19. September 2002

Reaktionen auf den Artikel "Suche, es gibt noch Dümmere..."

Auf den Artikel „Suche, es gibt noch Dümmere...“ von Dr. Claus Stephani, Siebenbürgische Zeitung Online vom 14. August 2002, haben zahlreiche Leser mit einer lebhaften Diskussion pro und kontra sowohl in der gedruckten als auch Online-Ausgabe dieser Zeitung reagiert. Ein Auswahl von Leserbriefen aus der Siebenbürgischen Zeitung, Folge 14 vom 15. September 2002, Seite 12, wird im Folgenden abgedruckt. Weitere Reaktionen in den gedruckten SbZ-Ausgaben vom 15. und 30. September.
Mit Geduld über Siebenbürgen aufklären

Mit Interesse begann ich, den Artikel von Claus Stephani zu lesen, aber je weiter ich kam, desto mehr musste ich feststellen, dass der Verfasser des Artikels sich nicht nur vom Ausdruck, sondern auch vom Inhalt her Beurteilungen erlaubt hat, die an Überheblichkeit und z.T. an Unwissenheit grenzen. Dass Schulsysteme, Lehrpläne und Unterricht in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich sind, braucht man nicht zu diskutieren bzw. sollte man nicht mit einem Pauschalurteil bewerten. Ich bin 1961 nach Deutschland ausgesiedelt und habe hier meine „Matura“ durch Besuch eines Sonderlehrganges für Aussiedler (ein ganzes Schuljahr) an einem bayerischen Gymnasium anerkennen lassen müssen. Eines der Unterrichtsfächer war Deutsche Geschichte von der Urzeit bis zur Gegenwart. Im Lehrplan „Zeitgeschichte“, nicht nur für die Aussiedler, war das Auslandsdeutschtum kein Thema. Das Gleiche musste ich während meines Studiums in München an der Pädagogischen Hochschule feststellen.
So kann man verstehen, dass die Nachkriegsgeneration und auch die nachfolgenden Generationen hier in Deutschland von der Existenz Siebenbürgens, seiner Geschichte und der Kultur unserer alten Heimat nur wenig oder keine Ahnung haben. Wenn man mit jemandem darüber ins Gespräch kommen sollte (was mir schon sehr oft passiert ist), sollte man mit Geduld aufklären und den Gesprächspartner motivieren, Interesse an unseren alten Heimat zu finden.

Ingeborg Zimmermann, Valley/Grub


Ein gutes Bildungszeugnis ausgestellt

Wir müssen Herrn Stephani dankbar sein für das Bildungszeugnis, das er den Siebenbürger Sachsen bezüglich ihres Kulturniveaus im Vergleich mit anderen ausgestellt hat. Ein besonderes Lob für die Initiative, das zu zeigen, was viele beschäftigt und oft auch bedrückt und bisher nie richtig zur Sprache gekommen ist: unser gerechter Wissensstandort in der deutschen Gesellschaft. Es gibt viele, die seine Meinung über unser Schul- und Hochschulwissen teilen. Wir müssen jedoch immer kämpfen und dieses solide Wissen bei jeder Gelegenheit beweisen und verteidigen, um uns nicht unterkriegen zu lassen und unseren Standpunkt als Bürger der alten Kulturlandschaft Siebenbürgen am Rande der Karpaten zu behaupten. Wir müssen das oftmals verfälschte Bild über die Geschichte unserer Heimat und Kultur unseres Volkes korrigieren und der Unkenntnis über Siebenbürgen mit unserem Wissen begegnen. Es kann doch nicht möglich sein, dass Graf Dracula das einzige Symbol für die Geschichte und unsere Kulturwerte ist. Leider leiden diese auch unter den deutschen Medien, so zum Beispiel erklärt ein junger Arzt in der Serie „Dr. Stefan Frank“ seine Herkunft aus Siebenbürgen – wo liege das? – mit der Antwort Transsilvanien, Graf Dracula. Auch das immer noch wirbelnde Projekt „Dracula-Park“ trägt zu Vorurteilen bei. So lässt sich vielleicht auch begründen, dass ein berühmter Verlag und auch ein Geschichtslehrer keine Ahnung von Heimat, Geschichte und Kultur unseres Volkes haben.
Ich bin stolz und glücklich, wenn ich an meine Hermannstädter Schuljahre mit all ihren Lehrern zurückblicke. Wir müssen dankbar sein für diese Menschen (siehe auch HOG-Nachrichten in der Siebenbürgischen Zeitung vom 15. August, Seite 19, Johanna Opfermann), die uns mit Fleiß, Gerechtigkeit und entsprechender Strenge unser Wissen beigebracht haben. Gleichfalls bin ich froh, dass ich als Schüler Lehrer wie Gerhard Konnerth im Lyzeum und als Germanist der ersten Hermannstädter Fakultät Professoren wie Georg Scherg, Gerda Bretz-Schwarzenbach, Barbara Thullner, Christa Thurmayer und Mihai Isbasescu – um nur einige Namen zu nennen – hatte.

Peter Betsy, Nesselwang


Einheimische zutiefst gekränkt

Sehr geehrter Herr Stephani, auch wenn der Untertitel Ihres Beitrags lautet „Spontane Gedanken zur Pisa-Studie“, meine ich, es wäre für Sie und uns alle sicherlich besser gewesen, erstens etwas weniger spontan zu Werke zu gehen und zweitens, diesen Text zumindest noch einmal zu überdenken, denn in Ihrem Ärger haben Sie gründlich Porzellan zerschlagen.
Ich finde Ihren Ton überheblich und empörend, anmaßend und gefährlich. Noch schlimmer ist aber der Inhalt dieser Aussagen, unterstellen Sie doch, dass es in Deutschland nach 1933 keine Zäsur mehr gab und dass 1945 kein Neuanfang, implizite nämlich auch kein geistiger und somit kultureller, stattfand, durch den eine Demokratie entstand, die es schaffte – und das zwei Mal in weniger als 50 Jahren – viele Millionen von Neubürgern zu integrieren; u. a. auch solche, die wie Sie diese Nation beleidigen.
Sie berichten über die Rechtschaffenheit Ihrer alten Lehrer und sogar Ihrer Hochschullehrer, die zwar von den Siebenbürger Sachsen die wenigsten kennen, die aber aus unerfindlichen Gründen in diesem Beitrag über die Pisa-Studie Eingang finden mussten. Herzergreifend: „Was waren das für bescheidene, kluge und wunderbare Menschen, nicht alle, aber doch die meisten.“ Und? Und wie garstig und vor allem dumm sind doch alle Lehrer in Deutschland! Oder was denn anderes wollen Sie den Leser da schlussfolgern lassen?
Was aber bezwecken Sie eigentlich mit Ihrem ganzen Lamento? Die „logische“ Quintessenz Ihres Textes soll doch wohl lauten: Wie toll wir Siebenbürger doch eigentlich alle sind und wie außerordentlich unter aller Qualität die übrigen Bundesbürger! Es ist nicht nachzuvollziehen und nicht zu entschuldigen, was Sie da produziert haben. Mit Ihrem Schreiben wecken Sie zudem dumpfe, rechthaberische Gefühle, die viele von uns – so absurd es in diesem Kontext vielleicht klingen mag – in dieser Form auch schon in der alten Heimat anderen gegenüber hegten und pflegten. Das ist das Gefährliche und auch Demagogische an Ihrem Text.
Wenn Sie nach jahrelangem Aufenthalt in Deutschland bemerken, dass Sie Ihre Messlatte aus einer trügerischen Idealvorstellung heraus von Anfang an zu hoch angesetzt haben (in Deutschland laufen merkwürdigerweise nicht alle Menschen mit einem Band Hölderlin in der Tasche herum), dann geht es Ihnen wie uns allen: Wir alle haben in den ersten Jahren nach der Ankunft hier in Deutschland unser mehr oder weniger verzerrtes und idealisiertes Deutschlandbild zurechtrücken müssen – unter mehr oder weniger großen Schmerzen: Auch hier wird nur mit Wasser gekocht. Nicht mehr und nicht weniger.
Ich persönlich kenne zahlreiche Einheimische, die sich sehr wohl für die Belange der Rumäniendeutschen interessieren und engagieren. Für diese Menschen ist Ihre überhebliche Nabelschau ein Schlag ins Gesicht und eine tiefe Kränkung. Und es sollte Ihnen bewusst sein: Es mögen nicht allzu viele sein, aber auch Hiesige lesen die Siebenbürgische Zeitung – es sind sicher nicht die Dümmsten!

Siegfried Gunne, Königsbrunn

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