(Wappen) Siebenbuerger Sachsen in Baden-Württemberg (Wappen)
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6.3 Das Siebenbürgische Museum Gundelsheim

Volker Wollmann

Ende der sechziger Jahre richtete der Hilfsverein der Siebenbürger Sachsen "Johannes Honterus" auf Schloss Horneck eine Heimatstube ein. Es galt, der traditionellen Kultur der Siebenbürger Sachsen einen musealen Hort zu geben. Seit diesen bescheidenen Anfängen hat sich das Siebenbürgische Museum in den Jahren bis 1996 zu einem repräsentativen Ausstellungskomplex von elf Räumen entwickelt.

Schmuck
Heftel einer Patrizierin
       

Ähnlich wie das Brukenthalmuseum in Hermannstadt geht das Gundelsheimer Museum auf eine private Initiative zurück. Lore Connerth-Seraphin begann 1952 im Rahmen des "Siebenbürgischen Heimatwerkes" Volkskunst und volkskundliche Gegenstände zu sammeln, damit "unsere schöne Heimattracht nicht bei Altwarenhändlern und Kostümverleihanstalten verschleudert wird".

Charakteristisch sowohl für die Entstehungszeit als auch für die ersten Jahrzehnte nach seiner Gründung waren das große ehrenamtliche Engagement und die selbstlose Mitarbeit vieler maßgeblicher Fachleute. Sie kamen zum größten Teil aus den Reihen unserer Landsleute wie Alfred Prox, Dr. Rotraut Acker-Sutter, Dr. Christoph Machat, Günter Ott, Dr. Horst Moerfert, Hans Meschendörfer, Balduin Herter, Dr. Ernst Wagner u.v.a. Garant für das Fortbestehen des Hilfsvereins waren vor allem die erstaunlichen finanziellen Leistungen unserer Landsleute in Form von Spenden. Später kam die Unterstützung aus öffentlicher Hand dazu.

Mit dem einzigen vorhandenen Raum jedoch hatte die siebenbürgisch-sächsische Heimatstube nach der Gründung nur beschränkte Entfaltungsmöglichkeiten. Mit den Jahren wuchs durch Schenkungen (Sachspenden) die Heimatstube zu einem Museum mit acht Räumen. Für den Ausbau des Museums hat sich bis zu seinem frühen Tod Rolf Schuller in selbstaufopfernder Weise eingesetzt.

Schloß Horneck
'Rössel für den Rösseltanz' der Schneiderzunft in Birthälm
       

In die Zeit seiner Nachfolgerin Katrin Mönch fallen die beiden umfangreichsten Erweiterungen des Museums: der Ausbau des Innenhofes von Schloss Horneck und die Gestaltung des dadurch entstandenen großen Ausstellungsraumes sowie die Einbeziehung in den Ausstellungsrundgang des Wappensaales des Hauskompturs im ersten Stock des Schlosses. Erst jetzt konnte das Museum im Zuge einiger Projektmaßnahmen seitens des Patenlandes Nordrhein-Westfalen, des Gastlandes Baden-Württemberg, vor allem aber des Bundes durch Ankäufe seinen Museumsfundus gezielt ergänzen. Damit wurde eine wichtige Voraussetzung für den Ausbau der Dauerausstellung geschaffen. Diese Maßnahme war auch insofern notwendig, als alle Teile der Ausstellungsdidaktik schon 30 Jahre überholt waren bzw. einige Ausstellungsbereiche im Laufe der Zeit sich als überholt erwiesen – d. h. innerhalb der vier Entwicklungsetappen sich eng und unübersichtlich präsentierten. Die Informationen über das Land Siebenbürgen und seine Bewohner waren spärlich und wurden oft nur indirekt über die Exponate vermittelt. Inzwischen stellte man im Aktionsprogramm für ostdeutsche Kulturarbeit (1988–1993) auch an ostdeutsche Museen höhere Ansprüche.

In Anbetracht dessen hatte das Siebenbürgische Museum bereits im dritten Jahr nach der Institutionalisierung (1991) eine neue Museumskonzeption erarbeitet, die bestrebt war, den aktuellen Zielsetzungen der ostdeutschen Museen nachzukommen. Sie zielte vor allem auf die Umgestaltung der Dauerausstellung unter Berücksichtigung inhaltlicher und gestalterischer Aspekte. Zielsetzung bei der Gründung solcher zukunftsorientierter Museen ist die Auseinandersetzung der Heimatvertriebenen mit dem kulturellen Erbe der Herkunftsregion. Dabei sollten Museen, die sich dieser Problematik widmen, nicht mehr als Erinnerungsstätten für Betroffene betrachtet werden. Es ist ein Perspektivenwechsel erforderlich, da die Geschichte der Siebenbürger Sachsen und Siebenbürgens überhaupt nicht mehr lange nur aus der Sicht der Betroffenen präsentiert werden kann. Gleichzeitig soll aber den Siebenbürger Sachsen die Möglichkeit des Wiedererkennens, des Herstellens von Bezügen zu ihrer eigenen regionalen Identität gegeben werden. Durch die schon vorhandenen Sammlungen einerseits und im Sinne seines Auftrages als eine aufgrund des § 96 Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes geförderte Einrichtung andererseits ergibt sich für das Siebenbürgische Museum der Präsentationsschwerpunkt Kultur und Geschichte der Siebenbürger Sachsen.

Die Begrenztheit des Raumangebotes auf Schloss Horneck zwang dabei zu einer strengen thematischen Wahl und zu Einschränkungen auf das Wesentliche, vor allem bei den Exponaten. Vor diesem Hintergrund können im Gundelsheimer Museum nur ausgewählte Themen-Aspekte gezeigt werden.

In dem Einführungsraum, der bis zur Umgestaltung des Museums fehlte, wird versucht, dem Besucher mit graphischen und historischen Grundinformationen das Land Siebenbürgen vorzustellen. Gezielt wird die historisch-geographische Einheit unter besonderer Berücksichtigung des sächsischen Siedlungsraumes verdeutlicht. Die übrigen Schwerpunkte sind der "Migration", dem Gegenüber von "Tradition" und "Innovation" sowie den "Ost-West-Kontakten" vorbehalten. Ersterer bedeutet die wirtschaftlichen und politischen Ereignisse, welche seit Ende des 19. Jahrhunderts Wanderungen bedingten. Mit anderen Worten, es geht um die Geschichte der Siebenbürger Sachsen im 20. Jahrhundert. Für die Veranschaulichung der Themenschwerpunkte "Tradition" und "Innovation" werden auch Zeugnisse graphischer Kunst gezeigt. Aus raumtechnischen Gründen musste man sich in diesem Bereich auf einige repräsentative Werke von Johann Martin Stock, Arthur Coulin, Walther Teutsch, Hermann Konnerth, Hans Eder, Friedrich Mieß, Eduard Morres, Ernestine Konnerth-Kroner, Fritz Kimm und Grete Csaki-Copony beschränken.

Im Einführungsraum, der auch die Funktion eines Multifunktionsraumes hat, können Besucher mittels einer interaktiven Station eine kurze Einführung in die Geschichte Siebenbürgrns abrufen, welche auch auf eine Projektionsleinwand übertragen werden kann. Zusätzlich gibt es noch eine Einstimmungs-Diaschau zum Thema "Siebenbürgen heute". Die rund um den Einführungsbereich liegenden Räume im Erdgeschoss sind den einzelnen in der Ausstellung thematisierten Aspekten vorbehalten: Stadtkultur, Ländlicher Alltag, Alte Heimat – neue Heimat, Kirchlich begleitetes Leben – Sakrale Kunst, Kindheit und Schule, Gesellschaftliche Ordnung, Leben in der Gemeinschaft – Nachbarn und Vereine. Die Exponate stehen hier nicht mehr dicht nebeneinander. Einige dieser Themenräume, z. B. "Kirchlich begleitetes Leben – Sakrale Kunst" und "Gesellschaftliche Ordnung" sind mit interaktiven Stationen ausgestattet, wo man Informationen über Wehrkirchen (Kirchenburgen), Konfessionen u.a.m. oder über die Bauernfesttracht (geordnet nach Altersstufen, Regionen etc.) in historischen Darstellungen bzw. in Aquarellen von Juliana Fabritius-Dancu abrufen kann. Parallel dazu werden in einigen Ausstellungsbereichen zusätzliche Informationen durch traditionelle Medien (Textblätter auf Lesepulten) vermittelt. Auf diese Art können die Besucher zum Themenschwerpunkt "Ländlicher Alltag" Näheres über die Gestaltung der Wohnräume, Hausarbeit, Feldarbeit, bäuerliches Handwerk usw. erfahren. Im Aspektraum "Leben in der Gemeinschaft – Nachbarn und Vereine" – wo schwerpunktmäßig die Institution der Nachbarschaft präsentiert wird – befinden sich Ergänzungstexte etwa über die Bruderschaft und Schwesternschaft bzw. über die wichtigsten Vereine mit wissenschaftlichem, gesellschaftlichem und geselligem Charakter.

In drei Räumen im Obergeschoss, die Gehbehinderten schwer zugänglich sind, befindet sich die objektorientierte Schausammlung mit kulturhistorisch besonders relevanten und wertvollen Exponaten.

Sie ist im wahrsten Sinne eine "Schatzkammer" und birgt Attraktionen aus dem kunstgewerblichen Bereich, das Graphik-Kabinett und eine Textilstube. Zum Unterschied vom Erdgeschoss, wo die Exponate "exemplarisch" und themenbezogen gezeigt werden, berücksichtigt man in dieser Studiensammlung Formenvielfalt, Herstellungstechniken, regionale Unterschiede und typologische Entwicklungen in der Volkskunst und im Kunstgewerbe. Vor dem Hintergrund, dass das Museum in den letzten Jahren seinen Fundus vor allem durch gezielte Ankäufe sinnvoll ergänzt hat, können hier besonders repräsentative Stücke siebenbürgisch-sächsischer Töpferkunst gezeigt werden. Ein großer Teil stammt aus der Sammlung Hans Gabány. Andere konnten mit Unterstützung der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung im Herkunftsgebiet der Siebenbürger Sachsen erworben werden.

Dem Museum ist es im letzten Jahrzehnt gelungen, eine eigene Sammlung von Zinngegenständen aus Siebenbürgen aufzubauen. So zeigt es in der Studiensammlung eine Reihe typischer Zinngießerarbeiten aus Schässburg, Kronstadt, Hermannstadt bis hin nach Bistritz. Während ein Großteil dieser Exponate aus Weinkannen/Deckelkannen der Zünfte besteht, gibt es auch einige Raritäten, die dem Kunstgewerbe mit sakraler Bestimmung angehören.

Die Vitrine mit den Goldschmiedearbeiten hat die Rolle eines Blickfangs (Wappensaal). Hier wird eine beachtliche Zahl der für Siebenbürgen charakteristischen Kluft- oder Sockelbecher ausgestellt. Aus dem Repertoire der siebenbürgisch-sächsischen Goldschmiede des 16.–18. Jahrhunderts finden wir hier noch: Deckelkannen, Schwitz- oder Schlangenhautbecher, Stangenbecher, Weinprobierschalen und Patrizierheftel und -gürtel. Nach längerer Zeit kann man hier wieder die Ornat-Schließe ("Englig-Heftel") bewundern, die aus vorreformatorischer Zeit stammt.

In der mit Schubkästen ausgestatteten "Textilstube" können die Besucher selbst agieren. Beim Öffnen der Laden werden Heimtextilien und Trachtenteile aus ganz Siebenbürgen zur Schau gestellt. Hier gibt es auch Webe-, Stick- und Häckelmuster direkt zum Anfassen, damit einzelne Herstellungstechniken lebendig vor Augen gebracht werden können.

Im Graphikkabinett befinden sich Darstellungen mit siebenbürgischen Motiven aus vier Jahrhunderten (17. bis 20. Jh.). Etliche stammen von nichtsiebenbürgischen Künstlern wie Egidius van der Rye, Jakob Harrewyn (17. Jh.), Alexander Trichl, Eduard Hülverding (19. Jh.), F. Siegele, Walter Buhe (20. Jh.). Die anderen hier ausgestellten Werke graphischer Kunst sind mit den Signaturen von Fr. Neuhauser, Johann Böbel, Robert Krabs, Arthur Coulin, Ludwig Schuller, Trude Schullerus, Hans Hermann, Theo Henning und Helfried Weiß versehen.

Zu ausgewählten Themen zeigt das Museum in Gundelsheim, Heilbronner Straße 13, zeitlich befristet Sonderausstellungen aus eigenen Beständen bzw. übernimmt Ausstellungen von anderen Institutionen und Künstlern, die siebenbürgischer Herkunft sind oder sich einem Thema widmen, das einen Bezug zur siebenbürgischen Geschichte oder Kunst hat. In der Dependance des Museums in der Heilbronner Straße befindet sich auch das z. T. als Studiensammlung eingerichtete Depot, wo ca. drei Viertel des Museumsfundus mustergültig gelagert sind. So z. B. sind die Kirchenpelze und Lederobjekte in einer Kühlzelle bei konstanter Temperatur und Luftfeuchtigkeit untergebracht. In einer sondergefertigten Kompaktusanlage (bestehend aus fahrbaren Regalwänden) werden die gesäuberten und restaurierten Heimtextilien und Kleidungsstücke (Trachtenteile) gelagert.

In Bachenau (5 km östlich von Gundelsheim) befindet sich die Gerätesammlung für Landwirtschaft und bäuerliches Handwerk des Siebenbürgischen Museums. Hier gibt es Gerätschaften und technische Einrichtungen aus folgenden Wirtschaftsbereichen oder Gewerbezweigen: Landwirtschaft, Holzverarbeitung, Weinbau, Hanf- und Wolleverarbeitung, Transportmittel aus dem ländlichen Bereich u. a. Die meisten Geräte (bis hin zur zentnerschweren Kelter) wurden im Zuge der Aktion für Sicherung siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes in Siebenbürgen angeschafft und mit Sondergenehmigung seitens des rumänischen Kulturministeriums nach Gundelsheim überführt. Mit Bus anreisende Besuchergruppen können nach Vereinbarung mit der Museumsleitung diese Sammlung besichtigen.


© 1999 Landesgruppe Baden WürttembergVerband der Siebenbürger Sachsen spring an den Anfang des Dokumentes