(Wappen) Siebenbuerger Sachsen in Baden-Württemberg (Wappen)
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11. Der siebenbürgisch-sächsische Volkstanz

Marie Luise Schuster

Tanz das ist immer und bei allen Menschen der Ausdruck gesteigerter Lebenskraft, ist geformte Freude am Da-Sein. Lange ehe der Mensch Worte, Mimik, ja selbst die Melodie künstlerisch formen lernte, tanzte er nach dem Rhythmus seines Wesens, er stampfte seinen Unmut in den Boden; er trug seine Freude mit offenen Armen dem Himmel entgegen, den Körper froh aufgereckt; er demütigte sich, klein zusammengekauert, vor unbekannter Allmacht und er bat, nach langer Trockenheit, kniend um die Gnade erlösenden Regens.

Die Einzelnen binden sich zu Paaren, die Paare zur Gemeinschaft, in die sich alle einfügen müssen. Im Laufe der Zeit ändert der Tanz wohl Form und Inhalt, aber die Grundzüge bleiben.
Allmählich hielt die Symbolik mit ihren Tanzmasken, Trachten und anderen Requisiten in den Tanz Einzug. Der Tanz wurde Ausdruck der Andacht, des Mythos. Daneben diente er immer auch der Belustigung und vor allem der Werbung um den Partner. Dies gilt für alle Völker. Volkstänze gehören zum Kulturgut eines Volkes oder mehrerer verwandter Völker, die zum selben Kulturkreis gehören.

Mit der Zeit bildete sich in jeder größeren Lebensgemeinschaft der ihrem Wesen gemäße, charakteristische Volkstanz heraus. Der Volkstanz ist ungebunden und frei, keinen anderen Gesetzen untertan als eben nur dem einen: im Volk lebendig zu sein, das zu formen, was alle fühlen, das darzustellen, was ureigenstes Kennzeichen und Merkmal des eigenen Volkes ist. Dies aber ist der tiefere Sinn aller Volkstänze, wo immer sie getanzt werden: der Einzelne soll sich einordnen, soll fühlen, dass er mit dazugehört in Freud und Leid. So wie er im lustigen Reigen seinen Platz beansprucht, so soll er im harten Trott täglicher Arbeit da sein.

Als unsere Vorfahren im 12. und 13. Jahrhundert nach Siebenbürgen einwanderten, brachten sie ihre Tänze und Lieder, so wie die anderen Kulturgüter, gleichsam als Ausdruck ihres innersten Wesens mit. Vieles davon ist im Laufe der Jahrhunderte verlorengegangen, vieles hat sich verändert, einiges ist noch dazugekommen und mancher Volkstanz zeigt heute den Einfluss der anderen Völkerschaften Siebenbürgens. Volkskundler wie Dr. Richard Wolfram aus Wien, Rolf Müller aus Mediasch und Erhard Antoni aus Großschenk haben in den sächsischen Dörfern manchen Tanz aufgespürt und aufgeschrieben. Besonders alt ist der "Königinnentanz" aus Deutsch-Weißkirch, der von Erhard Antoni 1929 aufgeschrieben wurde, als "das Anführen" und der "Dreer" noch getanzt wurden. Ebenso stammen der "Reifentanz" (Tanz der Böttcherzunft) und der "Schwerttanz" (Tanz der Kürschnerzunft, er wurde bei der Einsetzung der Sachsengrafen getanzt) wahrscheinlich aus dem 14. Jahrhundert. Der Laich, ein Lied- und Tanzritual mit mythologischen Ursprüngen, ist von G. Brantsch in mindestens zehn Varianten in seinem 1931 erschienenen Buch "Siebenbürgisch-deutsche Volkslieder" veröffentlicht worden, leider immer nur als Lied und nicht auch als Tanz. Es ist aber anzunehmen, dass er ursprünglich auch getanzt wurde.

In der "Siebenbürgisch-sächsischen Volkskunde" von Adolf Schullerus, die 1926 in Leipzig erschien, wird im Kapitel "Geselligkeit" kurz auch über das Tanzen im 15. und 16. Jahrhundert auf unseren Dörfern berichtet. An jedem zweiten Feiertag der wichtigsten Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten gab es große Tanzunterhaltungen, die aber immer unter Aufsicht des Altknechts, der Altmagd oder sogar des Pfarrers und nach strengen Regeln abliefen. Diese Unterhaltungen begannen stets mit den sogenannten "Irtentänzen", die sowohl Knechte als auch Mägde in Kirchentracht tanzen mussten, selbst im Sommer im schweren Pelz. Dabei führte der Jungaltknecht dem Alter nach jedem Burschen eine Magd zu und wenn es zu viele Mägde waren, sogar zwei oder drei. Der Bursche musste dann mit diesen tanzen (siehe Königinnentanz). Der Tanz bestand im Schreiten in langer Paarreihe, die von Altknecht und Altmagd angeführt wurde, und im Paartanz ("Dreher") an bestimmten Stellen der Tanzbahn. Nach diesem Tanz legte man die Kirchentracht ab, zog leichte Kleidung an und es begann der freie Tanz. Außer dem "Dreher" führt Schullerus als bekannte Tänze jener Zeit noch den "Stampfer" und den "Hopsän" (Hopser) an. Damasus Dürr (1535[?]–1585, Pfarrer in Kleinpold) erwähnt in seinen Schriften auch einen "Rosentanz", dessen Tanzweise leider unbekannt ist. Schullerus bemerkt weiter, dass sehr auf gute Sitten geachtet wurde. Beim Tanzen hatte man zu schweigen, besonders die Mägde mussten den Mund fest zupressen. In den Pausen, wenn die Mägde sich setzten, mussten die Beine schön nebeneinandergestellt und ein Fuß nach innen gekehrt werden. Laute Unbeherrschtheit war verpönt.

Außer an den Feiertagen durfte die Jugend auch am Sonntagnachmittag mit besonderer Erlaubnis des Pfarrers "unter der Linde" oder auf einem anderen Tanzplatz tanzen. Rolf Müller schreibt in seinem Tagebuch 1934, dass er das "Anführen" (Zuführen der Mägde durch den Altknecht) noch in fast allen Gemeinden des Unterwaldes angetroffen habe.

Wir können also feststellen, dass bis zum Zweiten Weltkrieg in siebenbürgisch-sächsischen Gemeinden und Dörfern noch manche alten Bräuche und damit auch Tänze lebendig waren. Erwähnt werden muss noch, dass durch die Einwanderung der wegen ihres evangelischen Glaubens aus ihrer österreichischen Heimat vertriebenen Landler eine ganze Reihe österreichischer Tänze bei uns eingeführt wurden und Fuß gefasst haben. Sie gaben dem geselligen Leben auf unseren Dörfern einen starken Auftrieb, so dass man sich später unter einem "deutschen Volkstanz" stets einen Landlertanz vorstellte. Umso wichtiger ist deshalb die Feststellung Rolf Müllers, der nicht nur in der siebenbürgischen Heimat, sondern auch in Deutschland, Holland und Skandinavien Tänze sammelte, dass die alten sächsischen Tänze nicht mit den österreichischen, sondern mit jenen der Nordländer verwandt sind. Insbesondere der Mädchenwechsel, der in sehr vielen Unterhaltungstänzen vorkommt, geht auf den dänischen "Dyv" zurück. Aber auch andere Schritte und Figuren lassen sich mit jenen der nordischen Tänze vergleichen.

In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen gab es ein deutliches Aufleben des Kulturaustausches zwischen Siebenbürgen einerseits und Deutschland und Österreich andererseits. Mehrere Volkstanzgruppen besuchten Siebenbürgen und lehrten in Kurzkursen Jugendliche, die sich dafür interessierten, alte deutsche Volkstänze. Zu diesen Jugendlichen zählte u.a. Rolf Müller. Auf diese Weise wurde er auch mit dem berühmten Volkskundler Dr. Richard Wolfram aus Wien bekannt. Dieser regte ihn an, die Volktänze in Siebenbürgen zu sammeln und aufzuschreiben. Als junger Student tat er es mit großer Begeisterung. Anschließend suchte er durch Vorträge und Vorführungen sowie durch Tanzwochen, die er in den verschiedendsten Orten Siebenbürgens abhielt, die vergessenen und neugelernten Tänze wieder lebendig zu machen.

Einen Aufschwung nahm die Kulturtätigkeit in Rumänien durch die von der Kommunistischen Partei geschaffene Kulturbewegung "Preis dir, Rumänien" (Cântarea României). Auch in den entlegendsten Dörfern sollten dadurch Chorgesang, Theater, Dichtung und vor allem der Volkstanz gepflegt und verbreitet werden. So wurden auch in den Orten mit deutscher Bevölkerung Volkstanzgruppen gegründet und manche von ihnen haben Beachtliches geleistet. Die Tanzgruppe aus Kleinscheuern errang bei der zweiten Ausgabe des Festivals "Cântarea României" sogar einen ersten Preis. Dennoch litten alle Tanzgruppen darunter, dass sie keine schriftliche Sammlung deutscher und vor allem spezifisch sächsischer Volkstänze besaßen. Daher entschloss ich mich, den alten Stoß gesammelten Volkstanzmaterials von Rolf Müller zu bearbeiten. In mühseliger Kleinarbeit konnte ich mir aufgrund der oft sehr kurzen und summarischen Notizen einen Tanz nach dem anderen wieder ins Gedächnis rufen und neu aufschreiben, und zwar diesmal so, dass auch jemand, der den Tanz nie gesehen hat, mit etwas Mühe imstande ist ihn nachzutanzen. Außer den Unterlagen von Rolf Müller habe ich auch sächsische Tänze aufgeschrieben, die mir von folgenden Personen zur Verfügung gestellt wurden: Herta Breckner-Grancea (Hermannstadt), Christa Maurer (Mediasch), Wilhelm Stirner (Hermannstadt), Helmuth Fabritius (Hermannstadt), Erhard Antoni (Großschenk), Katharina Rill (Kleinscheuern), Elisabeth Marek (Österreich) und Dr. Richard Wolfram (Wien). Das von mir verfasste Tanzbuch, das 1981 vom Kulturkreiskomitee Hermannstadt herausgegeben wurde, führt den Titel "Deutsche Volkstänze, die man in Siebenbürgen tanzte und zum Teil noch tanzt". Heute muss ich eingestehen, dass dieser Titel nicht richtig ist. Er müsste lauten "Europäische Tänze, die man in Siebenbürgen tanzte". Die Tänze wurden in folgende Gruppen eingeteilt: Unterhaltungstänze, Vorführtänze, Zunfttänze, Belustigungstänze, Reigen, Laiche, Brauchtänze und Bühnenbearbeitungen. Bei den Bühnenbearbeitungen möchte ich darauf hinweisen, dass absichtlich nicht alle angebotenen Tänze aufgenommen wurden, da diese zwar von einem Volkstanz ausgehen, die Figuren darin aber oft recht künstlich, nicht mehr volkstanzmäßig zusammengestellt wurden. Wer die echten Tänze kennt, kann sicher selber einen Bühnentanz bilden, wenn dieser gefordert wird. Aufschlussreicher als die Bühnenbearbeitungen sind meiner Meinung nach die alten, hier angeführten Vorführtänze, die zum Teil uralte mythische Elemente enthalten, oder die Zunfttänze, in denen jede Figur einen konkreten Symbolwert hat. Typisch an den deutschen Tänzen ist, dass jede Bewegung etwas Bestimmtes ausdrückt, Lebenserfahrung darstellt. Die Tanzbewegung erfolgt nicht spontan, wie das bei den meisten südländischen Tänzen der Fall ist.

In den Jahren 1980 und 1981 leitete ich in Hermannstadt Volkstanzkurse mit jungen Lehrkräften aus vielen sächsischen Ortschaften. So wurden die Volkstänze überall verbreitet und neu belebt.

Welche Tänze in diesem Tanzbuch sind nun tatsächlich sächsische Volkstänze und von welchen Völkern stammen die anderen? Siebenbürgisch-sächsische Tänze sind: der Königinnentanz, der Dreher, der Reifentanz, der Schwerttanz, der Botscher, der Budaker, der Stolzenburger Masur, die Kreuzpolka, die Landler-Kreuzpolka, "Di iwert Hift", der Siebenschritt, der Bulgarische, Klapptanz, "der Tapeschän" (Braller), "der Bäkän" (Braller), der Urwegener, "Ich danke, ich bitte", der Burzenländer Rheinländer, der Knüppeltanz aus Keisd, Jungsächsisch (oder "Et wor emol en reklich Med"). Außerdem sind noch einige Tanzspiele und einige Kindertänze sächsischen Ursprungs.

Landlertänze sind: Neubayerisch (Neppendorf), Alter Heisa (Neppendorf), Figurenländler, Neppendorfer Ländler, Ländler aus Agnetheln, Großau und Urwegen, Schottischpolka, Hiatamadl, Ennstaler Polka, Dreffner Ländler und andere.

Deutsche Tänze sind: die Sünros, die Walzquadrille, der Bandltanz, das Deutsche Menuett, der Webertanz, der Mühlradtanz, der Rüpeltanz, der Honakische. Deutsche Laiche sind: die Hinde im Rosenhak, der Schiffmann, die Henne, Männchen in der Klemme, Kegelkönig, Schusterpolka, Jägermarsch, Sausetanz. Aus Deutschland kommen dazu die meisten Kindertänze.

Skandinavische Tänze sind: Schwedisch-Schottisch, Schwedische Maskerade, Tantoli, Ostgötha, Westgötha, Kreuzvierer, Vierleutstanz, Norwegische Viertour.

Es ist erfreulich, dass sich nun nach der Aussiedlung aus Siebenbürgen nach Deutschland hier über 40 sächsische Tanzgruppen gebildet haben. Dieses Tanzbuch und auch andere Veröffentlichungen helfen ihnen bei der oft schwierigen Arbeit des Einstudierens dieser überlieferten Tänze. Hoffentlich bleiben dadurch diese Tänze auch den nächsten Generationen erhalten.

Literatur

Schuster, Marie Luise, 1981: Deutsche Volkstänze, die man in Siebenbürgen tanzte und zum Teil noch tanzt. Hermannstadt.


© 1999 Landesgruppe Baden WürttembergVerband der Siebenbürger Sachsen spring an den Anfang des Dokumentes