14. Dezember 2004

Interview mit Kulturstaatsministerin Dr. Christina Weiss

Seit dem 22. Oktober 2002 hat Christina Weiss als Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien ihr Büro im Bundeskanzleramt in Berlin. Davor war die promovierte Literaturwissenschaftlerin (1953 in St. Ingbert / Saar geboren) als Literatur- und Kunstkritikerin publizistisch tätig, ehe sie sich als Leiterin des Hamburger Literaturhauses und über zehn Jahre als Kultursenatorin der Freien und Hansestadt Hamburg profilierte. Der Staatsministerin untersteht heute eine oberste Bundesbehörde mit rund 190 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Bonn und Berlin.
In Klausenburg, Hermannstadt und Bukarest machte Kulturstaatsministerin Weiss im Rahmen eines dreitägigen Rumänien-Besuchs vom 11. bis 13. Oktober 2004 Station (die Siebenbürgische Zeitung berichtete). Zentrales Motiv der Reise war "die Förderung des intensiven Kulturaustauschs sowie der Ausbau der traditionell guten Beziehungen zwischen Rumänien und Deutschland" (Pressemitteilung vom 11. Oktober 2004). Zu ihrem ersten Siebenbürgen-Aufenthalt, darüber hinaus aber auch zur gegenwärtigen Förderung siebenbürgisch-sächsischer Breitenkultur durch den Bund äußerte sich Christina Weiss in einem Gespräch, das Christian Schoger mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien führte.

Frau Staatsministerin Weiss, es war Ihre erste Reise nach Siebenbürgen. Inwiefern haben Sie "Neuland" betreten? Welches sind Ihre persönlichen Eindrücke?

Mit meiner ersten Reise nach Siebenbürgen im Oktober diesen Jahres habe ich nur rein geographisch "Neuland" betreten. Vieles kannte ich aus der Literatur, und es war beglückend festzustellen, wie trefflich die Stimmung in den Büchern eingefangen ist. So betrat ich sozusagen vertrauten Boden. Dazu kam der gute Eindruck, den die Studierenden und Lehrenden der Universität Klausenburg ebenso hinterlassen haben wie meine Gesprächspartner in Hermannstadt und in Bukarest. Die Offenheit des Hermannstädter Oberbürgermeisters Klaus Johannis, des Bischofs Christoph Klein und anderer Repräsentanten der deutschen Minderheit, ihr Engagement für die deutsche Kultur und ihre zupackende Art haben mich sehr beeindruckt. Meine Gespräche mit dem Abt des Klosters Cozia und nicht zuletzt mit meinem Kollegen, Kulturminister Professor Răzvan Theodorescu, sind mir in guter Erinnerung. Beide sind beste Vertreter rumänischen Kultur- und Geisteslebens, stolz auf die Leistungen ihres Volkes und der europäischen Kultur zugewandt. Dass mich alle Gesprächspartner in meiner Muttersprache angesprochen haben, hat mich besonders berührt.

Eine "hoch interessante Stadtführung", fand Dr. Christina Weiss, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, hier neben Hermannstadts Oberbürgermeister Klaus Johannis, im Hintergrund die Evangelische Stadtpfarrkirche. Foto: Martin Eichler
Eine "hoch interessante Stadtführung", fand Dr. Christina Weiss, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, hier neben Hermannstadts Oberbürgermeister Klaus Johannis, im Hintergrund die Evangelische Stadtpfarrkirche. Foto: Martin Eichler

Siebenbürgen, respektive Hermannstadt war Ihnen nicht ganz fremd. Ist es richtig, dass Sie der rumäniendeutschen Literatur zugeneigt sind?

Als Literaturwissenschaftlerin kenne ich natürlich die Bücher von Oskar Pastior, Dieter Schlesak, Herta Müller oder Werner Söllner. Ganz besonders bewundere ich den aus Hermannstadt stammenden Oskar Pastior, dem auf meine Anregung hin im Jahre 2002 der Erich-Fried-Preis verliehen worden ist. So hat mich die Initiative des in Klausenburg eingerichteten "Stiftungslehrstuhls für deutsche Literatur im südöstlichen Mitteleuropa und ihren Verflechtungen und Wechselbeziehungen in multikulturellen Lebensräumen" besonders bewegt, anlässlich meines Besuchs eine Lesung mit Oskar Pastior zu veranstalten.

Sie haben sich in Hermannstadt über den aktuellen Stand des Friedrich-Teutsch-Hauses als siebenbürgischem Begegnungszentrum sowie des Projektes "Europäische Kulturhauptstadt 2007 Luxemburg/Hermannstadt" informiert.

Oberbürgermeister Johannis hat mir nicht nur eine hoch interessante Stadtführung geboten, sondern mich auch über die Planungen zur Präsentation von Hermannstadt als Co-Kulturhauptstadt Europas informiert. Zudem bewirbt man sich um die Aufnahme in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes. Ich bin sicher, dass es hier zu fruchtbaren Kooperationen kommen wird. Erfreulich ist, dass der Bürgermeister meinen Vorschlag aufgegriffen hat, aus Siebenbürgen stammende Schriftsteller in der Europäischen Kulturhauptstadt 2007 gemeinsam lesen zu lassen.

Die Kultur- und Begegnungsstätte "Friedrich Teutsch", in der unter anderem auch das Zentralarchiv der Evangelischen Kirche Siebenbürgens untergebracht ist, wurde mir von Bischof Christoph Klein und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorgestellt. Ich konnte mich davon überzeugen, dass nicht zuletzt die finanziellen Zuwendungen meines Hauses dazu beigetragen haben, Archivgut, Kunst- und Kulturgegenstände aus zahlreichen, inzwischen leer stehenden siebenbürgisch-sächsischen Ortschaften zu sichern. Das Teutsch-Haus wird gewiss der Begegnung dienen, dem zwischenmenschlichen Verständnis ebenso wie der grenzübergreifenden wissenschaftlichen Kooperation.

Für 2007 planen das ASTRA-Nationalmuseum in Hermannstadt und das Siebenbürgische Museum Gundelsheim eine große kulturgeschichtliche Gemeinschaftsausstellung.

Das von Ihnen angesprochene Gemeinschaftsprojekt des ASTRA-Nationalmuseums in Hermannstadt mit dem Siebenbürgischen Museum Gundelsheim, das meines Wissens eine gemeinsame Ausstellung über siebenbürgische Möbellandschaften aus drei Jahrhunderten betrifft, wird sicher ein weiteres gutes Beispiel der Zusammenarbeit werden.

In diesem Jahr ist es dem Siebenbürgischen Museum Gundelsheim dank Ihrer Unterstützung gelungen, den Umzug in ein neues Verwaltungs- und Depotgebäude umzusetzen. Dabei konnte die museale Tätigkeit uneingeschränkt fortgeführt werden. Im Zuge einer Stellenstreichung sind ab 2005 nur mehr eine Minimalbesetzung von einem Wissenschaftlichen Mitarbeiter und einer Verwaltungsleiterin hauptamtlich tätig. Kann das Museum nach diesem großen Einschnitt – finanziell wie personell – mit kontinuierlicher Unterstützung seitens des Bundes rechnen? Zumal das Museum als Einrichtung nicht nur allen Siebenbürger Sachsen dient, sondern auch der internationalen, fachlich interessierten Öffentlichkeit.

Es ist zu begrüßen, dass das Siebenbürgische Museum Gundelsheim in ein neues Verwaltungs- und Depotgebäude umziehen konnte. Wir werden auch künftig das uns Mögliche tun, um die Arbeit des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim zu fördern. Ich möchte darauf hinweisen, dass beim Siebenbürgischen Museum keine Stellenstreichungen, sondern – im Einvernehmen mit allen Beteiligten – die Verlagerung einer Stelle und damit verbundene Haushaltsmittel zu dem Museum Europäischer Kulturen in Berlin erfolgte. Der Haushaltsansatz des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim für 2005 liegt nur knapp unter den vom Vorstand beantragten Mitteln.

Gerade durch die institutionelle Förderung Ihres Hauses wurde das Museum bislang substantiell gefördert. Ab dem kommenden Jahr wird dieser Status geändert in eine projektbezogene Förderung. Wie begründet sich eine solche Umstufung und was bedeutet sie für die künftige Arbeit des Museums als Teil des siebenbürgisch-sächsischen Kulturzentrums in Gundelsheim?

Dem Museum wurde bereits Anfang Oktober übermittelt, dass die Förderung vorbehaltlich des Ergebnisses der parlamentarischen Beratungen zum Bundeshaushalt 2005 auf so genannte Projektförderung umgestellt wird. Im Einzelnen wurde dies dem Museum ausführlich erläutert. In der Praxis dürfte diese Umstellung die Arbeit des Museums erheblich erleichtern, weil damit die starre Bindung an die Titel eines Wirtschaftsplans entfällt.

Die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland unternimmt mit ihren Gliederungen große Anstrengungen im Bereich der kulturellen Breitenarbeit. Die Bundesförderung für Maßnahmen der kulturellen Breitenarbeit belief sich 1998 auf rund 70.000 Euro, 2003 förderte die Bundesregierung keine Maßnahme mehr. Besteht trotz der bekannt angespannten Haushaltslage Aussicht auf eine Neujustierung der Kulturförderung?

Kulturelle Breitenarbeit vollzieht sich auf vielen Ebenen. Das angesprochene ehrenamtliche Engagement ist hier ein zentraler Faktor, denn ohne diesen Einsatz läuft in diesem Bereich so gut wie nichts. Hinsichtlich der Unterstützung durch mein Haus möchte ich darauf hinweisen, dass nicht allein das Siebenbürgische Museum gefördert wird, sondern auch zahlreiche Projekte des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrats realisiert werden. Und nicht zuletzt ist auf die Tätigkeit der Kulturreferentin für Südosteuropa hinzuweisen, die auch zahlreiche Vorhaben der Siebenbürger Sachsen unterstützt und die spezifischen Erfahrungen und Kenntnisse der Landsmannschaft in die kulturelle Breitenarbeit einbezieht. Ich finde, dass die von meinem Haus geförderten Kulturreferenten hervorragende Arbeit leisten, indem sie die Aufgaben der kulturellen Breitenarbeit eng mit der Museumsarbeit verknüpfen, so dass Synergieeffekte entstehen. Eine Neujustierung der Kulturförderung in diesem Bereich halte ich aus sachlichen Gründen für nicht geboten; was mögliche Verbesserungen aber nicht ausschließt.

Rund eine Viertelmillion Siebenbürger Sachsen leben heute in Deutschland, über das Bundesgebiet verstreut. Noch existiert eine vielfältige Breitenkultur, die vornehmlich ehrenamtlichem Engagement erwächst. Welche Antworten gibt die "Neukonzeption der Kulturförderung nach § 96 Bundesvertriebenengesetz" auf die Frage, wie die siebenbürgisch-sächsische Kulturpflege in Deutschland nachhaltig und langfristig gesichert werden kann?

Lassen Sie mich zu dem hinter dieser Frage stehenden Komplex ganz allgemein feststellen: Die "Neukonzeption" von 2000 hat genau dieses Ziel, nämlich eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Kulturförderung nach § 96 Bundesvertriebenengesetz zu ermöglichen. Sie will einerseits das wissenschaftliche Niveau der Erforschung von Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa halten und langfristig sichern, um die Präsenz im allgemeinen wissenschaftlichen Diskurs zu gewährleisten und über Multiplikatoren eine weitere Verbreitung zu ermöglichen. Sie befördert die Kooperation vor allem mit den östlichen Nachbarländern Deutschlands, um den Dialog über das gemeinsame kulturelle Erbe zu intensivieren. Nach einer kurzen Phase der intensiven Diskussion der Neukonzeption in den Medien, die vor allem deren kulturpolitische Bedeutung und Ausrichtung hinterfragte, kann nunmehr eine verbesserte Rezeption der nach § 96 BVFG geförderten Wissenschaft und Kulturarbeit in der Öffentlichkeit festgestellt werden. Die größten Fortschritte lassen sich im wissenschaftlichen Bereich ausmachen, woran die veränderten politischen Rahmenbedingungen und die dadurch entstandenen transnationalen Kooperationsmöglichkeiten wichtigen Anteil haben.

Können Sie diese Trendentwicklung im Hinblick auf die siebenbürgisch-sächsische Kulturpflege konkretisieren?

Ich sehe in der Professionalisierung und Verwissenschaftlichung der Auseinandersetzung mit Ihrer Geschichte und Ihrem Kulturerbe eine Garantie für die Nachhaltigkeit der siebenbürgisch-sächsischen Kulturpflege. Eine weitere Chance – die Sie durchaus erfolgreich ergriffen haben – besteht in dem immer reichhaltigeren Angebot an qualitätsvollen Veranstaltungen, in welche die jüngeren Generationen dies- und jenseits der Grenzen verstärkt einbezogen werden. Natürlich sollten hierbei auch die neuen Medien eingesetzt werden. Das erfolgt in erfreulichem Maße durch Ihre Homepage www.siebenbuerger.de und die Auftritte anderer Einrichtungen, vor allem der Heimatortsgemeinschaften.

Lebendige Kulturpflege erlebt heute, im "Zeitalter der Globalisierung", gleichsam eine Renaissance, wohl auch und gerade kraft ihrer identitätsstiftenden Funktion. Demgegenüber bevorzugt die erwähnte Neukonzeption die volkskundlichen, kunsthistorischen und Heimatmuseen als "Lern- und Erlebnisorte auch für ein breiteres Publikum". Sehen Sie da nicht eine grundsätzliche Unvereinbarkeit? Wollen Sie lebendige Kulturpflege musealisieren?

Diese Institutionen – und gerade auch das Siebenbürgische Museum – stehen nicht für eine abwertend gemeinte "Musealisierung", sie setzen sich vielmehr intensiv und erfolgreich für eine zukunftsorientierte Zusammenarbeit mit den Ländern Ostmitteleuropas ein. Mittlerweile arbeiten die Museen – auch aufgrund der Neukonzeption der Kulturförderung nach § 96 BVFG, die ausdrücklich die Kooperation fordert – ausgesprochen zukunftsorientiert im Sinne einer Öffnung auf das erweiterte Europa und einer Weiterentwicklung des Kulturerbes. Die "stärkere Professionalisierung der Museums- und Forschungsarbeit" sowie die Vermittlung der Ergebnisse "an eine breitere Öffentlichkeit mit zeitgemäßen Methoden und Medien" gehören zu den wichtigen Zielvorgaben der Neukonzeption.

Ganz konkret ist all das auch an der Arbeit des Siebenbürgischen Museums festzumachen, das sich stets für die Zusammenarbeit mit Partnerinstitutionen in Rumänien und Ungarn eingesetzt und bei der Sicherung und Erhaltung deutschen Kulturgutes in Rumänien eine wichtige Rolle gespielt hat. Nicht zuletzt ist das an der bereits angesprochenen Ausstellung festzumachen, die zusammen mit dem ASTRA-Museum in Hermannstadt veranstaltet werden soll.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Staatsministerin.

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