12. April 2004

Hoher Staatsbesuch aus Luxemburg in Hermannstadt

"Wir freuen uns, dass Ihr gekommen seid", sagte auf gut Sächsisch der Hermannstädter Stadtpfarrer Kilian Dörr dem Großherzog Henri von Luxemburg und seiner Ehegattin Maria-Teresa beim Empfang vor dem "Roten Haus" am Kleinen Ring. Das war aber auch der einzige Satz, den man in diesem siebenbürgischen Dialekt, der dem Letzeburgischen ähnlich sein soll, beim Besuch der Königlichen Hoheiten in Hermannstadt am 30. März zu hören bekam - jedenfalls dort, wo die Presse Zugang hatte. Ansonsten verständigte man sich bestens in rumänischer, deutscher, französischer und englischer Sprache.
Obgleich: Die Jahrhunderte alten Bindungen zwischen Siebenbürgen und Luxemburg haben sowohl der Gastgeber, Bürgermeister Klaus Johannis, als auch die hohen Gäste immer wieder angesprochen. Gut 850 Jahre alt seien sie, meinte das Stadtoberhaupt in seinem Grußwort im Bürgermeisteramt. Siedler sind im 12. Jahrhundert bereits aus dem Moselland, das heute geografisch noch teilweise deckungsgleich mit Luxemburg ist, hierher nach Siebenbürgen gekommen. Und über manch ein europäisches Königshaus war man ohnehin fast dauernd in einer „Wahlverwandtschaft“.



Hoher Staatsbesuch in Hermannstadt: Großherzog Henri von Luxemburg (links) und Bürgermeister Klaus Johannis, jeweils mit Gattinnen, in der Heltauergasse. Foto: Martin Ohnweiler
Hoher Staatsbesuch in Hermannstadt: Großherzog Henri von Luxemburg (links) und Bürgermeister Klaus Johannis, jeweils mit Gattinnen, in der Heltauergasse. Foto: Martin Ohnweiler


Aufgefrischt wurden diese Beziehungen allerdings nur jüngst, als 1998 ein internationales Symposion zur Rettung der Hermannstädter Altstadt vor Ort abgehalten wurden. Luxemburger Fachleute waren mit dabei und gleichzeitig beeindruckt vom Kleinen Ring und seinem „Roten Haus“. So entstand die Idee, in diesem damals doch noch recht verfallenen Gebäude ein luxemburgisches Kulturzentrum einzurichten. Und von hier startete bald danach der „Hermannstädter Kulturweg“ (Projekt Hermann Fabini), eine Einrichtung, die das Großherzogtum gleichfalls großzügig finanzierte und somit in Anlehnung an den berühmten „Kulturweg“ in Luxemburg nun auch den Hermannstädter Gästen die rund 800-jährige Geschichte dieser Stadt anhand der wichtigsten Baudenkmäler über Standtafeln, Wegweiser und dergleichen mehr in etwa 80 Minuten vor Augen führt. Rund 590 000 Euro ließ sich die Regierung aus Luxemburg die Restaurierung (Projekt Hermann Fabini) des einstigen „Schaser-Hauses“ am Kleinen Ring kosten. Für diesen Einsatz, aber auch für das Bemühen, gemeinsam mit der Stadt am Zibin 2007 Kulturhauptstadt Europas zu werden, erhielten der Großherzog und die Großherzogin den Titel eines Ehrenbürgers von Hermannstadt; Urkunde und Schlüssel wurde ihnen desgleichen in festlichem Rahmen beim Bürgermeisteramt überreicht. Großherzog Henri zeigte sich in seiner Dankrede „bewegt von dieser Ehre und von dieser wunderbaren Stadt in Siebenbürgen“. Ab nun, so meinte das Staatsoberhaupt, das tags zuvor auch in Bukarest von Staatspräsident Ion Iliescu empfangen wurde, „kennzeichnen Solidarität und Freundschaft die Beziehungen unserer beiden Länder. Glauben sie mir, wir befinden uns auf dem richtigen Weg“, beteuerte Seine Königliche Hoheit nach Abschluss des offiziellen Teils im Bürgermeisteramt.

Sodann führte die Visite im Eiltempo zu Fuß über die einstige Bretterpromenade, durch die Heltauergasse und über den Großen Ring direkt zum „Roten Haus“. Zahlreiche Medienvertreter aus dem In- und Ausland begleiteten den Konvoi, Zaungäste entlang des „Korso“ winkten immer wieder dem königlichen Paar und dem Bürgermeister mit Gattin zu.

Szenenwechsel. Vor dem „Roten Haus“. Bischof Christoph Klein, Stadtpfarrer Kilian Dörr, Landeskirchenkurator Paul Niedermaier, Projektleiter Hermann Fabini, Unterstaatssekretär Ovidiu Gant, BRD-Generalkonsul Peter Adamek und viele andere Ehrengäste der deutschen Gemeinschaft, flankiert von Helga Pitters und Sofia Weinhold in sächsischer Tracht, stimmten sich auf den Empfang ein. Doch der fiel anders aus, als erwartet. Presserummel und Zeitdruck warfen das Protokoll beinahe über Bord. Erst im Festsaal konnte Stadtpfarrer Kilian Dörr die hohen Gäste so richtig willkommen heißen „bei uns - bei Ihnen zuhause. Denn als frische Ehrenbürger sind sie ja ein wenig zuhause hier in Hermannstadt, und als Luxemburger von der Sprache her sowieso.“ Doch nicht nur „Sprachverwandte“, sondern „hoffentlich auch Seelenverwandte“ werden sie da vorfinden, sagte der Stadtpfarrer. Noch mehr: „Hier, in diesem Haus, bestehen gute Chancen, dass sich unsere - teils verschiedenen - Freuden vereinigen; noch vor der europäischen Vereinigung“, vermutete Kilian Dörr und fügte hinzu: „Möge der Segen, mit dem Sie hier gewirkt haben, vielfach zu Ihnen zurückkommen.“



Das neue luxemburgische Kulturzentrum am Kleinen Ring. Foto: Martin Ohnweiler
Das neue luxemburgische Kulturzentrum am Kleinen Ring. Foto: Martin Ohnweiler


Diesen Wünschen schlossen sich in ihren Ansprachen die Kulturminister beider Länder (Razvan Theodorescu und Erna Hennicot-Schopges) an, die Führung durch das Haus übernahm Georges Calteux, der Initiator und ständige Begleiter dieser Anregung seines kleinen Landes am Hermannstädter Kleinen Ring. So besichtigte man unter Ausschluss der Öffentlichkeit im zweiten Stock des Hauses die Gästezimmer, in der ersten Etage die künftigen Amtsräume des Honorarkonsuls von Luxemburg, ferner die hier bereits eingerichtete Forschungsstelle des „Siebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuchs“, im Parterre sodann den Konferenzsaal mit 60 Plätzen, desgleichen den Ausstellungsraum und das touristische Info-Zentrum. Ebenfalls hier wird die vom Europarat geförderte Einrichtung „Kulturwege“ ihre Tätigkeit aufnehmen und ähnliche Vorhaben wie in der Stadt am Zibin von nun an in Rumänien und sogar in anderen Länder Südosteuropas durchführen. Im Kellergeschoss schließlich wurde schon vor geraumer Zeit das gemütliche Kulturcafé „Zum Sigi“ (in Namensanlehnung an Sigismund von Luxemburg) eröffnet.

Nach dem Aufenthalt im „Roten Haus“ trennten sich die Wege des königlichen Paars. Der Großherzog besuchte das Brukenthalmuseum, seine Gattin Maria-Teresa und die Bürgermeistergattin Carmen Johannis waren zu Gast in der Abteilung für HIV-infizierte Kinder im ehemaligen Wermescher Spital am Rande der Fleischhauer Wiese.

Martin Ohnweiler

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