Was hat Schlesak in seiner Akte wirklich gesehen?

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BieneX
schrieb am 18.11.2010, 15:58 Uhr (am 18.11.2010, 16:04 Uhr geändert).
Aus der neusten Enthüllung von Dieter Schlesak:
So schrieb der modernste Sprachartist und Hermetiker der rumäniendeutschen Poesie in einem Spitzelbericht am 21. März 1966, wie ich in meiner Akte auf Seite 321 auf Rumänisch lese: „Ich habe einige Artikel und Rezensionen und Originalgedichte von Schlesak Dieter gelesen. (...) Man kann feststellen, dass sich der Autor in gewissem Sinn mit den formalen Tendenzen dieser (westdeutschen) ,modernen Poesie‘ identifiziert. ( ...) Es scheint, dass hier Schlesak auch für die Art, wie er selbst Gedichte schreibt, plädiert ... die meiner Meinung nach hermetisch, kalt und unfähig sind, ein Gefühl oder eine Botschaft zu vermitteln, die die Leser in unserem Land angehen.“
Die 3x(…) reißt die Zitat aus dem Zusammenhang. Emotional fragt Schlesak: „Ist das möglich? Kann Oskar Pastior sich auch selbst so sehr anspucken und verraten?“ antwortet selbst:“ Er konnte es, aus Feigheit. Wichtig aber ist, dass wir diese „Akten“ niemals als „Wahrheitsquelle“ ansehen, dass wir Rückschlüsse daraus ziehen, als wären sie „tatsachengerecht“, denn es sind meist Produkte oder Teilprodukte des Führungsoffiziers. In diesem Pastior-Spitzelbericht etwa steht als Adresse für die „sursa“ (Quelle) „Stein Otto“: Cpt. Pestriu Ioan, „Stein Otto“, casa „Sahia“. Das heißt: Hauptmann Pestriu hat Stein in der „konspirativen“ Wohnung „Sahia“ getroffen, wo wohl erst mündlich berichtet, dann das Berichtete schriftlich „niedergelegt“ wurde, alles unter „Mithilfe“ des Offiziers, der dann noch ein „feindlich“ oder diskriminierende Sätze einfügen konnte, um seine „Effizienz“ beim Aufspüren von Feinden zu beweisen.“
Ach so, der zitierte Spitzelbericht aus seiner Akte ist keine Wahrheitsquelle, sondern Hauptmann Pestriu hat Stein Otto alias Oskar Pastior schriftlich niedergelegt, der ist die wahre Quelle.
Das Vermerk der Securate vom 13. Dezember 1968 kann man als Abschlussbericht über die gescheiterte Zusammenarbeit mit Oskar Pastior betrachten: „Am 22. Juni 1961 wurde 'Stein Otto‘, Redakteur beim Rundfunk, Sendung in deutscher Sprache, angeworben, um bei verschiedenen Delegationen aus der BRD, die unser Land besuchten, eingesetzt zu werden. In der Verbindung mit unseren Organen hat 'Stein Otto‘ kein Interesse gezeigt und ist seinen Verpflichtungen nur auf formale Weise nachgekommen. Im April d.J. ist er als Gast des ,Goethe Instituts‘ zu einer Studienreise nach Österreich gereist, um sich über die deutsche Dichtung zu unterrichten. Aus Österreich ist 'Stein Otto‘ in die BRD gereist und weigert sich, in die S.R. Rumänien zurückzukehren . . . Angesichts des Dargelegten schlagen wir vor, die Streichung von 'Stein Otto‘ aus dem informativen Netz und seine Überführung auf die Arbeitsebene zu genehmigen.“Die Frage ist: wie konnte der Securate-Offizier sechs Monate vor Pastiors Erwerbung als IM so einen Spitzelbericht für ihn niederschreiben und seinen Decknamen als Quelle angeben?
Pure Fiktion! Fiktion ist auch die Anschuldigung, Pastiors Berichte bedingten den Selbstmord des Lyrikers Georg Hoprich nach seiner Entlassung. Als Quelle wurde die Aussage eines in Hoprichs Frau verliebten Securate-Offiziers. Da muss ich fragen: warum passiere die Tragödie nicht in den fünf Jahren im Gefängnis, sondern nach der Freilassung? Was ist Anlass der Depression? Die angeblich vielen Spitzelberichte von Pastior oder das Liebesverhältnis zwischen seiner Frau und dem Offizier? Ausgerechnet der Rivale des Selbstmörders als Zeuge!

Carl Gibson
schrieb am 18.11.2010, 17:05 Uhr
Vorschnelle Urteile und Wertungen sind deplatziert, gerade wenn sie - um der Dramatik willen - in die Ecke Stellen, stigmatisieren, gar posthum entwürdigen.
Der Banater Literat Ernest Wichner von der Oskar Pastior-Stiftung hält auf FAZ Net dagegen und bringt berechtigte Argumente zur posthumen Ehrenrettung von Pastior:

http://www.faz.net/s/RubBE163169B4324E24BA92AAEB5BDEF0DA/Doc~ED24E8567F80E4A98A815C6D2A6D90763~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Ich habe den Bericht dort kurz kommentiert - und zur komplxen Materie CNSAS hier einen eigenen Strang eröffent.


BieneX
schrieb am 18.11.2010, 21:48 Uhr
Danke schön. Schlesag schreibt Krimi:
Es gibt außerdem noch zwei Quellen: den (freilich) ohne Unterschrift 1979 in den "Vierteljahresblättern" erschienenen Spitzelbericht von Oskar Pastior über Hoprich. Und das Zeugnis der Frau von Hoprich, die diesen Spitzelbericht (neben anderen) von einem Securitateoffizier erhalten und Hans Bergel gegeben hatte, ebenso hat Hans Bergel damals einen Bericht von ihr erhalten, dass sie sich aus Verzweiflung an die Hermannstädter Securitate gewandt hatte, da Hoprich von Beobachtern umzingelt war, darunter auch von Pastior, was ihn völlig fertig machte, so dass sie um sein Leben bangte. All das steht im FAZ-Artikel. Doch nirgends wird ein direkter Zusammenhang zwischen seinem Selbstmord und dem IM-Pastior gemacht. Ich kann es nicht wissen, ob Hoprichs Frau, die vom Securitateoffizier erfuhr, dass der beste Freund Hoprich bespitzelte, es ihrem Mann auch gesagt hat. Daher habe ich das auch nicht geschrieben.
Ich traue dem Augenzeugen Hans Bergel, er ist kein Märchenerzähler. Übrigens auch in Gerichtsprozessen gelten Zeugen als Wahrheitsträger und werden für voll genommen und sind entscheidend für Prozessausgänge!

http://schlesak.blogspot.com/
cyberes
schrieb am 18.11.2010, 22:03 Uhr (am 18.11.2010, 22:04 Uhr geändert).
Eine derart harsche Zurückweisung der Konstruktionen, die Schlesak meint aus seiner Akte zu entnehmen, ist man von Ernest Wichner m. E. nicht gewöhnt:

"Schlesak teilt zwar beiläufig mit, dass er selbst ebenfalls von der Securitate als Spitzel geführt wurde, seine Akte sei jedoch inklusive der eigenen Unterschrift (doch wohl unter der Verpflichtungserklärung?) von den sie führenden Offizieren gefälscht worden, während die von Oskar Pastior als echt anzusehen ist. „Ehrlich“ lautet der konspirative Name, unter der Schlesaks Täterakte geführt wurde. Und IM „Ehrlich“ sei – dies zeige die Absurdität des Vorgangs – sogar auf Schlesak selbst angesetzt gewesen. Das klingt eher nach einer maghrebinischen Geschichte denn nach ehrlicher Mitteilung dessen, was Dieter Schlesak in den letzten Wochen in seinen Securitate-Akten hat lesen können."

Zu der Unterstellung, dass Pastior etwas mit der Inhaftierung des Hoprich zu tun haben könnte, sagt er:
"Denn der 1938 geborene Georg Hoprich, schon als Student in Bukarest Ende der fünfziger Jahre ein in den dortigen Literatenkreisen bekannter junger Dichter und so auch Oskar Pastior bekannt, ja mit diesem sogar befreundet, war verhaftet und abgeurteilt, als Oskar Pastior am 8. Juni 1961 seine Verpflichtungserklärung bei der Securitate unterschrieb und den Decknamen „Stein Otto“ erhielt."

Schlesak sollte, so Wichner "Beweise haben und nicht mit Gerüchten hantieren, die niemand auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen kann."

http://www.faz.net/s/RubBE163169B4324E24BA92AAEB5BDEF0DA/Doc~ED24E8567F80E4A98A815C6D2A6D90763~ATpl~Ecommon~Scontent.html
BieneX
schrieb am 19.11.2010, 09:30 Uhr
Der dümmste Schlesak-Schneeball rollt weiter, Herta Müllers Snobismus nimmt kein Ende. Jetzt spricht sie zu ihrem engsten Freund: „Es gibt Oskar Pastior zweimal. Ich lerne erst jetzt den zweiten kennen. Und das verbittert mich… Ich halte es nun für wahrscheinlich, dass es weitere Berichte von Pastior gibt.“ Sie gehe davon aus, so Müller, dass „wir von der Pastior-Stiftung eine Forschergruppe beauftragen werden, das ganze Umfeld Pastiors zu untersuchen. Wir müssen es uns jetzt zur Aufgabe machen, die Verstrickung von Schriftstellern und Geheimdienst in der Diktatur – auch an Pastiors Beispiel – zu untersuchen. Aber das geht nicht von heute auf morgen.“
Während ihr Ex den Namen der Oskar-Pasior-Stiftung ändern verlangt, wollte sie mit Oskars Geld eine Oskarverfolgung treiben. Das Geld hatte der arme Dichter Cent für Cent gespart, für die Förderung der deutschsprachige Literatur.
(http://www.faz.net/s/RubD3A1C56FC2F14794AA21336F72054101/Doc~EA4F38C059DF743978101DCE836E05829~ATpl~Ecommon~Scontent.html)
sibihans
schrieb am 19.11.2010, 10:21 Uhr
Hallo Zusammen
„Es gibt Oskar Pastior zweimal. Ich lerne erst jetzt den zweiten kennen. Und das verbittert mich…

Das ist gar nicht so abwegig. Ein guter Bekannter hat auch politisch gesessen und letztes Jahr war er in Bukarest um seine Akte von der Secu. einzusehen. Ratet mal wer in ans Messer geliefert hat, und 40 Jahre so getan hat als währe gar nichts gewesen. Wie würdet ihr dann reagieren ?

sibihans
BieneX
schrieb am 19.11.2010, 10:46 Uhr (am 19.11.2010, 10:47 Uhr geändert).
Bin neugierig, wer ihn denunzierte? Ein Freund? ein Kollege? ein Verwandter? die Ehefrau?
sibihans
schrieb am 19.11.2010, 10:49 Uhr
Sein bester Freund.
BieneX
schrieb am 19.11.2010, 11:06 Uhr (am 19.11.2010, 11:08 Uhr geändert).
Kein Wunder, eine traurige Freundschaft.
Pastiors Freundschaft mit H.M. ist noch trauriger. Wie kann sie auf solche Idee kommen, die Oskar-Pastior-Stiftung zu einer Untersuchungskommission seiner Spitzeltätigkeit umzuwandeln? Das ist grausamer als die Securitate. Der Abschlußbericht der Securitate basiert doch auf Tatsache: "Am 22. Juni 1961 wurde 'Stein Otto‘, Redakteur beim Rundfunk, Sendung in deutscher Sprache, angeworben, um bei verschiedenen Delegationen aus der BRD, die unser Land besuchten, eingesetzt zu werden. In der Verbindung mit unseren Organen hat 'Stein Otto‘ kein Interesse gezeigt und ist seinen Verpflichtungen nur auf formale Weise nachgekommen. Im April d.J. ist er als Gast des ,Goethe Instituts‘ zu einer Studienreise nach Österreich gereist, um sich über die deutsche Dichtung zu unterrichten. Aus Österreich ist 'Stein Otto‘ in die BRD gereist und weigert sich, in die S.R. Rumänien zurückzukehren . . . Angesichts des Dargelegten schlagen wir vor, die Streichung von 'Stein Otto‘ aus dem informativen Netz und seine Überführung auf die Arbeitsebene zu genehmigen.“ Wall will Frau Müller noch untersuchen? Muß Oskar ein echter Spitzel werden?
Gernamus
schrieb am 19.11.2010, 14:28 Uhr
Selbstverständlich sollten alle Spitzeltätigkeiten im Laufe der Zeit, wenn es möglich ist, restlos aufgeklärt werden. Die Nobelpreisträgerin hat, glaube ich, in diesem Sinne recht. Wer nichts zu verbergen hat (Anverwandte? Freunde? und Sympathisanten? des verstorbenen O. Pastior) braucht sich vor eventuellen Enthüllungen nicht zu fürchten.
BieneX
schrieb am 19.11.2010, 16:59 Uhr
Ich gebe Ihnen Recht. Aber das ist die Aufgabe der Behörde, nicht einer Oskar Pastior Stiftung. Oskar Pastior hatte testamentarisch diese Stiftung verfügt: Sie vergibt den Oskar Pastior Preis. Ausgezeichnet werden Autoren, deren Werk in der Tradition der Wiener Gruppe, des Bielefelder Colloquiums Neue Poesie und von OULIPO (der Werkstatt für potentielle Literatur) steht. HM hat kein Recht, die Stiftung und ihre Gelder für einen anderen Zweck zu nutzen. Sie kann locker mit der 1,05 Million € eine eigene Stiftung für den Untersuchungszweck gründen. Würden Sie meine unzähligen Reisen nach Bukarest finanzieren, damit ich Ihre Spuren untersuche?
Gernamus
schrieb am 19.11.2010, 18:17 Uhr
Welche Spuren meinen Sie bitte?
BieneX
schrieb am 19.11.2010, 18:38 Uhr
Angenommen, Sie sind Pastior. Würden Sie eine Untersuchungsgruppe finanzieren?
gerri
schrieb am 20.11.2010, 13:57 Uhr (am 20.11.2010, 13:58 Uhr geändert).
@ BieneX,entschuldigung ich würde sie auch nicht unterstützen,
auch wenn ich nicht wüsste was ich mit meinem Geld oder Freizeit machen sollte.
Dieses herumrühren in einer gewissen Kake,ist sowieso was bescheuertes,man kann eh nichts mehr ändern und so interessant sind die Akten wohl auch nicht,kann mir nicht vorstellen.
Am besten man war uninteressant,dann hatte man keine Akte
aber so ist man dennoch ein bischen wichtig wenn man hin und her flauselt.Schön langweilig!!

Gruß, Geri

BieneX
schrieb am 21.11.2010, 19:15 Uhr (am 21.11.2010, 19:19 Uhr geändert).
Hallo Gerri, diese Worte hätten Sie Herta Müller sagen sollen. Sie behauptet, dass „wir von der Pastior-Stiftung eine Forschergruppe beauftragen werden, das ganze Umfeld Pastiors zu untersuchen.
Den selben Vorschlag hatte die Securitate im Jahre 1968 gemacht:"Angesichts des Dargelegten schlagen wir vor, die Streichung von 'Stein Otto‘ aus dem informativen Netz und seine Überführung auf die Arbeitsebene zu genehmigen."
Dem Baum wäre Ruhe lieber, aber der Wind hört nicht auf zu wehen.
Schönen Gruss
BieneX

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