Vom Frühling beseelt, jeden Tag aufs Neue

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Kurt Binder
schrieb am 30.03.2023, 09:28 Uhr
Das liebe Federvieh 1

Eine Henne legte im Mai
ganz plötzlich ein Würfel-Ei.
Der Hahn dachte nach
mit Ungemach,
wer wohl der Rivale sei?

Ein Küken pickte sich frei.
Der Hahn erhob ein Geschrei:
„Kickerikiie -
das ist doch nie
und nimmer das Gelbe vom Ei!“

Es sang ein blau-schwarzer Star
im Abendrot wunderbar.
Zwar mit Allüren,
doch die gebühren
ihm, schließlich ist er - ein Star!

Es hat der Wiedehopf
viel Federn auf dem Kopf.
Und hätt’ er nur drei,
wär auch nichts dabei -
dann flechtet er halt eunen Zopf.
Nimrod
schrieb am 30.03.2023, 18:28 Uhr (am 30.03.2023, 18:29 Uhr geändert).
Und morgen kommt mit neuem Schwung,
vom Federvieh, die Fortsetzung
denn Kurt weiß , wie ihn jeder kennt
was neues dann von Gans und Ent,
vielleicht vom Huhn auch was dabei
das wäre dann die Nummer zwei !

Auch wenns erst dann um Ostern sei
Erfreut uns jedes Osterei
Vom Kurt ganz farbig präsentiert
Was es auch ist, es intressiert
Kurt Binder
schrieb am 31.03.2023, 09:04 Uhr
Obwohl ich nur zum Zeitvertreib,
und niemals auf Bestellung schreib,
geb ausnahmsweise ich heut statt -
weil mich die Mus’ beschlabbert hat!

Das Huhn war ja schon an der Reih’
im Limerick mit Würfel-Ei,
doch Gans und Ente lösen neue
Ideen aus ihrer Warte-Reihe:

Es nützt ein Gänse-Federkiel
zum Schreiben heute nicht mehr viel,
da selbiger, technisch beschränkt
und funktionell total verdrängt.

Doch so ein leck’rer Gänsebraten,
ist dem Gourmet stets anzuraten,
und Enten watscheln oftmals heute
durch manche Zeil’n der Presseleute.
Kurt Binder
schrieb am 07.04.2023, 07:07 Uhr
I’m a legend
Trotzdem – Frohe Ostern

Das Wetter grollt, die Sonne schmollt,
die Luft vergisst, dass Frühling ist
und windet kalt – so isses halt,
denn’s macht der Aprill, stets was er will!
Der Eierlikör aber schmacket söhr,
zumal wenn er so nebenher
genussbewusst geschlürft wird mit Lust.

Der Osterhase aber rümpft die Nase.
Er muss in der Pflicht – man glaubt es nicht -
an einem Morgen die Welt versorgen
zur Osterfeier mit Ostereier.
Die haben die Hennen ihm nach dem Pennen
von hinten verehrt, weil er sie begehrt’.
Doch kochen und färben, bevor sie verderben,
muss er sie nun schnelle - sofort, auf der Stelle.

Und er schleppt sie im Sack im Huckepack,
viel tausend Eier, für Schmidt und für Meier,
für Schneider und Binder und deren Kinder.
Und er hoppelt die Runden einige Stunden,
um sie zu verstecken in allen Ecken,
unter Büschen und Winden, damit die Kleinen sie finden,
flugs und behende; das ist wahrlich - Legende!

Doch dann, nach der Sause, hat er ja Pause
ein ganzes Jahr – wie wunderbar!
Maikind
schrieb am 07.04.2023, 14:10 Uhr
Lieber Kurt, liebe Alle

zum bevorstehenden Osterfest wünsche ich Frieden und Freude in diese Runde
und möge sich des Frühlings Erwachen in allen Bereichen wohlfühlend auswirken!

hänge somit mein kleines Gedicht
mit lieben Grüßen an

Und wieder blüht der Winterling
und wieder kehrt die Schwalbe
und kaum im Tanz der Schmetterling
ist auch das Jahr schon halbe.

Doch halbe ging ich wie zum Fest
und sah die zarten Blüten
und baute mit das Vogelnest
und half die Bienen hüten.

Und meinst du, dass das Jahr verfliegt
dann nenne ich Sekunden
in denen Dankmagie obliegt
und fühlend sind es Stunden.

Und weißt du, wenn der Augenblick
in frischer Blüte badet
dann tauchst du mit im Flügelschritt
in lila Zauberschwaden.
Kurt Binder
schrieb am 10.04.2023, 12:11 Uhr
Danke, liebe Ute, für Deine bunten Ostergrüße, begleitet von magischen Tänzen im rauschenden Frühlingsgeschehen

Wandel

Schwarz ist das Nichts
durch das ich schwebe,
ziellos, bar jeder Hoffnung -
die Luft ist Angst,
Entsetzen ihr Gesicht;
rote Fratzen glühen,
umkreisen mich feixend,
dissonant und atonal
leiern Kinderstimmen
den Höllenchor der Verlorenen,
der peinigend in den Ohren kratzt -
und die Folter ist lang,
das Ende scheint endlos zu sein.

Doch dann –
ich spüre den Schimmer,
der das Dunkel durchbricht,
zögernd das Licht erahnen läßt -
wie ein Leben kündendes Fanal,
das mein banges Gemüt erhellt,
mich ermutigt, stärkt,
mir die rettende Hand reicht -
mich in den jungen Frühling geleitet.
Kurt Binder
schrieb am 14.04.2023, 06:41 Uhr
Inspiration

Ein armer, ausgelaugter Dichterling
wie’n nasser Lappen in dem Sessel hing,
und stiert’ seit Stunden auf die graue, matte,
nach außen leicht gewölbte Bildschirmplatte.

Sein müder Kopf war leer, die Seele hohl,
sein Genius verkümmerte, wiewohl
er krampfhaft sich in guter Hoffnung suhlte,
und gierig um den Kuss der Muse buhlte.

Doch hatte diese, satt vom ew’gen Küssen,
den feuchten Schlabber-Job längst hingeschmissen,
nebst dreißig Pfunde, die gar sehr im Wege,
und wankt erdürrt jetzt über Model-Stege.

Die Zeit verrann, es fiel ihm gar nichts ein;
die starren, arbeitslosen Fingerlein,
die trommelten, statt Verse in die Tasten,
den Walzer vom verliebten Gymnasiasten.

Rundum garniert mit Stoppeln wie ein Igel,
warf er rein zufällig den Blick zum Spiegel,
und als er sein virtuelles Abbild sah,
war plötzlich das ersehnteThema da.

Zwar war sein Ausdruck nicht sehr fotogen,
doch ließ er ihn in Verse übergehn,
die ganze Kümmernis aus dem Gesicht,
und schrieb zutiefst erleichtert - dies Gedicht.
Kurt Binder
schrieb am 01.05.2023, 06:41 Uhr
Der Mai ist gekommen,
die Käfer krabbeln raus –
so bleibe, wer kitzlig ist,
bis morgen zuhaus!

Es war die Nacht der Lauspuben*innen. Ja, ja, ich weiß – aber „Lausmädel“ hat mir zu sehr nach Werbung für den Kammerjäger geklungen.
Also, da war schon einiges los, du meine Güte – zwar nicht sehr phantasievoll, aber immerhin. Ich erinnere mich an drei alle Jahre wiederkehrende Max-und-Moritz-verdächtige Untaten:
Da war zum Ersten das Gartentürchen-Aushängen, und dies zumindest in die nächste Seitengasse schleppen.
Zum Zweiten leerte man gerne die Mistkiste vor die Tür eines besonders beliebten Menschen aus.
Die dritte Sympathiebekunduug sprach den Geldbeutel an, und war überdies in der Ausführung künstlerisch wesentlich anspruchsvoller: Auf der Straße parkende Autos mit Klopapier einzuwickeln.
Alldiese Schlimmheiten hatten den fiesen Zweck, die braven, nichtsahnenden Mitbürger zu foppen, bzw. zu be-unmuten. Das gelang natürlich jedesmal, doch hatten sich die vom bösen Streich getroffenen im Laufe der Jahre vorsorglich mit Gegenmaßnahmen gewappnet. So hatte ein Psychloge für harmlosere Streiche die Drei-Eier-Rüge erfunden. Die ging so:
“Ei, ei. ei !“. wobei man ein missbilligendes Lächeln quetschte, und mit dem erhobenen rechten oder linken Zeigefinger hin und herwackelte.
Die zweite empörte Reaktion war schon wesentlich bedrohlicher. Auch hier wurde der Zeigefinger strapaziert, bis er ganz hopsig wurde, und mit den vor Ärger grollenden Worten begleitet:
“Na, na!“ Die Wirkung darauf war viel wirkungsgeladener, denn die Missetäter riefen, bleich vor Angst und mit den aus der gehobenen Literatur bekannten schlotternden Knien aus:
“Wir wollen es auch nie wieder tun!“, und rannten entsetzt von dannen.

Ich hatte die gestrige Nacht zum 1. Mai leider verschlafen, obwohl auch ich mehrere Rollen Klopapier für einen guten Zweck entzwecken wollte. Die Sonne schien zwar schon, doch ich ging trotzdem auf die Straße und begann, den nagelneuen BMW X6 meines Nachbarn sorgfältig nach allen Regeln der Wickelkunst einzuwickeln. Leider entdeckte er mich, stürzte wütend aus seinem Haus heraus, und erkundigte sich höflich brüllend, ob ich denn spinne?
Ich beruhigte ihn ob meines Geisteszustandes, und erklärte ihm, dass ich sein Auto in eine Geschenkpackung packe, mit fünflagigem Papier – da ließe ich mich nicht lumpen! Darüber war er sichtlich beeindruckt, denn er bot mir in derselben Lautstärke ein Gegengeschenk an, nämlich dass er mir gleich eine in die Backen reinhauen werde, wenn ich mir mein Fünflagiges nicht sofort wohin hineinschieben würde.
Als Pazifist brach ich meine selbstlose Tätigkeit natürlich sofort ab, und trat kurz vor der ge-Backenen Reinhaue und ohne seiner Order Folge zu leisten, das Corpus delicti in die von ihm empfohlene Endlagerung einzuweisen, diesmal noch unbeschadet meinen Heimweg an. Beim nächsten 1. Mai werde ich schlauer vorgehen – versprochen!

P.S. Grad eben fällt mir etwas ein: Wenn dieser Beitrag für dia Quatsch-Sparte gedacht wäre, hätte ich mir ein herzigeres Ende vorgestellt:
An seinen kostenlosen Rat zur Endlagerung des Fünflagigen anknüpfend, stieß er einen grellen Pfiff aus, auf den hin drei besonders kerlige Kerle aus dem Haus stürzten – und mich mit meinem eigenen Klopapier einwickelten, liebevoll, mit viel Geduld, Glied für Glied. Und als ich dann wie eine Mumie nachhause schlich, begegnete mir ein andrer, leicht wankender Mann in Weiß. Ich fragte ihn:
“Hast du auch einen BMW X6 mit Klopapier eingewickelt?“
“Nein“, gluckste er mit weinseliger Stimme, „ich komm von einem Fasching, wo ich als Tutanchamun verkleidet war!“
Kurt Binder
schrieb am 14.05.2023, 08:56 Uhr
Guten Morgen, Freunde,

ein paar Zeilen zum Muttertag – an unsre Mutter Erde:



Heute Morgen


Taufrisches Grün umfängt mich
an diesem warmen Morgen im Mai -
ich taumle hinein,
liebevoll umarmt von der bunten Natur,
die auch heute in leuchtenden Farben
meine Stimmung malt,
meine Sinne betäubt mit den süßen Düften
der Schmetterlings-Blumen im Garten.

Verhaltene Lebensfreude
klingt in den Flötentönen der jungen Amsel,
die unbedarft das Morgenrot begrüßt -
die Unschuld des Ursprungs.

Ein Küßchen von der aufgehenden Sonne -
befreit lache ich in das erwachende Leben:
„Guten Morgen, Mutter -
was kann ich heute Gutes für Dich tun?“
Kurt Binder
schrieb am 20.05.2023, 17:51 Uhr
Es geschah in der Dämmerung

Es war so gegen 8 Uhr abends. Der Tag war schwül und trocken, doch die dräuenden Wolken zogen mitleidlos über unser Dorf hinweg, und erleichterten sich genüßlich grummelnd über der Nachbargemeinde.
Da ging in unsrer Straße ein Mann an unsrem Hoftürchen vorbei – nein, nicht vorbei; er hielt an, öffnete das grüne Türchen, und trat einfach ein. Dann schritt er zielstrebig um das Haus herum und näherte sich der Haustür.
Und dann folgte das Unglaubliche: Er trat rotzfrech ein, als wär er hier zu Hause, ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank, holte sich ein Bier heraus, entdeckelte es - und lümmelte sich skrupellos in meinen Patriarchensessel!
Ja – und dann genoss ich das gut gekühlte Bier in vollen Zügen, denn es war, wie gesagt ein schwüler Tag in diesem Spätfrühling.
Kurt Binder
schrieb am 30.05.2023, 07:04 Uhr
Vom Frühling – bekehrt

Was mir da heute an diesem erwachenden Frühlingsmorgen passiert ist, war sowas von unglaublich, dass ich es euch brühheiß erzählen muss.
Da schreite ich also, nichts Böses ahnend wie gewöhnlich um 6:05 Uhr mit auf dem Rücken verschränkten Armen durch meinen noch dösenden Garten spazieren. Und während ich mich in Gedanken mit der umweltfreundlichen Konstruktion eines diagonal-transzedentalen Algorhythmus zur permutierenden Hybridisierung Hegelianisch-Leninistischer Dystopien beschäftigte, vernahm ich plötzlich ein merkwürdiges, knarrendes Geräusch, das eindeutig aus dem kleinen Gartenhäuschen hinter dem Haselnussstrauch kam. Ich griff mir einen Baseball-Schläger, der zufällig genau vor meiner rechten Hand an einem Baum lehnte, näherte mich von hintem dem Schuppen, und lugte vorsichtig durch das Fensterchen – bereit, den mutmaßlichen Waschbären, Fuchs oder King Kong todesmutig zu empfangen.
Doch wie groß – größer es ging nicht – war mein Erstaunen, als vorne das Türchen aufflog, eine auf Anhieb undefinierbare Gestalt, umgeben von undefinierbaren Düften heraustrat, und mich ziemlich schnoddrig fragte, was ich hier zu suchen hätte! Ich stellte mich höflich mit meinem vollen Namen vor, und versicherte ihm auf Ehrenwort, dass ich nachweislich der legitime Inhaber dieses grünen Etablissements sei, und ob er zur Bekräftigung meiner Behauptung meinen Ausweis und das Grundbuch sehen wolle? Als er großmütig den Kopf schüttelte, erkundigte ich mich, mit wem ich so früh am Morgen die Ehre hätte – und warum?
Von diesem unerwarteten Niveau meines von Knigge empfohlenem Etikettverhaltens total zerdremmert, schrumpfte der Gorilla augenblicklich zu einem winselnden Füchslein, das mich zunächst flehend bat, die Polente vorläufig nicht zu alarmieren. Er sei nur ein armer Obdachloser, der für diese kühle Nacht ein Obdach gesucht hatte. Dabei sei er rein zufällig in meinen Garten geraten, hätte rein zufällig das schmucke Gartenhäuschen erspäht – ja, und sei dann einer inneren Stimme folgend nach mehrmaligem Anklopfen hineiungetreten, und habe auf der Gartenliege übernachtet.
Noch bevor ich mich mit der Rechtmäßigkeit seines spontanen Handelns spirituell auseinandersetzen konnte, fragte er mich zögernd, ob ich ihm eventuell vielleicht ein bescheidenes Frühstück zubereiten könne? Was er sich denn so zum Breakfast wünsche? Die Antwort kam wortwendend:
“Also, wenn es Ihnen nix ausmacht, so hätte ich gerne zwei Scheiben gebratenen Bacon mit drei Rühreiern, in Rotwein gedünstete Trüffel mit Knoblauchsoße, einen süß-sauren rohen Krautsalat dazu – wobei alternativ auch siebenbürgische Salzgurken angenehm wären, und einen halben Liter schwarzen Kaffee, mit Süßstoff – geschüttelt, nicht gerührt!“ Er schloss zwar nicht mit „Das wärs“, aber das war es wirklich. Und während ich sein Frühstück zubereitete, spazierte er durch den Garten und vertilgte als Vorspeise meine Erdbeeren.
Nach fünf Minuten war ich fertig, doch hatte ich ihm dank meiner genetisch verankerten Bescheidenheit nur ein Speckbrot mit gesalzener Zwiefel geschnitten, und ein Glas alkoholfreie BIO-Milch eingegossen. Während er mampfte, erzählte er mir seine Geschichte, die unglaublich abwechslungsreich und abenteuerlich war. Er hätte sich seit Jahren auf diese Weise durch die Nächte geobdachtet, und zeigte mir stolz seinen dicken Sperrhaken-Bund aus recycelten, abbaubaren Kruppstahl, mit dem er sich bis jetzt in alle Gartenhäuschen Zutritt verschafft hatte. Ich weinte vor Rührung, doch er tröstete mich schulterklopfend, und versicherte mir, im nächsten Jahr wiederzukommen.
Bevor er ging, steckte ich ihm schluchzend noch einen Hundert-Euro-Schein in die Tasche. Erfreut über meine großzügige Spende versicherte er mir, die erste Flasche Bourbon-Scotch-Whiskey auf mein Wohl zu leeren. Dann verduftete er.

Als ich ins Haus zurückging, musste ich lächeln. Ja, genauso hätte es mir an diesem herrlichen Morgen in Wirklichkeit passieren können. Und für alle Fälle bestellte ich online sogleich einen Bausatz für ein geräumiges Gartenhaus, mit elektrischem Licht, Toilette, Dusche, Kühlschrank, Fernseher - und einer komfortablen Liege mit Kamelhaardecke.

Nimrod
schrieb am 30.05.2023, 11:38 Uhr
Hallo Kurt, wunderbare und beeindruckende Erzählung am frühen Morgen. Da drängt sich mir die Frage auf, ob Du noch in BW bist oder schon in Maghrebinien. Was meinst Du, Gregor von Rezzori hätte bestimmt seine größte Freude daran ! Deine Leser natürlich auch !
Kurt Binder
schrieb am 02.06.2023, 12:53 Uhr
Danke, Nimrod – ja, ich bin seit 50 Jahren ein Ortstreuer Gültsteiner bei Herrenberg in BW. Maghrebinien hab ich zeitlich und räumlich weit hinter mir gelassen; was geblieben ist, sind sehr gemischte Erinnerungen ...
Und weil Adel ;-))) verpflichtet, lasse ich nun eine weitere mysteriöse Erscheinung folgen.

Vom Frühling - bekehrt 2

Die Mystery geht weiter

Seit jenem mysteriösen Vorfall in meinem Garten waren 10 Jahre ohne weitere ähnliche Vorfälle vergangen – außer einem:
Ich breakfaste seit damals, weiß der Himmel, wieso – täglich zwei Scheiben gebratenen Bacon mit drei Rühreiern, in Rotwein gedünstete Trüffel in Knoblauchsoße, einen süß-sauren rohen Krautsalat dazu – wobei alternativ auch siebenbürgische Salzgurken recht angenehm schmecken, und einen halben Liter schwarzen Kaffee, mit Süßstoff – geschüttelt, nicht gerührt!
Auch heute war es so ein netter, erwachender Frühlingsmorgen – als es an die Tür klopfte. Ich dippte gerade mit der letzten Trüffel in die alle Sinne beraubende Soße, rief aber trotz der für einen Besuch ungebührlichen Tageszeit mit ungebührlich vollem, verknoblauchten Mund:
“Herein – wer immer du auch seist!“ Der Wer-immer-auch-Seiende trat forsch ein, als sei er hier zu Hause – und ich vergaß. die letzte Trüffel in meinen Mund zu ...
“Aha – da ist sie ja!“, rief ER erfreut, holte mit den Fingern die entsetzte Trüffel von meiner Gabel, und verfrachtete sie hinter sein Gebiss. „Ich hatte sie bei meinem letzten Besuch vergessen!“
Ich hatte ihn sofort an den gelb-rot-karierten Socken und an seinem prominenten, überentwickelten Kinn erkannt, mit dem er die Titanic hätte versenken können. Er trug einen maßgeschneiderten, hochkarätigen cremeweißen Sommeranzug von Dior, seine Augen blitzten durch Best Polyphems-Sunglasses* durch, und einen lässigen Brad-Pitt-Undercut-Fassonschnitt, vorne ergänzt mit der Elvis-Schmalzlocke, und hinten mit einem prächtigen Pferdeschwanz, der jeden Esel adlig gependelt hätte. Also das musste wohl jedes Mädel zum überzeugten Schmelzen bringen. Außerdem erschlug seine linealgrade, selbstbewusste Haltung sicher seine frechsten Wortgegner mit einer gehörigen Portion von „Halt die Klappe, denn jetzt red ich!!“. Kurz gesagt - das ehemals um Gnade winselnde Füchslein war wieder zum King Kong explodiert.
Ja, und dann erzählte ER mit Begeisterung, die unheimlich zu seiner damaligen Unterwürfigkeit kontrastierte, was er so alles bis heute erlebt hatte.
Als er sich endlich seiner selbst, also als Nobody per definitionem bewusst geworden war, hatte er in einem ersten Schritt die „Gewerkschaft der obdachlosen Obdachlosen“ gegründet. Das waren jene, welche den Gartenhaus-Trick noch nicht heraus hatten. Dann ließ er einen ‚Minister für zeitliche und räumliche Unterkunftsplanung’ wählen, die gemäß des Prinzips des bewährten Rotaionsverfahrens durchgeführt werden sollte. Alle Mitglieder erhielten einen Sperrhaken-Bund, und mussten einen Eid schwören, sich niemals erwischen zu lassen – die Gartenhäuschen also vor 7 Uhr morgens zu verlassen.
Für seine unermüdlichen Bemühungen und die Deckung gewisser Ausgaben erhob er von seinen Schutzbefohlenen erst einen Obolus, der sich bald darauf zu einem Pflichtbeitrag erweiterte – ehemals als „Cotizaţie“ bekannt. So hatte er sich einen Palast bauen können – natürlich in der Form seiner ursprünglichen Unterkünfte, um von seinen Untertanen nicht allzusehr abzuheben!
Und da ja, wie man weiß, die meisten Menschen heute vom Wohltätigkeitssyndrom geplagt werden, wollte jeder, nachdem die Schlüsselbund-Strategie dennoch ruchbar geworden war, um sich nicht lumpen zu lassen, so schnell wie nur möglich auch ein Gartenhäuschen besitzen. Infolgedessen schnellte die einschlägige Industrie sofort in schwindelnde Höhen. Für Ehepaare wurden sogar Doppellliegen fabriziert – und das war ausschlaggebend, denn am selben Tag noch waren die Gartenhäuschen, die an Größe, architektonischen Innen- und Außenraffinessen, Luxusgrad, Preis und Verkaufsmengen wie Amöben pulsierten, von der Börse nicht mehr wegzudenken!
“Ja ja – so hat alles begonnen!“, fuhr ER fort. „Meine Idee, die Gartenhäuschen mit umweltfreundlichen Solarzellen zu decken – sie also autark zu gestalten, hatte unsre bislang namenlose Organisation in die endlose Reihe der bekannten politischen Parteien gehoben. Heute nennen wir sie KAKTUS, also ‚Krisenfeste Assoziation Konsequenter Traumideen Umsetzer’! Ich habe anfangs an ‚Orchidee’ gedacht, aber diese Idee schien uns dann doch zu blümernat! Ach ja - da unsre Ideologie mit der der Grünen kompatibel ist, planen wir in Kürze eine Koalition!“
Ich hatte staunend, und immer staunender seinen Schilderungen zugehört. Und ich konnte das Weinen kaum verbeißen, als ER mir mit tiefsten Bedauern mitteilte, dass es ihm leider unmöglich war, seine Ideen patentieren zu lassen. Das sei an den sehr unterschiedlichen Moralvorstellungen zu diesem, die produktive Freiheit einschränkenden Schutzrecht kategorisch gescheitert, und hätte überdies kaum vorstellbare intergalaktische Konflikte ausgelöst!
„Das wars dann - wie sehen uns!“, schloss er seine Erzählungen abrupt, dankte für das traditionelle Speckbrot mit gesalzener Zwiefel, griff sich seinen Elfenbein-Spazierstock mit goldenem Griff, und verabschiedete sich - diesmal aber betörend nach Bleu de Chanel verduftend. Auf der Straße stieg er in ein eindeutiges Etwas, und fuhr von dannen.

Wie ich eingangs schon erwähnt hatte, dippte ich mit der letzten Trüffel in die Knoblauchsoße, und erwies ihr mit wertschätzendem Schmatzen die letzte Ehre. Und wieder musste ich über meine Gedankengebilde lächeln, die mir auch heute, wie vor 10 Jahren eine derart greifbare Begegnung vorgegaukelt hatten. Merkwürdig erschien mir nur, dass es im ganzen Haus – nach Bleu de Chanel duftete!


*) Polyphem – ein einäugiger Zyklop, Sohn des Meeresgottes Poseidon (griech. Sage)
Nimrod
schrieb am 02.06.2023, 13:48 Uhr (am 02.06.2023, 13:49 Uhr geändert).
Beim Lesen habe ich mir schon gedacht, eine Brille von Fielmann wäre viel zu günstig und um der werten Leserschaft den Duft von Bleu de Chanel zu beschreiben folgender Hinweis:BLEU DE CHANEL Eau de Parfum ist ein aromatisch-holziger Duft, bei dem Sandelholz aus Neukaledonien auf einen Hauch eleganter Zedernoten und die Lebhaftigkeit von Zitrusfrüchten trifft. Der energische, frische Duft hinterlässt eine pulsierende und belebende Duftsignatur. Wer größere Mengen braucht, ein Liter kostet nur zwischen 1200 und 1500 € . Kurt dieser Duft erhält dich jung !
Kurt Binder
schrieb am 11.06.2023, 18:02 Uhr
Danke; Nimrod, für das Rezept! Bin gleich rangegangen, das Parfum nachzubauen. Bloß hab ich anstatt Sandelholz Schweinefleisch vom Metzger genommen, statt Zitrusfrüchten Apfelessug, und statt Zedernholz franzüsischen Estragon. Die Arbeit hat sich gelohnt, denn mein Haus war erfüllt vom göttlichen Duft – der Bertramsuppe ;-))) !

Tantalus in Nöten (1987)

Kennst du die Gewissensfrage
und die Kalorienangst,
wenn bei einem Grillgelage
du um deine Taille bangst?

Wenn du an der vollen Tafel,
wo du hungrig hin gelangst,
zwischen Appetit, Geschwafel
und dem Wahn vom Schlanksein schwankst?

Zwar hast du ihn nicht vergessen,
deinen Schwur vorm Frühlingsfest,
aber du hast doch gegessen,
weil zu hart war dieser Test.

Denn nicht jedem ists gegeben
der Enthaltsamkeit zu frönen,
wenn die andern dicht daneben
lustvoll schmatzend dich verhöhnen.

Und dein Körper, der so grillig,
zahlt dem Unverstand Tribut;
anfangs war dein Geist zwar willig,
doch das Fleisch war viel zu gut.

Und zu Hause zeigt die Waage
dir dann höhnisch am Ballast,
dass du diese Niederlage
mit Erfolg bestanden hast.

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