27. März 2002

Geschichten rund um den Handball in Siebenbürgen (IX)

Aus dem Sprung die schönsten Tore geworfen: Wilhelm Heidel trug die Nummer 10 und war mit Rechts und Links gleich gut / Erinnerungen an die Olympischen Spiele 1936
Er war einer der besten Handballer. Willi Heidel konnte aus dem Sprung mit der Rechten wie mit der Linken die schönsten Tore werfen. Als rechter Verbinder war er ein geschickter Dribbler, beim Gegner stets gefürchtet. Diese Erinnerungen Ernst (Erni) Wolfs an Wilhelm Heidel wurden vor 14 Jahren festgehalten. Beide gehörten jener großen Handballmannschaft des Hermannstädter Turnvereins (HTV) an, der 1936 die meisten Spieler für die Olympischen Spiele in Berlin stellte.
Nur etwas kitzlig sei er gewesen. Eines Tages ist die Studentenmannschaft Temeswar zu Gast in Hermannstadt. Ein Meisterschaftsspiel ist angesagt, und Georg Gunesch, der 1947 Spielertrainer bei Politehnica Temeswar geworden ist, kennt Heidels Schwäche. Doch an jenem Tag spielt statt Wilhelm ein Reservemann. Und der fragt nach einiger Zeit, was zum Teufel die Gegenspieler eigentlich von ihm wollen, da diese ihn ständig mehr oder weniger diskret kitzeln. Diesmal erreicht der listige Gunesch sein Ziel also nicht.
Wilhelm Heidel, am 28. Februar 1916 in Hermannstadt geboren, beginnt mit 13 Jahren in der Handelsschule unter dem Trainer Willi Kirschner Handball zu spielen. Heidel berichtet, Kirschner habe viele Jahre Handball und Tennis gespielt und sei ein guter Trainer und ein Vorbild gewesen. Zu den ernst zu nehmenden Gegnern der Handelsschüler gehören damals die Bruckenthalschule und das Lehrerseminar. Von den Schülern, die damals mit Heidel Handball zu spielen beginnen, werden später viele in der rumänischen Nationalmannschaft stehen, die 1936 in Berlin am olympischen Handballturnier teilnimmt.
Doch bis zur Teilnahme an den Olympischen Spielen haben die Siebenbürger Handballer noch einige Sorgen: Zunächst fehlt das Geld für die Reise nach Deutschland. Trainer Hans Schuschnig ist jedoch ein großer Macher: Er organisiert Spiele, deren Einnahmen in eine Kasse für die Reise nach Berlin fließen. Der Plan des Trainers geht auf: Zwölf Spieler des Hermannstädter Turnvereins, verstärkt durch drei Mediascher, zwei Bukarester und einen Kronstädter treten die Reise nach Berlin an: Aus Hermannstadt kommen Karl und Fritz Haffer, Robert Speck, Alfred Höchsmann, Fritz Halmen, Günter Schorsten, Oki Sonntag, Hans Georg Herzog, Willi Kirschner, Willi Zacharias, Stefan Zoller und Wilhelm Heidel. Zu ihnen stoßen die drei Mediascher Hans Zikeli, Bruno Holzträger und Kasemiresch sowie der Kronstädter Stippi Orendi. Die beiden Bukarester Dragan Comanescu und Fecsi werden nur deshalb genommen, weil eine rumänische Mannschaft nicht nur aus Deutschen bestehen durfte, meint Heidel.
Zu ihren Gegnern gehört das deutsche Nationalteam und die sudetendeutsche Auswahl. Schlecht sei es der rumänischen Mannschaft bei den Spielen ergangen, berichtet Heidel: „Gegen Deutschland haben wir eine haushohe Niederlage erlitten. Deutschland hatte eine so große Auswahl, es war damals übermächtig.“ Und so kommt es, dass die rumänische Nationalmannschaft nur den fünften Platz belegt - durch ein 10:3 über die USA.
Wilhelm Heidel
Wilhelm Heidel


Wilhelm Heidel erinnert sich noch gerne an die schöne Zeit zurück. In den 30er Jahren, noch vor Berlin, trugen die Hermannstädter Handballer große Spiele gegen Mannschaften aus Kronstadt oder Mediasch aus. „Meistens habe ich Linksverbinder gespielt“, berichtet Heidel, „und habe die Nummer 10 getragen.“ Auch an seine Kollegen kann sich Heidel noch gut erinnern: Kirschner sei der beste gewesen, Orendi und Höchsmann kampfbewusste und durchtrainierte Stürmer, und die Haffer-Brüder, die nach dem Krieg nach Amerika gingen, die Stützen der Verteidigung. Auch Speck sei als Stammverteidiger nicht wegzudenken gewesen. Schorsten, einer der Begabtesten, sei leider schon früh gefallen.
Heidel fährt fort: "Sonntag war sehr wichtig für die Mannschaft, eine Triebfeder, stets dabei, wenn es darum ging, etwas zu unterstützen oder zu machen. Zoller war ein hervorragender Torwart. Er konnte gleich gut im Handball- wie im Fußballtor halten. Mit Bruno Holzträger sind wir seltener zusammengekommen, doch wir haben immer gerne auf ihn zurückgegriffen.“ Als Verteidiger habe er sehr gut in die Mannschaft gepasst. Und Ernst Wolf sei der geborene Torwart gewesen - ein Klassemann!
Die längste Zeit spielt Heidel für den HTV. Mit der Hermannstädter Mannschaft fährt er eine Reihe von Landesmeistertiteln ein. In Bukarest spielt er nur ein Jahr lang für den dortigen Turnverein.
Mit 43 Jahren gibt Heidel das Handballspiel auf. Alte Fotos oder andere Erinnerungsstücke an die alte Zeit besitzt er nicht mehr. Bei der Rückkehr nach acht Jahren Kriegsgefangenschaft findet er nur noch wenig vor. Fast alles ist weg. Die schwere Zeit in den russischen Lagern, von Zentralrussland durch den Kaukasus bis auf die Krim, hat er jedoch ohne sichtbare Schäden überstanden. Das Schlimme vergisst man, sagt Heidel, der heute in München lebt.
1970 konnte er nach Deutschland ausreisen. Hier belieferte er als Textilkaufmann in einer Tuchgroßhandlung Firmen mit Schneiderzubehör. Inzwischen ist er längst Rentner. Möglicherweise ist er der Letzte noch lebende siebenbürgische Teilnehmer an den Olympischen Spielen in Berlin. Recherchen nach weiteren Spielern sind bisher erfolglos verlaufen.

Johann Steiner


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 3 vom 28. Februar 2002, Seite 11)

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