Ein provokantes Schwein: Ausstellung mit Dorfstraßenfotografie in Fürth

(01.04.2022-15.06.2022)

Bayern

Bevor Sie nun üble Schimpftiraden auf fiese Menschen erwarten, seien Sie beruhigt: Mit dem Begriff Schwein ist an dieser Stelle tatsächlich das Tier gemeint. Solch ein Paarhufer rennt nämlich durch das Bild, mit dem die Ausstellung „Dorfstraßenfotografie“ von Robert Söllner in Fürth beworben wird. Bis zum 15. Juni ist die kleine Fotoausstellung im Babylon-Kino noch zu sehen. Ein Besuch.
Als ich die Ausstellungsankündigung in den Fürther Nachrichten das erste Mal sehe, ist mein erster Gedanke: „Na, da bin ich aber gespannt, wie unsere Sachsen das aufnehmen werden!“ In Gesprächen mit Landsleuten habe ich nämlich einerseits den Eindruck, dass insbesondere die Städter nicht auf das Dörfliche reduziert werden wollen. Dass es andererseits aber genau das vermeintlich romantische Dorfleben ist, das für zahlreiche Besucher (mich eingeschlossen) den Reiz Siebenbürgens ausmacht.
Immer wieder klingt in Gesprächen durch, dass die (ehemaligen) sächsischen Dorfbewohner nicht zufrieden damit sind, wie die Häuser und Höfe heute instandgehalten und bewirtschaftet werden. Vermittelt das freilaufende Schwein auf der Dorfstraße dem hiesigen Betrachter also den fatalen Eindruck, dass in den sächsischen Dörfern „Unordnung“ herrscht? Was gibt das für ein Bild von „uns“? Das Schwein provoziert, aber es amüsiert mich auch, also gehe ich zur Ausstellungseröffnung am 1. April.
Die anderen Bilder und vor allem die Gespräche zeigen sehr schnell: Im Fokus stehen hier ganz klar die Menschen. Es ist rührend, wie warmherzig und liebevoll der Fotograf Robert Söllner und seine Frau Almut Sauer von Reichesdorf und seinen heutigen Bewohnern – zu denen sie einen Teil des Jahres auch gehören – reden. Dieselbe Wertschätzung ist auch in den Schwarz-Weiß-Fotos zu erkennen.
Natürlich hat Söllner in Siebenbürgen auch Städte fotografiert. Doch für diese Schau hat er, der selbst aus einem kleinen Dorf bei Ansbach stammt, eben nur Bilder aus seinem „Lieblingsdorf“ Reichesdorf ausgewählt. Neben Straßenszenen sind große Portraits aufgehängt, die zu einer Serie von Portraits aus dem Jahr 2014 gehören: In einem improvisierten Fotostudio im Hof des Predigerhauses in Reichesdorf wurden all jene Bewohner, Besucher und Zugereiste fotografiert, die das wollten. Diese vorsichtige und respektvolle Herangehensweise zieht sich durch alle Bilder, die freundschaftliche, entspannte Atmosphäre zwischen den Menschen vor und hinter der Kamera wird spürbar.
Die Fotos tragen keine Titel und geben keine Interpretation vor, ich stehe ihnen also ganz alleine mit meinen Vorurteilen gegenüber. Der weitere Kontext fehlt, die (Dorf-)Straßenfotografie stellt nur eine Momentaufnahme dar. Was lese ich darin? Sehe ich darin Rumänen und Roma, die – wie wir ja alle vermeintlich wissen – „unsere“ Dörfer nicht in Ordnung halten? Die sich nicht daran stören, dass die Schweine frei herumlaufen? Oder halte ich mir die Option offen, dass das Schwein einfach dem Schlachter entwischt sein könnte? Warum ändert sich meine Meinung über den biertrinkenden Rom in Latzhose, als ich höre, er sei einer der letzten Dorfbewohner, der noch fließend Sächsisch spricht?
Wer sich mal wieder mit seinen eigenen Vorurteilen auseinandersetzen oder einfach nur schöne Bilder der Menschen aus Reichesdorf ansehen will, dem sei die kleine, aber feine Ausstellung im Babylon-Kino am Stadtpark in der Nürnberger Straße 3 empfohlen. Bis zum 15. Juni sind die Fotos noch in Fürth zu sehen, danach wandern sie nach Reichesdorf. Wem beides zu weit ist, der schaut sich auf Robert Söllners Webseite um: www.wahrscheinlicht.de.

Ort: Babylon-Kino, Nürnberger Straße 3, Fürth

Schlagwörter: Ausstellung, Fotografie

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