8. Juli 2005

Heimattag in Kanada: Gedenken im Zeichen der Versöhnung

In herzlicher Atmosphäre und unter zahlreicher Beteiligung haben die Siebenbürger Sachsen in Nordamerika am 25. und 26. Juni ihren Heimattag in Kitchener, Ontario (Kanada), gefeiert. Das Begegnungsfest der Siebenbürger Sachsen findet im Wechsel in den USA und Kanada statt. Ausrichter war heuer der Transylvania Club in Kitchener. Der Heimattag stand unter dem Motto „Erinnern – Gedenken – Vergeben“ und war ebenso wie der Heimattag zu Pfingsten in Dinkelsbühl und das Sachsentreffen im September in Birthälm dem 60-jährigen Gedenken an die Deportation der Siebenbürger Sachsen im Januar 1945 gewidmet.
Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Landsmannschaft in Kanada, John Penteker, betonte bei der Eröffnungsveranstaltung: „Wir gedenken dieses Ereignisses im Zeichen der Vergebung und wollen unsere gemeinsamen Kräfte für Frieden und Menschlichkeit einsetzen.“ Er zitierte Bayerns Innenminister Dr. Günther Beckstein, der als Festredner in Dinkelsbühl die Siebenbürger Sachsen als „Vorreiter eines modernen europäischen Denkens für Frieden und Freiheit“ bezeichnet hatte. Penteker schloss daraus: „Wir haben einen Ruf, und ich glaube, wir haben eine Aufgabe!“

Alfred Löwrick, der Präsident des Transylvania-Klubs Kitchener, begrüßte die Gäste von nah und fern und unterstrich die Bedeutung unserer Erinnerungen, die hier am Heimattag in unserer Sprache, unseren Liedern und im vielseitigen kulturellen Erbe weiterlebten. Kanada und die USA ermunterten die Siebenbürger Sachsen, ihre Kultur zu erhalten und zu pflegen. Penteker rief seine Landsleute auf, sich dieser Aufgabe zu stellen: „Kultur muss gelebt werden, und Heimattage dienen diesem Ziel.“

Robert Cunningham, erster stellvertretender Vorsitzender der Alliance of Transylvanian Saxons (ATS) in den USA, begrüßte die Teilnehmer im Namen seiner Landsleute und des ATS-Präsidenten David Bokesch. Er dankte den Siebenbürger Sachsen aus Kanada für die Ausrichtung des Heimattages und unterstrich die gute Zusammenarbeit zwischen den beiden landsmannschaftlichen Verbänden in den USA und Kanada.

Beste Grüße seitens der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, des Bundesvorstandes und des Bundesvorsitzenden Dipl.-Ing. Arch. Volker Dürr überbrachte der stellvertretende Bundesvorsitzende Dr. Bernd Fabritius, der unseren Verband als Ehrengast und Festredner in Kitchener vertrat. Er dankte für die Einladung und bestätigte den Landsleuten in Nordamerika, sie hätten „sicherlich ein ganz besonders glückliches Händchen bei der Auswahl ihrer neuen Heimat“ gehabt. Zu diesem Schluss komme man, wenn man die wunderschöne Natur in Kanada und den USA, aber auch den gelebten Zusammenhalt unserer Landsleute wahrnehme.


Dr. Bernd Fabritius, stellvertretender Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, während seiner Festrede in Kitchener.
Dr. Bernd Fabritius, stellvertretender Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, während seiner Festrede in Kitchener.

Ein Grußwort seitens des Bundesverbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich und des Bundesobmanns Volker Petri sprach Christine Morenz. Für viele Landsleute, die heute in Nordamerika leben, war Österreich eine helfende Zwischenstation auf dem beschwerlichen Weg der Vertreibung in den ersten Nachkriegsjahren. Gegenseitige Hilfe und Solidarität seien auch heute gefragt, sagte Morenz und rief dazu auf, die Patenschaft, die der Verband in Österreich über die Landsleute in Nordsiebenbürgen übernommen habe, zu unterstützen.

Kulturelle Darbietungen rundeten die Eröffnungsfeier ab: Zehn Kulturgruppen boten siebenbürgisch-sächsische Musik und Tänze dar. Auftritte der Kindertanzgruppe aus Kitchener und der Jugendtanzgruppen aus Kanada und den USA brachten jugendlichen Schwung in den Festsaal des Transylvania-Klubs. Mit viel Applaus wurden auch die Darbietungen der Chöre und der Hofbräu-Blaskapelle des Transylvania-Klubs Kitchener bedacht.

Rund 500 Gäste versammelten sich am Sonntag zum Trachtenumzug in Kitchener. Den Abordnung mit Fahnen von Kanada, den USA, Deutschland, Österreich, Rumäniens und der siebenbürgischen Fahne, die von den Vertretern der Jugendgruppen getragen wurden, folgten Ehrengäste und andere Teilnehmer zu den Klängen der Blaskapelle und hielten feierlichen Einzug in die Aula des K.C.I. Collegiate. Der von Pfarrer A. Pfeiffer (Pilgerkirche Kitchener) gestaltete Gottesdienst war ebenfalls dem Gedenken an die Russlanddeportation gewidmet. Pfarrer Pfeiffer wies darauf hin, dass sich Gott zwar einen kurzen Augenblick im Januar 1945 von unserer Gemeinschaft abgewandt habe. Er sei jedoch in die Verschleppung mitgegangen und habe unser Volk seither als guter Vater begleitet.

Bei der anschließenden Festveranstaltung begrüßte der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada, John Werner, die zahlreichen Gäste. Die rege Beteiligung insbesondere der Kulturgruppen sei ein Beweis für den Gemeinschaftssinn und die Verantwortung gegenüber der alten und neuen Heimat. Der Heimattag stehe im Zeichen der Versöhnung, des Dankes an Gott für die Rettung sowie für die in der neuen Heimat erlangte Freiheit.


John Werner, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada, begrüßte die zahlreichen Gäste im Transylvania-Klub.
John Werner, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada, begrüßte die zahlreichen Gäste im Transylvania-Klub.

In die Zukunft weisend sei die Botschaft der Zeitzeugen, die zum Frieden, zu Menschlichkeit und zu einer besseren Welt mahnen. „Zusammen mit unseren Landsleuten in Europa wollen wir bei diesem Heimattage zeigen, dass wir integrative Brückenbauer sind zum gesellschaftlichen Umfeld, in dem wir eine neue Heimat gefunden haben“, so Werner. Hier müsse auch unser kulturelles Erbe aufbewahrt und für kommende Generationen gesichert werden. Eine bedeutende Rolle spielten dabei die Kinder und Jugendlichen, die unser aller Unterstützung bedürften. Werner rief alle Landsleute auf, sich aktiv am siebenbürgisch-sächsischen Kulturleben zu beteiligen und einer der Gruppen beizutreten. Beim Föderationsjugendlager, das Anfang Juli 2005 in den USA stattfinden werde, könnten Jugendliche im Alter zwischen 16 und 19 Jahren ihre gemeinsamen Wurzeln entdecken und den kulturellen Schatz unserer Gemeinschaft pflegen.

Die Festrede des diesjährigen Heimattages in Nordamerika hielt der stellvertretende Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Dr. Bernd Fabritius. Besonders für die jüngeren Teilnehmer des Heimattages, denen das Schicksal der deportierten Vorfahren und vielleicht auch deren Sprache nur aus Erzählungen bekannt sei, erläuterte er zuerst in englischer Sprache Hintergründe und Folgen der Zwangsarbeit, zu der rund 30 000 Siebenbürger Sachsen im Januar 1945, kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges, verschleppt wurden. Es sei das „einschneidenste Ereignis“, dem die Siebenbürger Sachsen in der neueren Geschichte ausgesetzt worden seien. Das Motto des nordamerikanischen Heimattages weise einen guten Weg, wie wir mit diesem Ereignis umgehen könnten: Zur Erinnerung gebe es keine Alternative, diese seien wir unseren deportierten Landsleuten schuldig. Die Erinnerung dürfe alle Seiten des Schicksalsschlages umfassen, betonte Fabritius und zitierte Hannes Schuster, den ehemaligen Chefredakteur der Siebenbürgischen Zeitung, der vor zehn Jahren vor einer falschen Heroisierung dieser „Zeiten der äußersten Brutalität, des Existenz bedrohenden Zwangs, in denen die Individuen einer Gruppe auf den Urinstinkt des nackten Überlebens zurückgeworfen werden“ gewarnt hatte.



Fahnenabordnungen und siebenbürgisch-sächsische Trachtenträger beim Festumzug des Heimattages in Kitchener, Ontario (Kanada).
Fahnenabordnungen und siebenbürgisch-sächsische Trachtenträger beim Festumzug des Heimattages in Kitchener, Ontario (Kanada).


Fabritius führte weiter aus, dass Erinnerung als reines „Nichtvergessen“ dem Schicksal unserer Landsleute allerdings nicht gerecht werde: Vielmehr sei Gedenken erforderlich. Unsere Landsleute hätten Würdigung und Achtung verdient, und diese emotionalen, subjektive Komponente machten aus dem Erinnern erst Gedenken möglich. „Wie gedenken wir dieser Ereignisse?“, fragte der stellvertretende Bundesvorsitzende. „Indem wir das Positive, das unseren Landsleuten wichtig war und das Überstehen dieser Passage erst möglich gemacht hat, hoch halten, schätzen, in unser Leben übertragen und an unsere Nachkommen weitergeben! Ich meine damit ureigenste siebenbürgisch-sächsische Werte und Traditionen, die uns, unsere Gemeinschaft, in den letzten Jahrhunderten unserer Geschichte geprägt haben und die uns stark machen. Zusammengehörigkeitsgefühl ohne Ethnozentrismus, Bereitschaft zu einem demokratischen Miteinander, auch unter widrigen Umständen, und zur Versöhnung nach entstandenem Leid.“

Durch Erinnerung und Gedenken seien die Betroffenen – trotz des erlittenen Elends und Unrechts – zur Versöhnung bereit. Die ehemaligen Deportierten folgten damit dem biblischen Auftrag „Liebet eure Feinde“, sagte der promovierte Jurist. Denn „Feinde“ von gestern würden dadurch zu Mitmenschen von heute, mit denen an einem gemeinsamen Haus und – nach vorne gewandt – an einer gemeinsamen Zukunft gebaut werden könne.

Fabritius begrüßte die Position Rumäniens und zitierte den rumänischen Landwirtsminister Gheorghe Flutur, der beim diesjährigen Heimattag in Dinkelsbühl sein Bedauern über die Deportation geäußert und zugesichert habe, dass Rumänien „Gerechtigkeit und Wahrheit“ wiederherstellen werde. Dieses sei – so wurde Minister Flutur weiter zitiert – gleichsam die Losung des Regierungsbündnisses gewesen, mit dem es 2004 das Vertrauen der Bevölkerung und die Wahlen in Rumänien gewonnen hatte. „Rumänien sei gerne bereit, über alles offen zu sprechen, über das, was gut und schlecht gewesen sei in der gemeinsamen Geschichte. Rumänien sei vor allem bereit, die Fehler der Vergangenheit endgültig und vollständig wiedergutzumachen und die Folgen des Kommunismus zu beseitigen, die auch die Existenzgrundlage der siebenbürgisch-säschsischen Gemeinschaft in Siebenbürgen zerstört haben“, hatte Flutur in Dinkelsbühl gesagt.

Vergebung, die dritte Aufforderung im Motto des Heimattages, bedeute die Lösung, die nach vorne gerichtete Überwindung des Schicksals unserer deportierten Landsleute. Vergebung sei für uns das nötige Substrat, grenzüberschreitend in einer von Anonymität und Individualismus geprägten, globalisierten Welt als Gemeinschaft zu bestehen und auch als solche wahrgenommen zu werden. So könnten wir dazu beitragen, „dass Verbrechen, wie sie vor einem halben Jahrhundert in Siebenbürgen stattgefunden haben und in einigen Teilen der Welt auch heute noch möglich sind, sich nie mehr wiederholen“, erklärte der stellvertretende Bundesvorsitzende.

ATS-Präsident David Bokesch überreichte Fabritius einen Scheck in Höhe von 3611 US-Dollar. Die Spende der Landsleute in den Vereinigten Staaten ist für das Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen bzw. die Siebenbürgenhilfe bestimmt. Das kulturelle Programm wurde von folgenden Gruppen überzeugend mitgestaltet: Chor und Tanzgruppe aus Cleveland, Blaskapelle und Tanzgruppe Youngstown aus den USA; Transylvania Jugend- und Kindertanzgruppe, Chor, Sing- und Tanzgruppe, Hofbräu-Blaskapelle des Transylvania Klubs Kitchener sowie Tanzgruppe des Deutsch-Kanadischen Saxonia Klubs aus Kanada. Eine treffliche Verbindung zwischen Tradition und Moderne zeigten die Jugendtanzgruppen, die zur Freude des Publikums voll guter Laune und beschwingt siebenbürgisch-sächsische Tänze darboten, auch zu den modernen Klängen der „Amazonas Express“, die vom Band erklangen. Bei leckerem Essen, moselfränkischem Wein und vielen guten Gesprächen sei in den späten Nachmittagsstunden ein sehr erfreulicher Heimattag zu Ende gegangen, berichtet Bernd Fabritius für die Siebenbürgische Zeitung.

Betrachten Sie zum Heimattag in Kanada auch unser Fotoalbum.

Bewerten:

1 Bewertung: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.