“.

Zur Biographie von Otto Piringer (1874 - 1950) siehe u.a. auch Siebenbürgische Zeitung vom 5. Februar 2009.

Hanni Markel und Bernddieter Schobel

Schlagwörter: Mundart

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