20. Juli 2002

Reaktionen auf Volkszählung

Mit 80 000 bis 85 000 Deutschen in Rumänien hatte der DFDR-Abgeordnete Wolfgang Wittstock bei der Volkszählung gerechnet, während DFDR-Vorsitzender Klaus Johannis ihre Zahl auf 50 000 schätzte. Fast genau 60 000 sind es tatsächlich, so die vorläufigen Ergebnisse des Landesamtes für Statistik, das die demographischen Daten im März erhoben hatte und kürzlich veröffentlichte (siehe SbZ-Online ).
Der deutsche Parlamentarier in der Stadt am Zibin zeigte sich daher auf seiner letzten Pressekonferenz vor den Sommerferien etwas überrascht, der Bürgermeister jedoch bezeichnete diese Daten gegenüber unserem Siebenbürgische Zeitung-Korrespondenten als "durchaus realistisch". Beide DFDR-Spitzenfunktionäre stellten die Richtigkeit der vorläufigen Ergebnisse nicht in Frage, stützten sich aber auf unterschiedliche Quellen. Während Wittstock sich größtenteils auf die Statistik des Bundesverwaltungsamtes (BVA) in Köln und empirische Studien eines Bukarester Soziologen beruft, greift Johannis auf "hauseigene" Daten zurück. Laut DFDR-Geschäftstelle gab es in den letzten Jahren kaum mehr als 50 000 beitragszahlende Forumsmitglieder landesweit, wobei nicht einmal alle ihrer Beitragspflicht nachkommen. Das BVA meldete seit 1992, als die erste Volkszählung in Rumänien nach dem Umbruch durchgeführt wurde, einen Zuzug in die deutschen Lande von rund 40 000 Sachsen, Banater und Sathmarschwaben. Wenn man von den rund 120 000 damals noch in Rumänien lebenden Deutschen ausgeht, hätten in der Tat heute noch 80 000 Angehörige dieser Ethnie im Lande sein müssen, denn anderweitig angesiedelt haben sich vermutlich nur wenige unserer Landsleute. Wittstock vermutet daher einen Teil der von ihm angenommenen Differenz bei jenen rund 18 000, die in den Formularen der Volkszählung als Zugehörige "anderer Ethnien" festgehalten wurden, mitunter als "Sachsen" oder "Schwaben", was die Endauswertung dieser Daten ab Jahresende zeigen könnte.

Die Differenz von 10 000 Deutschen in der Einschätzung des Bürgermeisters indes dürfte der Realität etwas näher kommen, denn laut Volkzählung erklärten sich zwar 60 000 als Deutsche, weit weniger gaben aber Deutsch als Muttersprache an. Deshalb können sie vorerst auch nicht Mitglieder der deutschen Foren sein, da Artikel 6 der Forumssatzungen die deutsche Muttersprache als Voraussetzung ansetzt.

Der Kreis Hermannstadt verzeichnete von 1992 bis heute einen Einwohnerverlust von 6,77 Prozent, allein die Kreishauptstadt einen Schwund von 8,6 Prozent, und Mediasch verlor sogar 14 Prozent seiner Bürger. Die Deutschen sind im gesamten Kreisgebiet, stärker als im Landesschnitt, um 61,44 Prozent geschrumpft, das sind 10 508 Personen - von 16 364 im Jahre 1992 auf nunmehr 5 975. Der Zahl der Deutschen i einzelnen Orten sieht zurzeit vergleichsweise zu 1992 wie folgt aus: Hermannstadt 2 532 (5 601), Mediasch 1 140 (2 852), Agnetheln 154 (449), Freck 81 (196), Heltau 391 (1 061), Kleinkopisch 39 (71), Elisabethstadt 109 (245), Salzburg 15 (31) und Talmesch 75 (237). Wie das lokale Statistikamt mitteilt, haben übrigens alle Ethnien in diesem Raum um Zibin, Kokel und Harbach an Zugehörigen verloren.

Ähnlich sieht es im Burzenland und im Kreis Kronstadt aus, wo bloß die Roma um über 16 Prozent angestiegen sind. Kronstadt zählt nicht mehr über 300 000 Einwohner, sondern lediglich 283 091 Einwohner. Auch auf Kreisebene verzeichnet die deutsche Bevölkerung den höchsten Verlust von 55 Prozent: 10 059 waren es 1992, aber nur 4 525 sind geblieben.
Den Bevölkerungsschwund dürfte das Bundesministerium des Inneren mit zum Anlass nehmen, die Fördermittel für die deutsche Minderheit in Rumänien erheblich zu kürzen. Das war schon vor der Folgebesprechung zur so genannten Jahresplanungskonferenz, die im Anschluss an das zehnjährige Jubiläum der "Saxonia" mit BMI-Vertreter Frank Reuter in Kronstadt stattfand, durchgesickert. Doch keines der Regionalforen wollte auf die ursprünglich zugesagten Mittel verzichten. Der Landesvorsitzende Klaus Johannis sah sich am Vorabend des Treffens vor die Tatsache gestellt, "unpopuläre Maßnahmen" zu ergreifen und dort zu streichen, wo es mitunter nicht angebracht ist. Denn das Banat und andere Regionalforen zögerten vorerst mit der Veröffentlichung der Daten rund um die Volkszählung in ihrem Einzugsbereich. Prof. Karl Singer, Banater Forumsvorsitzender, erklärte gegenüber unserem Hermannstädter Mitarbeiter, dass sich der Schwund an Schwaben in den landesüblichen Grenzen der deutschen Minderheit halte: rund 50 Prozent. Von schätzungsweise rund 60 000 Schwaben im Jahr 1992 gäbe es derzeit noch 30 000 in der Hecke und Heide rund um Temeswar, Arad und im so genannten Banater Bergland bei Reschitza.

Martin Ohnweiler


Artikel zu ähnlichem Thema: Deutsche in Rumänien auf die Hälfte geschrumpft, Siebenbürgische Zeitung Online, 6. Juli 2002

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