13. August 2003

Podiumsdiskussion in Potsdam zum Thema deutsches Kulturerbe in Rumänien

Was geschieht mit dem deutschen Kulturerbe nach dem Massenexodus? Wie gehen die neuen Bewohner der ehemals deutschen Orte damit um? Wie lassen sich die vielfältigen historischen Erfahrungen in Siebenbürgen und dem Banat in einen fruchtbaren deutsch-rumänischen Dialog einbringen? Diese und andere Fragen erörterten Herta Müller, Christoph Machat, Axel Azzola und Andrei Corbea-Hoisie kürzlich in einer Podiumsrunde in Potsdam, die von Robert Schwartz moderiert wurde. Die Veranstaltung zum Thema "Historisches Erbe - Kapital für die Zukunft" wird vom "Deutschen Kulturforum östliches Europa" Ende dieses Jahres in einer Broschüre dokumentiert.
Rumänien lebt von der kulturellen Vielfalt seiner ethnischen und religiösen Minderheiten. Vor dem zweiten Weltkrieg lebten jeweils rund 800 000 Deutsche in Rumänien, ihre Zahl ist nach dem Massenexodus auf derzeit 60 000 Personen geschrumpft. Die Frage nach dem historischen Kapital des deutschen Kulturerbes mutet dem Berichterstatter der Märkischen Allgemeinen Zeitung ?beinahe seltsam? zu: ?Welche Zukunftsblüten sollte denn der absterbende Ast dieser Minderheit noch treiben??
Der aus Hermannstadt stammende Robert Schwartz moderierte die Podiumsdiskussion.
Der aus Hermannstadt stammende Robert Schwartz moderierte die Podiumsdiskussion.


Dennoch wurde auch bei der Podiumsdiskussion in Potsdam deutlich: Die deutschsprachigen Schulen sind unter rumänischen Schülern heiß begehrt. ?Das hat nichts mit der Liebe zum Deutschtum zu tun, sondern mit handfesten Überlegungen zu besseren Zukunftschancen für den Nachwuchs?, stellt die Banater Schiftstellerin Herta Müller klar. Und weiter: ?Die in sich geschlossene, authentische, von innen heraus gewachsene deutsche Kultur ist weitgehend passé?. Von ihren persönlichen Erfahrungen sprechend, gerät die 50-Jährige ins Schwärmen: ?In meiner Literatur schreibt das Rumänische mit, weil ich gar nicht mehr weiß, was ich in welcher Sprache erlebt habe.?

Ein differenzierteres Bild über die derzeitige Lage der deutschen Minderheit in Rumänien entwirft der im Banater Bergland geborene Juraprofessor und Sozialwissenschaftler Axel Azzola: ?Die deutsche Kultur verlagert sich zunehmend in die rumänische Peripherie nach Jassy, Sathmar oder Reschitza. Die Bedeutung ehemaliger deutscher Kulturzentren wie Hermannstadt, Kronstadt und Temeswar nehme hingegen ab.

Andrei Corbea-Hoisie hat vor der Wende hauptsächlich deutsche Studenten an der Universität Jassy unterrichtet. Nun hält der Germanist ebenfalls in der moldauischen Hauptstadt Vorlesungen fast ausschließlich für Rumänen. Corbea-Hoisie verweist auf das ungebrochene Interesse an deutscher Sprache und Literatur, etwa jene der deutsch-jüdischen Schriftsteller der Bukowina Paul Celan, Rose Ausländer oder Alfred Margul-Sperber.

Christoph Machat, Vorsitzender des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates, betont den Wert des Denkmalerbes. Der Kulturrat habe mit Unterstützung des Bundesinnenministeriums und in Zusammenarbeit mit rumänischen Fachleuten eine fundierte Bestandsaufnahme der Denkmäler in rund 250 ehemals siebenbürgisch-sächsischen Orten vorgenommen. Die Dokumentation habe jedoch nur einen Bruchteil der deutschen Siedlungen Siebenbürgens erfasst. ?Mit mehr Interesse und Geldgebern könnten wir wesentlich schneller und erfolgreicher arbeiten?, so der Kunsthistoriker.

Rumänien nach Europa bringen? Das sei ein Unding, erklärt Robert Schwartz, Leiter der rumänischen Redaktion der Deutschen Welle in Bonn. Das Land gehöre zu Europa. Die Podiumsdiskussionsteilnehmer sind ? abgesehen von Herta Müller ? der Meinung, dass auch Deutschland verpflichtet sei, sich mit dem Erbe der deutschen Minderheit in Rumänien zu befassen. Es gibt ein großes Nachholbedürfnis in der Aufarbeitung dieser Vergangenheit, spürt auch Frithof Benjamin Schenk vom ?Deutschen Kulturforum östliches Europa?. Es ist ein Verdienst dieser Einrichtung, die sich mit Geschichte der Deutschen im östlichen Europa kritisch auseinandersetzt, das schwierige Thema auf die Tagesordnung gesetzt zu haben.

Ebenfalls in Potsdam wurde bis zum 11. Mai die Ausstellung ?Wortreiche Landschaft. Deutsche Literatur aus Rumänien? gezeigt. Im Begleitprogramm der Ausstellung las Richard Wagner.

S. B.



Kontakt: Deutsches Kulturforum östliches Europa, Am Neuen Markt 1, 14467 Potsdam, Telefon: (03 31) 2 00 98-0, Fax: (03 31) 2 00 98-50, E-Mail: info@kulturforum-ome.de
, Internet: www.kulturforum-ome.de

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