Vom Frühling beseelt, jeden Tag aufs Neue

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Nimrod
schrieb am 12.06.2023, 19:20 Uhr
Kurts geliebte Betram-Suppe

Kaiser Franz und seine Truppe
Liebten schon die Bertram-Suppe,
ja im ganzen Donauland
war sie den Bürgern wohlbekannt.

Und unser Kurt kann sich verbürgen
Besonders liebt man sie in Siebenbürgen
Kurt würde sie gern täglich kochen
Mit Schweinefleisch – ganz ohne Knochen

Viele Zutaten sind soll, doch eine muß
Die Artemisia dracunculus
So heißt bei uns im Umgangston
Der vielgeliebte Estragon

Vom Estragon sehr angetan
Ist Frankreich, ja ganz Mediteran
Und unser Kurt auch, nicht zuletzt
Als „Betram“ er dies Kräutlein schätzt

In Deutschland aber, seht euch um,
ist Bertram „Anacyclus pyrethrum“,
das kannte auch schon Hildegard von Bingen,
mit ihm tat sie den Menschen Heilung bringen

Betrachtet man dies Kraut mit Brille
Sieht’s ähnlich aus wie die Kamille
Die Heilkraft kommt, in aller Kürze,
durch der gemahlenen Wurzel Würze

Deshalb beachten muß man schon
Den Unterschied zu Estragon
Der deutsche Bertram, hier im Land
Ist auch als „Römischer“ bekannt.

Im Gegensatz, hab ich im Internet gelesen,
ist Estragon in römischen Küchen unbekannt gewesen
in unsern Küchen hier dagegen
ist fleißig man am überlegen

Es denkt die Maid und auch die Oma
Welcher Estragon hat mehr Aroma
Es gibt ihn fast aus ganz Europa
Was rät uns unser Kurti-Opa ?

Nun, Kurt macht hier nicht viel Tam-Tam
Bei ihm heißt alles hier Betram
Obwohl, ihm ist es gar nicht schnuppe
Schmecken muß sie, die Bertram-Suppe
Kurt Binder
schrieb am 17.06.2023, 10:18 Uhr
Die erste Sorge

Nachdem das erstgeschöpfte Ehepaar
verschämt erkannte, dass es nackend war,
begab der Adam sich am frühen Morgen
zum Feigenbaum, um Wäsche zu besorgen.

Doch alldieweil gerupfte Feigenblätter
nicht lang beständig sind bei Wind und Wetter,
und somit kurz nur ihren Zweck erfüllten,
und dann, was zu verbergen war, enthüllten,
musst’ er mit Keuchen und mit reichlich Schnaufen
den weiten Weg so ziemlich täglich laufen,
indess die Eva, wenn sie unbeMannt,
sich selbstgefällig vor dem Spiegel wand.

Und als er eines Tags mit BIO-Slips
und ein paar nagelneuen Muschel-Clips
zurückkam kam und in Schönheit sie erblickte,
wie sie in Eigenliebe sich erquickte,
da keimt’ zum ersten Mal mit voller Wucht
in seiner Männerbrust die Eifersucht,
und während brennend ihn der Argwohn plagte,
er seine sexy Gattin also fragte:

„Oh, trautes Weib, wenn ich so ausgeflogen,
hast du mich wirklich auch noch nie - betrogen?“
„Ooh nein, noch nie“, seufzt’ sie betrübt, „zudem
hab ich ja leider nicht gehabt - mit wem!“

Kurt Binder
schrieb am 21.06.2023, 07:47 Uhr
Flachs mit Herz

Der Sommer ist da!
Ob kalendarisch,
griechisch-katholisch
oder vegetarisch –
Wurscht ist Wurscht,
und Käs bleibt Käs -
wen kümmerts schon?

„Genug des Guten!“,
meint die Sonne schnippisch -
und beschneidet die Tage
jeden Morgen, jeden Abend
ein kleines Stückel -
man nennt das ‚Sonnenwende’.

Da lachen die wachsenden Nächte -
die Vampire sich in die Beißer,
und schlürfen vorfreudig
auf die sich verlängernde Jagd-Saison -
das ist gebisslich wahr!

Ich glaub nicht an Dracula -
hingegen an laue,
romantische Traumnächte,
denn - der Sommer ist da!
Kurt Binder
schrieb am 08.07.2023, 18:26 Uhr
„Danke, Christian Schoger!“

Dem Wort verhaftet sein – das find ich gut,
das suggeriert Ideen, und macht uns Mut!
Ob aber Phrasen- oder Versewürger -
in meinem Herzen bleib ich Siebenbürger!


Es ist mir nun ein ehrliches Bedürfnis, auf eines der Stichworte in dem Porträt in der aktuellen Druckausgabe der Siebenbürgischen Zeitung erläuternd einzugehen; nicht um anders – bloß um konsequent zu bleiben!

Die drei Dämonen

Donna Prokrastina versuchte gerade, mit vollem Einsatz ihrer sämtlichen mehrdimensionalen Reize den uralten Rentner Karl-Fritz Meyer (mit üpsilon) wiederholt dazu zu verleiten, das verdreckte Geschirr von gestern erst morgen zu spülen. Nun war ihr das beileibe nicht bei allen uralten Rentnern geglückt – das muss hier mit allem Nachdruck gesagt werden! Und um weitere Schlappen bei solchen spülfesten Rentnern zu vermeiden, suchte sie ab sofort nach einer Lösung.
Und wie sie so in allen Ecken, unter den Brücken, auf den Bäumen und in Mäuselöchern suchte, vernahm sie plötzlich dicht neben sich hinter einem Busch ein klagendes, kaum vernehmbares „Wuff“. Vorsichtig schob sie ein paar Zweige beiseite, und siehe da – darunter hockte völlig verwahrlost, abgemagert und zitternd so eine Art Mops, der sie flehend aus von Zwecklosigkeit umflorten Augen treuherzig anguckte!
Donna Prokrastina beugte sich über das verängstigte Tier und tätschelte es. Die Mopsart ließ diese Liebkosung mit genussvoll geschlossenen Augen über sich ergehen, und wuffte vor Wohlbehagen. Und da er bereits ein Halsband mit einer daran geknüpften Leine um den faltigen Hals trug, ergriff sie diese, der Hund sprang auf, und sie gingen selbander von dannder – pardon, von dannen. Und während er von seinem neuen Lebenszweck beseelt neben ihren einladenden ausladenden Hüften einhertrabte, und glücklich mit dem nach oben gerichteten halben Kringel wackelte - was bei herkömmlichen Hunden als ein Schwanz benannt wird, wuffte er verklärt:
„Donna, ich glaube, dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft!“
Jetzt, da sie im wahrsten Sinne des Wortes an einem Strang zogen, pilgerten sie ab heute stets zusammen durch unser Leben – zwei Dämonen, die unsren täglichen Tatendrang auf Teufel komm raus zu bremsen versuchten! Denn während die Donna uns zum Aufschieben einer anstehenden Arbeit zu bewegen suchte, mussten selbst die standfestesten Rentner erst den Insch-wei-hu besiegen, um ihr trotzen zu können! Er ist sowas wie einn Bollwerk, das zu überwinden sich meist als schwierig erwies.
Oh nein, Insch-wei-hu ist nicht der Name eines chinesischen Diktators! Es ist - unser innerer Schweinehund, der sich durch dieses Bündnis ehrenamtlich verpflichtet fühlte, seiner Herrin bei der Durchführung ihrer, unsre Trägheit fördernder Mission bedingungslos zu helfen.
Wenn uns aber dieser Doppelsieg nach hartem Ringen gelungen ist, dann formt die Donna ihre Lippen zu der gefürchteten dämonischen Doppelschnute, welche uns eindeutig kündet:
“We will be back!“ (Wir werden zurückkommen) Der Mops aber, da er den halben Kringel leider nicht einziehen kann, geifert bissig aus Angst, Wut und Enttäuschung hilflos in der Gegend herum. Dann trollen sie sich.
Wo aber bleibt der dritte Dämon?
Nun, da war doch so ein amerikanischer Ingenieur namens Edward A. Murphy jr., der behauptete rotzfrech, dass alles schiefgeht, was schiefgehen kann! Diese folgenschwere These soll er 1948 angeblich mittels eines auf den Teppichboden fallenden - Butterbrotes bewiesen haben! Sie wurde als „Murphy’s Law“ – als Murphys Gesetz beannt, löste sich flott von seinem anatomischen Träger, entfleuchte, und stieß auf der Suche nach dem Sinn des Lebens als Spiritus destruktivus bald auf das dämonische Zweier-Gespann. Da es ja den gutgläubigen Menschen durch seine kategorische Aussage, insbesonders aber mittels des überzeugenden Butterbrot-Beweises die bestehende, gesunde Skepsis vor Beginn einer Tätigkeit zu einem dystopischen Pessimismus degenerieren ließ, wurde er auf Anhieb wohlwollend begrüßt. Und als er dann noch selbstbewusst diese, uns allen aus der deutschen Literatur wohlbekannten Worte rezitierte
“Ich sei, gewährt mir die Bitte,
in eurem Bunde der Dritte!“, kam auf der Stelle eine Koalition zustande, die uns – ich weiß wirklich nicht, wieso - irgendwie bekannt dünkt. Na ja, Phantasien sind eben manchmal – überdüngt!
Kurt Binder
schrieb am 17.07.2023, 08:49 Uhr
Kausalität

Ein junges, frisches Hühnerei, obzwar
es ganz normal und eierförmig war,
das lag sich bald nach der Geburt mit jeder
beleibten Henne in der Zausefeder.

Nun glauben alle, dass ein Hühnerei
entweder essbar oder faulig sei;
doch dieses, offensichtlich ein Genie,
erging rotzfrech sich in Philosophie.

„Wenn ich nicht wär“, so piepste keck der Racker,
„gäbs weder euch noch euer blöd’s Gegacker!“
„Ach, wirklich?“, schrien die Hennen aufgeregt,
„und wer, beim Gockelhahn, hat dich gelegt?“

„Auch wenn ihr Suppenhühner noch so wütet,
so wurdet ihr - aus mir doch ausgebrütet!“
Und setzte nach: „Habt ihr noch nie vernommen,
woher die kleinen Piepsekücken kommen?“

Prompt konterten die Hennen unverfroren:
„O doch, du Ei, nachdem wir dich geboren!“
Und so blieb jeder stur und ungebeugt
von seinem Erstlings-Status überzeugt.

Auch heute noch rumort von früh bis spät
der alte Hader zur Priorität -
als ob der erste Platz in einer Reihe,
dem Ersten mehr Reputation verleihe.

Und daraus keimt die Frag’ nach der Moral:
Im Grunde ist’s mir piepeschnurzegal;
ob Eierspeis erst, oder Hühnersuppe -
die Reihenfolge ist mir völlig schnuppe!
Kurt Binder
schrieb am 21.07.2023, 08:30 Uhr
Heu-Schrecken

Ein Esel schleicht durch Hitze und durch Dürre,
und ist vor heißem Hunger schon halb irre.
Da hält er plötzlich an und schnuppert lüstern,
denn frischer Heuduft dringt in seine Nüstern.

Obwohl de facto müde und erschlafft,
treibt ihn das letzte Viertel Eselskraft
in jene Richtung hin, aus der die Schwaden
verführerisch zum Mittagfressen laden.

Schon sieht er sie, die hohen, grünen Raufen,
drei dampfend frische, trockne, leckere Haufen,
und torkelt hastig hechelnd auf sie los,
dann bremst er brüsk, und zwar derart virtuos,
dass hart ins Schlotterknie geht sein Gewicht,
denn ABS gabs damals ja noch nicht,
und landet nach dem letzten Stolperschritte
aufs Haar genau dazwischen in der Mitte.

Doch jetzt, in dieser vierten Schicksals-Strophe,
Vers zwei, beginnt erst jene Katastrophe,
die jeden Esels Image so verkracht
und ihn zum Sprichwort-Deppen hat gemacht.

Denn plötzlich dringen Düfte, süß und fein,
von allen Seiten lockend auf ihn ein,
vom frischen Heu, erreichbar ganz bequem -
doch da ergibt sich leider ein Problem.

Da alle drei den Hochgenuss verheißen,
fällt es ihm sichtlich schwer, sich zu befleißen,
sich diesen Heustock, oder lieber jenen
zuerst zum Fressgelage vorzunehmen.

Sein Kopf geht ziemlich ratlos hin und her,
die Hufe werden langsam bleiern schwer,
und weil er unentschlossen nur gelungert,
ist er nach einem Jahr total verhungert.


Hier meine Meinung, quasi als Moral:
Verreißt auch dich einmal die Qual der Wahl,
dann rat ich dir, willst du kein Esel sein:
Vergiss das Heu - und hau dir ‘n Steak hinein!

Kurt Binder
schrieb am 04.08.2023, 11:19 Uhr
Siesta im Paradies

Wunsch- und windlos saß ich bei 90 Grad Fahrenheit unter dem blauen Baldachin im Garten, und schaukelte, meine himmlische Ruhe unterstützend mal hin und her, mal her und hin. Kurz darauf wurde ich von diesen perfekten Voraussetzungen für einen Szenenwechsel wohltuend eingelullt. Und da träumte mir, dass sich eine Amsel auf meinen Kopf setzte, und „Schlaf ein, schlafe ein, mein blond Engelein“ aus Puccinis Oper Madame Butterfly sang. Als sie jedoch bemerkte, dass ich weder blond, noch ein Engelein war, flatterte sie enttäuscht davon, nachdem sie mir gemäß des Zitates „Alles Gute kommt von oben“ einen eindeutigen Beweis ihres tadellos funktionierenden Metabolismus auf den Kopf gepflanzt hatte.
Gleich darauf erwachte ich. Der Traum in meinem Kurzschlaf war derart real, dass ich die Amsel immer noch flöten, ja sogar wegfliegen sah. Für alle Fälle tastete ich vorsichtig mit dem rechten Zeigefinger meine spärliche Frisur ab – eine Geste, die meine Ruhepause abrupt beendete. Denn nach dem Haarewaschen war mir die Lust vergangen, mich weiterhin als ambulante Toilette für fahrendes, bzw. fliegendes Getier zu exponieren.
Dies denkwürdige Erlebnis hatte mir verdeutlicht, wie fließend die Grenzen zwischen Träumen und Wachsein eigentlich sind. Und deshalb beschloss ich, künftig nur noch im Haus zu siesten, und in meinem kleinen, wunderschönen, teils naturbelassenem Garten den reinen, unverfälschten Atem der Schöpfung mit allen Sinnen wahrzunehmen – wach, und unter dem Regenschirm!
Kurt Binder
schrieb am 17.08.2023, 13:07 Uhr
Kleine Siesta auf Balkonien

Für mich war es ein Feiertags-Essen. Anstatt wie gewohnt eine Bihun.Suppe, oder besser eine chinesische Hühnersuppe aus der Konserve im Mikro aufzuwärmen, hatte mich heute ein mysteriöser Tritt in den dafür geschaffenen Körperteil dazu getrieben, mir wahr und wahrhaftig nach monatelangem Kneifen wiedermal etwas eigenes zu kochen! Selbst noch fassungslos über diesen frechen Querschläger durch meinen festgefahrenen Usus, der rücksichtslos über die Palette meiner gängigen kulinarischen Machwerke hinweggefegt war, lümmelte ich zwei Stunden später im Lehnstuhl auf dem Balkon, und blinzelte in die Sonne. In meinem Bauch, der schräg nach rechts hinunterhing, buhlten 27 Zwetschkenknödel um den besten Platz, um standesgemäß verdaut zu werden. Vorher hatte ich sie natürlich, wie es sich gehört in mit Butter bei schwacher Hitze gebräunten Semmelbröseln und Zucker sorgfältig gekugelt. Nach dem Stand der Mittagssonne, die knapp zwei Meter rechts vom Zenit stand, sah ich, dass es genau 14 Uhr und 3 Minuten war – Zeit für ein erholsames Nickerchen.
Mein Lehnstuhl war gerahmt von zwei üppigen grünen Stauden. Links wucherte aus einem großen Pflanztopf eine Mini-Snack-Gurke (Castraveţus sativus), und rechts protzte eine Cherry-Tomate (Paradeisus cireşus) mit 97 reifen Früchten. So pflückte ich eine handvoll Paradeischen, sowie zwei Gürkchen, und versenkte diese frische, ungewaschene Vitaminspritze in den Bauch. Und dann senkten sich endlich meine Augenlider langsam zur wohlverdienten Mittagsruhe.

Doch dann vollzog sich vor meinem, vom nahenden Schlaf verschleierten Blick ein seltsames Schauspiel. Im Garten gegenüber fichtete ein riesiger Nadelbaum immergrünend in die Wolken. Von einem plötzlich aufkommenden Wind gepeitscht begannen seine Zweige heftig hin und her zu schlenkern. Ich schmunzelte belustigt, denn ich musste an die Models auf dem Laufsteg denken, die auch versuchten, sich gegenseitig im Hüftenschwingen auszustechen.
Die Fichte war, wie ich auf den Tag genau schätzte neun Jahrzehnte hoch, und da wir somit fast gleichaltrig waren, erhob ich mich, und begann einfach nur so zum Spaß ebenfalls mit allen Gliedern zu schlenkern. Dabei versuchte ich, meinen grünen Tanzpartner an Eleganz, Anmut und Verrenkungen möglichst zu überbieten.
Als ich nach mehreren Minuten erschöpft innehielt – ertönten von der Straße her begeisterte Bravo-Rufe und ein frenetischer Applaus, dass die Fenster schepperten. Dann kam eine junge Frau zum Balkon, und reichte mir einen Strohhut voller Münzen, Knöpfen und sogar mit zwei Scheinen herauf.
Doch bevor ich das Honorar dankend entgegennehmen konnte, stand plötzlich ein Typ vom Finanzamt hinter ihr - und schnappte sich mit einem kühnen Griff die beiden Scheine. Dies sei, wie er mir erklärte, die Mehrwertsteuer für die Ausübung eines nicht registrierten Gewerbes, das ich in strafbarer Ignoranz der Staatskasse entzogen, und zur frivolen Belustigung sensationshungriger Müßiggänger verwenden wollte!

Ich fuhr erschrocken zusammen. Die Fichte schlenkerte immer noch im frischen Wind, doch die Straße – war leer. Von meinem fantasiereichen Traum im Kurzschlaf inspiriert, wollte ich amüsiert weiterschlenkern. Das schaffte ich aber mit der Performance nicht, und so latschte ich eben wie Charlie Chaplin mit zappeligen Bewegungen und einem imaginären Spazierstock auf dem Balkon herum.
“Mami“, fragte da ein kleines Mädchen, das gerade mit ihrer Mutter auf der Straße vorbeiging, „was macht der komische Onkel dort?“
„Ah, weißt du, Hanna – manche Menschen haben im Alter nichts zu tun – und dann fangen sie an zu spinnen!“
Kurt Binder
schrieb am 24.08.2023, 08:58 Uhr
Urlaub

„Huii, was ist denn los dort unten?“,
scheint die Sonne sich zu fragen,
als sie all die vielen bunten
Autos sieht, und Campingwagen.

Mann, da tobt ‘ne Riesenparty,
kilometerweit die Chose,
mit Pommes frittes, Salat und Arti-
schokenherzen aus der Dose.

Auf dem Grill da braten Hähnchen-
schenkel, und die duften sehr,
und schon mancher hat ein Fähnchen
von der Flasche, die längst leer.

Freude steht in den Gesichtern,
lautstark bricht der letzte Bann,
und mit Tränen in den Lichtern
sagt man „Du“ zum wilden Mann.

„Was - du hast kein Bier mehr, Kumpel?
Oh, das ist Tierquälerei!“
Schnell holt man aus dem Gerumpel
seines Kofferraums gleich zwei.

Alles läuft heut leicht und locker,
sozusagen ungehemmt;
keinen haut mehr was vom Hocker,
auch nicht den, der sonst verklemmt.

Papa tanzt mit der Blondine
aus dem Opel nebenan,
und er krallt mit geiler Miene
sich an ihren Hüften an.

Mama schmust in dem Toyota
heimlich in dem Polstereck,
mit dem Kerl aus Minnesota -
„Kinder, schaut doch bitte weg!“

Schrill vibriert in allen Scheiben
rhythmisch jenes Element,
das bei ausgeflipptem Treiben
heut man fröhlich „d’ Musi“ nennt.

Plötzlich über das Gelände
hallt ein tausendstimmig Schrei:
„Leut, die Party ist zu Ende,
auf - der Stau ist nun vorbei!“

Man gelobt, im gleichen Rahmen
sich zu treffen übers Jahr;
alle, die auch diesmal kamen,
weil es einfach irre war!

Keiner zieht die Stirne krause
wegen ausgeblieb’ner Weite,
und erholt fährt man nach Hause -
diesmal auf der andern Seite.
Nimrod
schrieb am 24.08.2023, 12:03 Uhr
Hallo Kurt, Du übertriffst Dich mittlerweile selbst. Hier hast Du wieder ein filmreifes Drehbuch geschrieben. Vielleicht wäre es was für das Verkehrsministerium, um damit die vielen Staus auf den Autobahnen in einem anderen Licht zu sehen. Gerade wegen der Völkerverständigung durch gute, zwischenmenschliche Beziehungen.
Kurt Binder
schrieb am 01.09.2023, 06:51 Uhr
Diesmal - vom Herbst beseelt ;-))

Die letzte Paradeis
Ein Teelöffelchen latenter Poesie aus dem Alltag

Guten Morgen, liebe Freunde, ich komme eben von meinem Breakfast, und möchte euch gerne rückwirkend daran teilgehabt haben zu lassen wollen gekonnt zu haben!
Aber – beginnen wir von Anfang an:

Ich nannte sie Solana. An diesem ersten Morgen im September streichelte mein Blick ein letztes Mal ihre schlanke, ranke Gestalt. Mittlerweile überragte sie mich um zwei Handbreiten, und war mir leicht zugeneigt, so als bedanke sie sich dafür, dass ich in diesen heißen Sommertagen täglich ihren Durst mit ausreichend Wasser gestillt hatte. Als Rankhilfe hatte ich sie während des Wachsens vorsichtig um einen Spiralstab gewendelt. Dabei hatte ich sie jedesmal verstohlen gestreichelt, und ihren grünen Umhang mit zärtlichem Fingern in Ordnung gebracht. Ihre sichtliche Verlegenheit darüber erkannte ich daran, dass die kirschgroßen, ribiselförmig herabwachsenden Früchte, zu Deutsch „Cherry-Tomaten“ immer röter wurden – und mich mehrmals am Tag zum Vernaschen verführten. Hinzu kam, dass die Tomaten weltweit als dritt intelligenteste Pflanzen gewertet wurden – ein Grund mehr, sie auf Augenhöhe zu verspeisen!
Doch damit war heute leider Schluss. Unter einem welken Blatt hervor schien Solana mich wie zum Abschied aus dem letzten roten Auge, auf dem ein frischer Tautropfen glitzerte, traurig anzuschauen. Blutenden Herzens löste ich die einsame Paradeis schonend vom Stengel ab. In der Küche überlegte ich, ob ich aus ihr eine leckere Paradeissuppe (mit Griesknödeln) kochen, oder sie lieber zu Ketchup verarbeiten solle? Doch mein Appetit auf diese, für heuer letzte ihrer Art, frisch aus Balkonien importiert war so ausgeprägt, dass ich ihr letztendlich dann doch eine würdigere, siebenbürgische Bestattung gewährte – und sie mit selbstgebackenem Speckbrot und Zwiefel in meinem Magen beisetzte. Ihren letzten Durst stillte ich mittels eines andächtigen, größeren Schlucks Ţuică de prune aus dem Unterwald.
Ich kann nicht behaupten, dass ich mich auf dieser Walstatt meiner wehmütigen Gefühle für Solana*als Sieger befunden habe. Auf jeden Fall war ich fest entschlossen, im Frühjahr kommenden Jahres diesen süßen, roten Früchtchen eine weitere Chance zu geben, mich täglich anzumachen, und meinen Gaumen ihre dritt intelligenteste Intelligenz, kulinarisch gewandelt weiterhin glauben zu lassen.


*) Solanum hypopersicum = lat. Name der Tomate
Kurt Binder
schrieb am 16.09.2023, 11:46 Uhr
... trotzdem – Vorsicht!

Es amüsiert mich immer wieder, in vielen Filmen zu verfolgen, wie Männlein und Weiblein, unter einem fadenscheinigen Vorwand, sei es mit Ex, mit Lover oder mit Bodyguard zueinandergebracht werden, und frappierend schnell „sich langsam näher kommen“. Und wenn die Beiden sich dann, nach um Tränen flehenden Hürden am Ende des Films endlich – wer hätte das gedacht – mit Pussi Pussi im Großformat glücklich vereinigen, gestaltet sich das Happy End zu einem überzeugenden, optisch und akustisch perefekt inszenierten Lehrmittel – jawohl, und das nicht nur für Anfänger.
In meinen Augen eine bedauernswerte thematische Armut, die, von Phantasielosigkeit gesteuert bis zum bitteren – pardon, zum süßen Ende durchgemurkst wird. In dieser Form von bemühter Werbung für die Zweisamkeit wird jedoch eine kleine Kleinigkeit übersehen. Während fast jeder Film mit dieser appetitanregenden, schmackhaften Szene endet, verpasst uns das wahre, zynische Leben einen Vorsicht gebietenden Dämpfer, denn da läuft es leider - genau umgekehrt!
Nach einem Wie-auch-immer-Zusammentreffen sind die Anlaufzeiten bis zum gegenseitigen Bejahen, irgendwo vom Frühling beseelt in der Regel kein Thema und widerstandsfrei, während sich die eigentlichen Problene mit den zwangsläufigen Schwierigkeiten in Wahrheit ja immer erst - nach der Kostprobe einstellen!
Tarimona
schrieb am 26.09.2023, 21:53 Uhr
Kurt du bist ein nie versiegender Quell an Kreativität. Ich ziehe meinen Hut.
Hab hier auch mal wieder ein paar Gedanken zum Leben.

Fußspuren im Schnee

Ein Leben ist wie eine
Fußspur im tiefen Schnee.
Dann taut es, die Fußspur
verschwindet ganz langsam
und für immer.

Es schneit und wieder
ziert eine neue Fußspur
den tiefen Schnee.
Dann taut es, die Fußspur
verschwindet ganz langsam
und für immer.

Es schneit und wieder.........


Ja, so ist es dieses Leben.
Nimrod
schrieb am 27.09.2023, 09:39 Uhr
Liebe Tarimona, du hast Recht. Der Mensch hinterlässt vor allem mit seinen Füßen Spuren auf unserer Erde. Die Schlagerindustrie hat dem auch Rechnung getragen und so gab es in den 1950er Jahren den Schlager: Zwei Spuren im Schnee... Weil nun aber die Winter nicht mehr so schneereich sind hat die Unterhaltungsbranche die Erderwärmung berücksichtigt und vor etlichen Jahren den Schlager herausgebracht: Deine Spuren im Sand .... Es hinterlässt aber nicht nur der Mensch seine Spuren, auch das Leben zeichnet Spuren in den Menschen, gerade auch in sein Gesicht. Manchmal kann man dann wie in einem Buch daraus lesen. Zur Betrachtung unseres lieben Kurt: Schiller hat das in seinem "Lied von der Glocke" so formuliert: Drum prüfe wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet - der Wahn ist kurz, die Reu ist lang". In diesem Sinne grüße ich euch, in der Vorfreude bald wieder von euch zu lesen - euer Nimrod
Kurt Binder
schrieb am 28.09.2023, 09:02 Uhr
Liebe Tarimona,

die Werle eines Dichters sind unantastbar.
Ich maße mir nicht an, Deine Gedanken zu ergänzen oder zu interpretieren. Es hat mich berührt, wie Du in schlichten Worten etwas in mir angestoßen hast, worüber es sich lohnt, nachzudenken - danke!

In diesem Sinne

herzlichst Kurt

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