Brenndörfer Ortsgeschichte: Das Erdbeben vom 4. März 1977

25. Mai 2010

Allgemeiner Bericht

Das Erdbeben im März 1977 hatte auch unsere Kirchen im Burzenland schwer mitgenommen. Es war wichtig zu beobachten, wie die Gemeinden als erstes, wie ein Mann an ihr Gotteshaus dachten, der uralte Nachbarschaftsgedanke hat hier ein Wunder vollbracht.
Unter Führung ihres Pfarrers Helmut v. Hochmeister traten die Männer Brenndorfs an und schafften nicht nur die vollständige Restaurierung des Turmes, sondern auch des Inneren der Kirche. Ich hatte mehrmals diesen Bauplatz besucht und als Architekt mitgeholfen.

Der Turm hatte gefährliche vertikale Risse bekommen. Nur mit Hilfe starker Stahlbandumschnürungen (unter Putz) war die Stabilität zu sichern. Die seelische Kraft gab das Bewusstsein, dass die EKD uns ein großartiges Patentgerüst geschickt hatte, man hatte uns also nicht vergessen! Zu loben ist auch die Frauenschaft, die beim Großreinemachen „ihren Mann gestanden hat“. Nach altem Brauch vollzog sich die Wiedereinweihungsfeier mit Begrüßung durch Choräle der Blasmusik im Pfarrgarten, dann folgte der feierliche Zug in die helle, schmucke Kirche, voran unser Herr Bischof. Im Anschluss gab es einen festlich gedeckten Tisch im Pfarrhaus.

Zur Einweihung der wieder­her­ge­stellten Kirche in Brenn­dorf am 6. November 1977

Das Jahr 1977 haben wir uns mehr als nur in einer Hinsicht gut zu merken. Es schließt sich der ununterbrochenen Reihe jener Jahre an, die, lesen wir in unseren historischen Quellen, durch Erdbeben, Brände, Pest- und Cholera gezeichnet waren, und erfahren da ausführlich, wie diese Lebenserschwernisse ungebrochen bewältigt wurden.

Es seien mir noch zwei Vergleiche aus unserer Vergangenheit gestattet: Fährt man über Reps Richtung Schäßburg, so grüßt linker Hand vom Berge oben die Keisder Bauernburg den Wanderer. Nicht von ungefähr nennt sich der eine ihrer Wehrtürme „Pfarrturm“ und ein anderer „Schulturm“. Wenn vom Wächterturm die Feuerwarnzeichen der Repser Burg erspäht wurden, dann wussten die Gemeinden um Keisd herum, dass ihnen jetzt nur noch die Flucht auf ihre Fliehburg Rettung bringen konnte. Mit ihnen zogen auch ihre Pfarrer, Lehrer und Schüler mit Schwert und Muskete in der Hand auf ihre Posten. Ich habe nirgends gelesen, dass auch nur einer von ihnen etwa nach Schäßburg geflohen wäre, denn jedermann wusste, was Ehre und Pflicht verlangten.
Die Einweihungsfeier der renovierten Kirche in ...
Die Einweihungsfeier der renovierten Kirche in Brenndorf fand am 6. November 1977 in Anwesenheit von Bischof D. Albert Klein statt. Foto: Simon Thiess
Oder als 1689 der große Brand fast ganz Kronstadt in Schutt und Asche legte, ist nirgends in den zahlreichen Schriften, die wir über jenes Unglücksjahr besitzen, eine Bemerkung verzeichnet, dass sich dieser oder jener Kleinmütige oder sich schlauer Dünkende verdrückt hätte. Nein, im Gegenteil, es steht da vermerkt, dass diese Gemeinde imstande war, schon nach fünf Jahren das Riesendach ihres, nun Schwarze Kirche benannten Domes aufzurichten. Nur dank der festen Zusammenhalts zwischen Pfarrer, Presbyterium und Gemeinde, haben wir die über uns verhängten Heimsuchungen überstanden und so und nicht anders konnten wir auch das Ungemach des Jahres 1977 überstehen.

Es sah fast wie eine Verzweiflungstat aus, hier an Restaurierung zu denken, wenn man zum Beispiel den Zustand der Kirche in Rothbach und Brenndorf bedenkt. Es war uns bewusst, dass ein Nachbeben, das wir in jenen Tagen stets befürchteten, deren Türme vernichtet hätte. Jetzt waren auch die Narben des Erdbebens von 1940 stärker in Erscheinung getreten. Es entwickelte sich im Laufe dieses Sommers und Herbstes ein kaum zu glaubender wunderbarer Arbeitseifer, denn man konnte sich in die Augen sehen, man beriet und war in gehobener Stimmung, trotz aller Alltagsmisere.

Das, weil man an allen Ecken und Enden feststellen konnte, dass man nicht verlassen und vergessen war. Erhebend war auch, dass Gemeinden, die nicht so arg betroffen waren, den schwer Heimgesuchten halfen. Tatkräftig wurde nachbarliche Hilfe geleistet. Ich möchte unter vielen doch wenigstens Weidenbach und Petersberg erwähnen. Weidenbach, das trotz seines eben bewältigten Kirchenbrandes an Rothbach viel Gutes tat, und Petersberg, das Brenndorf geholfen hat. Ebenso hat auch die Leitung unserer Landeskirche, die allein einen ganzen Überblick über die Gesamtschäden hatte, mit Ge1dbeträgen, Ausführungsplänen und Beaufsichtigungen ihren Führungsanspruch beweisen können.

Aber auch über die Landesgrenzen hinweg hat man uns tatkräftig unterstützt. Neben dem seelisch stärkenden Bewusstsein, dass man unsere Lage wohl kennt und mit uns fühlt, möchte ich hier eine besondere Hilfe erwähnen, die ich „Hilfe zur tätigen Selbsthilfe“ nennen will: Dabei denke ich besonders an Brenndorf, das in einer Periode des größten Baugerüstmangels ein wunderbares Patentgerüst aus der Bundesrepublik Deutschland bekam und dazu auch noch eine Motor-Mörtelinjektions-Pumpanlage.

Es hatte eben dieses Katastrophenjahr 1977 kommen müssen, um uns Sachsen aus jenem schizophrenen Zustand im wahrsten Sinne des Wortes wachzurütteln, der besonders unser letztes Jahrzehnt so belastet hatte: Mensch, sieh‘ um dich, wache auf und gehe an deine gute Arbeit um Kirche und Heimat. Das ist ehrenhaft, das ist deine heilige Aufgabe! Und ich werte es als Zeichen der Heilung, dass unsere Gemeinden nicht nur das eben Notwendigste vollbrachten, nein, sie taten sogar mehr, sie reinigten und besserten auch jene Teile ihrer Kirchen und Pfarrhäuser aus, die eigentlich nicht so viel Schaden erlitten hatten. Ganz im Sinne unserer Lebensauffassung, dass zu unseren Gottesdiensten eben auch saubere Kirchen gehören, unserem Herrgott und uns zu Ehren. Nun grüßt den Wanderer durchs Burzenland auch der schmucke Turm von Brenndorf im Verein mit den andern Burzen1änder Kirchenburgen, noch und wieder Zeichen unserer Daseinsberechtigung. Es ist nun einmal so im Leben, dass man nicht nach dem beachtet wird, was man hätte tun wollen, sondern danach, was man in die Tat umgesetzt hat. Und hier kann man Brenndorfs Pfarrer Helmut Hochmeister und seine Gemeinde nur aufrichtig beglückwünschen! Mögen das deutsche Wort von der Kanzel und der Gemeindegesang, geführt vom Orgelklang, hier und in der ganzen Landeskirche in alle Zukunft zu unserem inneren Frieden erklingen!

(Aus: Günther Schuller, Kronstadt. Kaleidoskop einer Stadt im Südosten. 1211-1988, Verleger: H.K.-Transylvania-Stiftung, Hermannstadt 1998)

Arch. Günther Schuller

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