Dieter Schlesak bei der CNSAS - Vom Freund ausspioniert - Brisantes aus den Securitate-Akten

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Carl Gibson
schrieb am 16.11.2010, 11:32 Uhr
Mythen wanken, Ikonen stürzen. Dieter Schlesak hat seine Securitate-Akte bei der CNSAS ( rumänische Gauck-bzw. Birthler-Behörde)studiert - und er ist erschüttert:
Ein Freund hat ihn ausspioniert.
Die Details unter:

http://www.faz.net/s/RubBE163169B4324E24BA92AAEB5BDEF0DA/Doc~EFA9F2B541EF14791AC8E0B49FAAD0E2E~ATpl~Ecommon~Sspezial.html


Am 4. Oktober 2010 war ich selbst bei der CNSAS in Bukarest, habe meine Akte eingesehen und mitgebracht, auch andere Akten, etwa die Akte "Cristina".
Differenziert ausgewertet ist alles noch nicht. Doch der Fall "Dieter Schlesak" verweist darauf.
Viel "Brisantes" und Unerwartetes kommt noch auf uns zu.
Stoff für eine neue Debatte über Kommunismusforschung und Vergangenheitsaufarbeitung.

Gernamus
schrieb am 16.11.2010, 12:04 Uhr
Bin neugierig, wie sich der Verantwortliche für Politik unserer Zeitung (CS) in diesem Forum und dann auch in der SZ zu den neuesten Erkenntnissen über die Securitate Informanten und Mitarbeiter äußert.
Christian Schoger (Moderator)
schrieb am 16.11.2010, 12:44 Uhr
Verehrter Gernamus,
Ihrer Stichelei zum Trotz soll das hier - zumindest meinerseits -nicht zur Privatfehde ausarten, zumal Sie im Gegensatz zu mir nicht mit Pseudonym auftreten. Übrigens bin ich (Kürzel CS) nicht verantwortlich für Politik, wie Sie wiederholt behaupten. Verantwortlicher Redakteur ist Siegbert Bruss (siehe auch Impressum der Zeitung).
Zur Reaktion auf die FAZ-Veröffentlichung: Besagten Artikel haben wir sogleich in unseren SbZ-online-Pressespiegel aufgenommen:
http://www.siebenbuerger.de/zeitung/presse/
Gernamus
schrieb am 16.11.2010, 14:18 Uhr
In der SZ (Jubiläumsausgabe, Seite 8) ist u.a. zu lesen, dass CS, zweiter Redakteur der SZ, vornehmlich Beiträge in den Bereichen Kultur und Politik schreibt.
Es bleibt die Frage, warum Christian Schoger so intensiv und so lange versucht hat, Oskar Pastior mehr als Opfer denn als Täter im Siebenbürgen-Portal darzustellen. Bei Dieter Schlesak ist nun zu lesen, dass Schlesak selbst und vor allem der Lyriker Georg Hoprich (der dann 1969 auch Selbstmord verübt hat) von Oskar Pastior, ihrem damaligen Freund, bespitzelt und mit etlichen Securitate-Berichten bedacht worden sind.
Christian Schoger (Moderator)
schrieb am 16.11.2010, 15:08 Uhr
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!
Verantwortlicher Redakteur, verehrter Gernamus, ist Siegbert Bruss. Das widerlegen Sie auch nicht mit dem Hinweis auf die Jubiläumsausgabe der Siebenbürgischen Zeitung, wo von bevorzugten Themenbereichen die Rede ist, was von der presserechtlichen Verantwortlichkeit zu unterscheiden ist. Daher sollten Sie mit "verantwortlich" sehr sensibel umgehen.
Wenn Sie den FAZ-Beitrag von Dieter Schlesak gründlich lesen, begegnet Ihnen die folgende Passage:
"als im September bekannt wurde, dass Oskar Pastior IM gewesen war, hofften alle, dass es keine Spitzelberichte von ihm gab. Ich selbst habe Oskar in der „Zeit“ verteidigt, versucht, seine Tat durch die Hölle jener Zeit und die Angst, ja auch Feigheit zu erklären: ausgelöst durch die dauernde Folter-, Lager- und Gefängnisdrohung, der ja auch ich ausgesetzt war und die als wirksames Erpressungsmittel von der Securitate eingesetzt wurde.
Doch meine Verteidigungsrede entsprach einem früheren Kenntnisstadium, vor Lektüre der Akten und der Kenntnis des Falls Hoprich."
Sie unterstellen mir, Oskar Pastior vor dem heutigen Kenntnisstand "mehr als Opfer denn als Täter im Siebenbürgen-Portal darzustellen". Tatsächlich habe ich eine Vorverurteilung abgelehnt, wie von Ihnen praktiziert.
Schlesak selbst revidiert nun erst seinen Standpunkt, nach Einsichtnahme in die Dossiers. Wenn Sie also sich jetzt bestätigt fühlen sollten, verehrter Gernamus, dann "genießen" Sie es. Für mich als jemand, der Oskar Pastior, wenn auch nur wenige Male, persönlich erlebt hat, ist diese Veröffentlichung sehr bitter.
Carl Gibson
schrieb am 16.11.2010, 15:35 Uhr
Es ist legitim, Menschen zu verteidigen, die "die Hölle des Kommunismus und Stalinismus" erlebt haben, die Terror, Folter, Angst ertragen mussten. Ich habe es selbst getan, in einer umfassenden Apologie, speziell im Fall "Ion Caraion".
Der Klassiker rumänischer Lyrik (Expressionismus) und spätere Kritiker des Kommunismus ( nach anfänglicher Begeisterung!) wurde so lange in elfjähriger Gefängnishaft zermürbt, bis er schwach wurde und als Securitate- Informant mitwirkte. ( „Cazul Artur“)Er soll Nicolae Steinhardt ans Messer geliefert haben.

Ein Tag im kommunistischen Gefängnis ist hart. Wer dort überleben will, muss "existenziell" handeln, um dies zu schaffen. Er wird moralisch schwach, weil das Leben vor der Moral kommt - nicht aus Opportunismus ... wie später bei jungen Literaten, die mit den Roten Wölfen heulten, in die KP eintraten und sogar IM der Securitate wurden.

Trotzdem: Das Mitgefühl für Opfer, die Täter wurden ( aus Schwäche), muss sich in Grenzen halten, vor allem deshalb, weil andere "widerstanden" - ungeachtet Haft, Folter etc.

Wenn einer lange Zeit gelogen hat, die Öffentlichkeit getäuscht hat, dann müssen wir uns auch die Frage stellen, was ist überhaupt wahr, wahrhaftig und authentisch an seinem Oeuvre und seinem Zeugnis.

(P.S. Ich habe den Schlesak- Bericht auf FAZ Net kurz kommentiert.)
Christian Schoger (Moderator)
schrieb am 16.11.2010, 16:03 Uhr
Wenn einer lange Zeit gelogen hat, die Öffentlichkeit getäuscht hat, dann müssen wir uns auch die Frage stellen, was ist überhaupt wahr, wahrhaftig und authentisch an seinem Oeuvre und seinem Zeugnis.

Beziehen Sie diese Aussage auf Oskar Pastior, Herr Gibson, so sollten Sie dessen Lügen dokumentieren, belegen können. Das Verschweigen. Das Täuschen. Das Lügen. - Begriffliche Klarheit steht doch wohl vor moralischem Urteilen. Davon abgesehen finde ich es höchst abwegig, das Oeuvre eines Dichters nach Maßstäben wie "wahr", "wahrhaftig" oder "authentisch" zu bewerten.
bankban
schrieb am 16.11.2010, 16:14 Uhr
Tja, wenn nicht die HM damit gemeint sein soll...
Joachim
schrieb am 16.11.2010, 16:16 Uhr (am 16.11.2010, 16:16 Uhr geändert).
Carl Gibson schrieb:
"Er soll Nicolae Steinhardt ans Messer geliefert haben."
Was denn jetzt, hat er ans Messer geliefert oder nicht ?
Warum auf einmal so unpräzise Herr Gibson ?

Des weiteren schrieb Carl Gibson:

"Ein Tag im kommunistischen Gefängnis ist hart. Wer dort überleben will, muss "existenziell" handeln, um dies zu schaffen. Er wird moralisch schwach, weil das Leben vor der Moral kommt - nicht aus Opportunismus ... wie später bei jungen Literaten, die mit den Roten Wölfen heulten, in die KP eintraten und sogar IM der Securitate wurden."
Nennen Sie doch die Leute beim Namen. Werfen Sie keine Nebelkerzen. Oder wollen Sie wieder einmal einen heißen Herbst ? Es ist ja wieder so weit.
Das kommt mir alles so bekannt vor und erinnert mich an einen Carl Gibson in einem Narrenkostüm an Karneval.
Herzlichst
Joachim
Carl Gibson
schrieb am 16.11.2010, 16:55 Uhr (am 16.11.2010, 17:06 Uhr geändert).
Auf Ion Caraion bezog ich mich - ich lernte ihn hier im Westen (1981) als notorischen Kritiker des Kommunismus kennen und war geschockt, als der "Fall Artur" bekannt wurde.

Sie erinnern sich, Herr Schoger - ich wurde hier auf "Siebenbürger" gesperrt, weil ich den Namen Oskar Pastior zu einer Unzeit aussprach und nach seinem Einfluss auf Herta Müllers "Atemschaukel" fragte.
Literaturwissenschaftler müssen wissen, wie ein Werk entsteht, bevor sie es angemessen interpretieren können.
Was ist Oskar Pastior zu verdanken an Ideen, Wortmaterial, Konzeption etc. bzw. was ist genuin Herta Müller?
Was hat sie aus den Vorgaben gemacht?
Das fragte ich öffentlich bereits mehrfach.

Wie das Ganze (oder Teile davon) "moralisch" zu werten ist, das ist eine andere Frage.
Es gibt eine Literatur ästhetischer Art um ihrer selbst willen (L'art pour l'art) - und eine "engagierte Literatur", die politisch verändernd wirken will.
Wer ist wer? Und was ist was?
Die Wissenschaft wird es noch herausfinden, hoffe ich.

P.S. Apropos Kriterium "Wahrheit", Herr Schoger:

Wie erwarten Sie die Schilderung des Lagerlebens während der Russland-Deportation der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben -
a la "Atemschaukel" von Herta Müller
oder in der Art "Capesius. Der Auschwitzapother" von Dieter Schlesak?

Als Erfahrungsbericht aus "erster Hand" - realistisch geschildert?
Oder als "Fiktion" - sur- realistisch dargestellt?
bankban
schrieb am 16.11.2010, 17:04 Uhr
"Sie erinnern sich, Herr Schoger - ich wurde hier auf "Siebenbürger" gesperrt, weil ich den Namen Oskar Pastior zu einer Unzeit aussprach und nach seinem Einfluss auf Herta Müllers "Atemschaukel" fragte."

Manche haben da noch einen anderen Grund im Kopf, Herr Gibson. Ich zumindest kann mich an keine "Unzeit" in diesem Forum erinnern, in der der Name Pastior mit einem Tabu belegt worden wäre oder auch in der das Herstellen eines Zusammenhangs zwischen Pastior und Müller verboten gewesen wäre. Der Grund der Sperre war ein anderer.
luise
schrieb am 16.11.2010, 17:14 Uhr
Heute Deutschlandfunk 17:35

Freund und Spitzel - Der
Schriftsteller Dieter Schle-
sak hat in seiner Securitate-
Akte die ersten IM-Berichte
von Oskar Pastior entdeckt

http://www.dradio.de/dlf/vorschau/
getkiss
schrieb am 16.11.2010, 17:57 Uhr (am 16.11.2010, 18:04 Uhr geändert).
@bankban:"Der Grund der Sperre war ein anderer."
Bis zum Gegenbeweis glaube ich das nicht.
Gibson hat sich erdreistet, den inzwischen abgestürzten "Säulenheiligen", etwas herunterzuschrauben.

Das kein ausgesprochenes Tabu sichtlich war, heist schon lange nicht, es existierte keines, unterstelle ich mal....

Eher waren die Ellenlangen Attacken von Carl der Grund, und die Sequenz mit Pastior nur ein vorgeschobener Grund, der damals "nicht angreifbar" war....

Pastior selbst schrieb ziemlich hermetische Verse, was er aber in den Securitate-Berichten seinem Freund Schlesack vorwirft. Jetzt ist auch verständlich, warum er sich hier von Schlesack fern hielt. Es war die Angst, entdeckt zu werden.

Dass nun auch R.Wagner eine dezidierte Haltung einnimmt, nachdem Artikel gegen Schlesack, Gibson, etc. schrieb, ist ja "bewundernswert".
bankban
schrieb am 16.11.2010, 18:03 Uhr
"Nach Absprache der Betreiber wurde der Beitrag von "Carl Gibson" (erstellt am 21.08.2009, 10:57 Uhr und am 21.08.2009, 11:35 Uhr geändert) entfernt, weil Oskar Pastior
instrumentalisiert wurde um gegen H. Müller zu hetzen.
Zusätzlich wurden Herrn Gibson die Schreibrechte für dieses Forum entzogen."

Zitat aus dem Beitrag des Administrators vom 21. August 2009 im Thread "Herta Müller Ehrung", S. 11.
Carl Gibson
schrieb am 16.11.2010, 18:09 Uhr
Sonderbares Deutschlandfunk- Interview - trotzdem, vielen Dank für den Link, Luise.

Ich hatte die Stimme des Dichters aus Schäßburg erwartet - und eine differenzierte Auskunft darüber, was er bei der CNSAS in Bukarest vorgefunden hat.

Und wer kommt zu Wort? Richard Wagner, ein Rivale aus dem Banat, der erst unlängst Dieter Schlesak in einem Atemzug mit meiner Person und Ingmar Brantsch wüst verunglimpft hat.
Sonderbarer Journalismus?
Weshalb befragt man beim Deutschlandfunk Wagner über Schlesaks Angelegenheit beim Thema Patior?

Nach Wagners schnellem Urteil wird Pastiors Werk "moralisch" keinen Bestand haben.
Das sagt ein langjähriges Mitglied der Rumänischen Kommunistischen Partei, jener führenden politischen Kraft im Land, die doch der Auftraggeber der "Securitate" war.
Weshalb fragte die Radiojournalistin nicht auch nach dem "moralischen Wert" und Bestand von Richard Wagners Werk?

Ein Trost: Die Instanz, die Oskar Pastior den Büchner- Preis posthum verliehen hat, ist von der ästhetischen Qualität des Pastior- Oeuvres überzeugt und glaubt an den Fortbestand


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