erstellt am 03.11.2004 um 15:30 Uhr
Hallo Freunde der Sak(ch)sesch Wält,
Hallo Robert,hier noch ein Link zu einem Projekt der Uni Trier, hier wird unter anderem der Deutsche Dialektraum anhand der Wänker Sätze behandelt.
Bitte den Punkt Animationen
unter
Zweite Lautverschiebung besonders beachten.
http://gaer27.uni-trier.de/CLL/welcome.html
Für den Siebenbürgischen Mundartforscher ist diese Website durchaus interessant
weil hier auch auf das Moselfränkische eingegangen wird.
Die Siebenbürgischen Mundarten waren ja
bekanntlich an der zweiten Lautverschiebung nicht beteiligt.
Quelle:
Merian Siebenbürgen Heft 22.7
Es saß ein kleines Vögelein...
nach Bernhard Capesius
Fremde Reisende haben sich jahrhundertelang immer wieder gewundert, in Siebenbürgen, 600 Kilometer östlich von Wien, Städte und Dörfer deutsch sprechender Menschen anzutreffen. Martin Opitz, der 1622 bis 1623 ein Jahr lang am fürstlichen Kollegium Weißenburg (Alba Julia) unterrichtete, nannte diese Leute sogar respektvoll germanissimi Germani, ganz echte Deutsche. Noch größer aber war das Erstaunen des luxemburgischen Abbé de Feller, als er 1768 in Bistritz feststellte, daß dessen sächsische Bewohner sich im Umgang mit Fremden zwar der deutschen Hochsprache bedienten, "mais" leur langage propre est l'allemand de Luxembourg... L'etonnement de ces Saxons, ainsi que le mien, fût extréme, quand nous decouvrîmes I'identite de ces langues" (Aber ihre Verkehrssprache ist das Luxemburgische. Diese Sachsen erstaunten wie ich, als wir die Übereinstimmung unserer Dialekte entdeckten.) Wie klingt nun diese Mundart? Hören wir ein altes Volkslied:
Et såß e kli wält Vijeltchen
Af enem gräne Nestchen.
Et song de gånz Wängternocht,
De Stämm dä moßt äm klängen.
"Säng ta mer mih,säng ta mer mih,
Ta klenet wäldet Vijeltchen.
Ech wäll dir schreiwen auf denge Flijel
Mät giëlem Guld uch gräner Sekt."
Hålt ta de Guld, hålt ta deng Sekt,
Ech wäll dir nemih sängen.
Ech bän e kli wält Vijeltchen,
Und nemest kå mich zwängen.
(Es saß ein klein wild Vögelein / Auf einern grünen Ästchen. / Es sang die ganze Win-ternacht, / Die Stimme mußt ihm klingen. / "Sing du mir mehr, sing du mir mehr, / Du kleines wildes Vögelein. / Ich will dir schreiben auf deinen Flügel / Mit gelbem Gold und grüner Seid' "/ Halt du dein Gold, halt deine Seid', / Ich will dir nicht mehr singen. / Ich bin ein klein wild Vögelein, / Und niemand kann mich zwingen.)
Die Siebenbürger datten und watten
Die Eigenheiten der sächsischen Mundart, die den Abbé de Feller die identité rnit dem Luxemburgischen entdecken ließen - eine Feststellung, die auch immer wieder, bis auf den heutigen Tag, die irrige Ansicht über eine luxemburgische Herkunft der Siebenbürger Sachsen zur Folge hat - liegen vor allem im konsonantischen Lautstand. Die Siebenbürger Sachsen datten und watten nämlich, wie schon Sebastian Münster in seiner "Cosmography" (1543) vermerkt hatte. Er stellte sie dabei freilich den "nideren Teutschen", den Niederdeutschen, gleich, obwohl es dat und wat statt "das" und "was", (und noch dazu et für "es") auch bei allen Rheinländern bis südlich der Mosel heißt. Dagegen sagen die Niedersachsen Water, aber die Rheinländer südlich von Benrath wie auch die Luxemburger und die Siebenbürger Wasser. Noch weiter nach Süden, den Rhein aufwärts, reicht das luxemburgische und siebenbürgische Appel.
An Luxemburg und das nördliche Rheinland erinnern auch gutturale Verstärkungen (deng und Sekt in unserem Text); dazu kommt noch eine Reihe anderer Erscheinungen, die dem Siebenbürgischen einen ausgesprochen westfränkischen Charakter verleihen. Und doch finden sich auch ostmitteldeutsehe Elemente (f statt p in Fangd für "Pfund"), die beweisen, daß sich im Laufe der Jahrhunderte an der Einwanderung nach Siebenbürgen Angehörige verschiedener deutscher Gebiete beteiligt haben. Hier hat sich dann durch Mundartmischungen und Mundartausgleich ein sprachlicher Neustamm entwickelt, der mit dem Luxemburgischen nur die Basis gemein hat. Außerdem enthält unsere Mundart noch mancherlei, was im großen deutschen Sprachgebiet überhaupt nicht oder wenigstens nicht mehr vorkommt. Das gilt besonders für den Wortschatz. Alte deutsche Wörter sind noch erhalten (gedohn für "gespannt voll"), andere wieder haben zusätzliche Bedeutungen angenommen (gewinnen heißt auch und vor allem "herausnehmen", sich hüten auch "ausweichen"), manchmal sogar eine entgegengesetzte (hähär heißt "von hier" und nicht "hierher"). Andere allgemeine deutsche Wörter wieder fehlen, etwa "Wald", wofür man Bäsch, oder "Speck", wofür man Baflisch, Fleisch von der Bache (mhd. bache "Speckseite"), sagt. Vor allem aber sind aus den Sprachen der anderen auf dem Boden Siebenbürgens lebenden Völker zahllose Fremdwärter eingedrungen, die heute oft nicht mehr als solche empfunden werden, sondern die einzig gängige Bezeichnung darstellen (Kratzewetz für "Gurke" aus dem Rumänischen,Bika für "Stier" aus dem Ungarischen). Und schließlich gibt es allgemein verbreitete Ausdrücke, deren Herkunft gar nicht erklärt ist (Palukes für "Maisbrei", ängem für "schlimm"). Während der geschriebene konsonantische Lautstand in der ganzen siebenbürgisch-sächsischen Sprachlandschaft ziemlich einheitlich ist, herrscht bei den Vokalen eine "Buntscheckigkeit" vor, die immer wieder Anlaß zu Verwunderung und zu allerlei Späßen gibt. So heißt es: Was die Bistritzer anziehn (Hosen "Hosen"), essen die Schässburger (Huesen "Hasen"), und was die Schässburger anziehn (Huesen "Ho-sen"), essen die Hermannstädter (Huesen "Hase"). Die Buntscheckigkeit geht so weit, daß für das Wort "Gans" allein in der Hälfte der 248 Orte, in denen heute die sächsisehe Mundart noch gesprochen wird - oder bis vor kurzem gesprochen wurde -, 65 verschie-dene Lautungen gezählt wurden. Dabei kommt es auch vor, daß das Wort für "Gans" in Bodendorf Guiß ist, in einem andern Ort, in Hahnbach, Guiß aber "Geiß" bedeutet. Was Wunder, wenn bei dieser Sprachverwirrung die Legende auftauchte, sächsische Bauern aus verschiedenen Landesteilen müßten, wenn sie einander verstehen wollten, rumänisch sprechen.
Schriftdeutsch nur für die Gebildeten
Warum sprechen sie dann nicht hochdeutsch? Das erklärt nun eine andere Eigentümlichkeit dieser Sprachlandschaft. Jahrhundertelang ist die Mundart nur gesprochen, die Hochsprache aber ausschließlich beim Lesen und Schreiben verwendet worden. Das ging so weit, dass die Kinder in der Schule hochdeutsch buchstabieren, aber sächsisch "heraussprechen" lernten. Und nicht nur etwa"g-u-t" gat, sondern auch "W-a-l-d" Bäsch und"S-p-e-c-k" Båflisch. Diese Doppelsprachigkeit soll sich ein kleiner Schlaumeier zunutze gemacht haben, indem er seinem Vater, der nicht lesen konnte, einen Zettel des Lehrers folgendermaßen vorlas: D-e-r H-a-n-s i-s-t äs s-e-h-r sihr f-a-u-I fleißich. So konnten die Bauern wohl einen schriftdeutschen Text verstehen - und ihn aus den Ge-sangbüchern in der Kirche auch singen -, aber schriftdeutsch sprechen konnten nur die Gebildeten und auch diese nicht immer fließend. Als nach dem Tode Karls VI. (1740) die üblichen Leichenpredigten gehalten wurden, kam, so erzählt die Chronik, "in Kronstadt auch Stadtpfarrer Igel an die Reihe. Hierzu wurden allerhand katholische Officiers und Herrschaften invitieret, die auch zugegen gewesen. Damit sie ihn nun verstehen möch-ten, so sollte der gute Mann in hochdeutscher Sprache reden, er ist aber stecken geblieben und hat in seiner lieben Muttersprache fortreden müssen, darüber sich die Herren sehr moquieret."
Dieser mangelnden Beherrschung des gesprochenen Hochdeutschen lag sogar eine gewisse Feindseligkeit zugrunde. Darüber vermerkt der schwedische Gesandtschaftsprediger Conrad Jacob Hiltebrand im Jahre 1656: "Den so ein Studiosus aus Teutschland wieder heim kömbt, muß er nicht mehr Hochteutsch reden; sollte Er in Hochteutseher Sprach einen Sermon in der Kirchen zu halten Sich unterstehn, würden Ihn die Einwohner von der Cantzel herunter steinigen."
Was veranlaßte die germanissimi Germani zu einer solchen Einstellung? Die anderthalb Jahrhunderte hindurch gültige Theorie, das Siebenbürgisch-Sächsische sei nichts ande-res als die Fortsetzung des Dakischen der Ureinwohner, das als ein Zweig des Getischen angesehen, welches wieder dem Gotischen gleichgestellt wurde. Damit aber wollte die politische Führung den Ungarn gegenüber das Vorrecht der Sachsen auf dem Boden Siebenbürgens unterbauen, und daher galt die "gemeine Landsprache" bei allen öffentlichen Veranstaltungen aIs allein zulässig.
Das Revolutionsjahr 1848 machte auch diesem alten Zopf ein Ende. Seither wird in Predigt und Unterricht schriftdeutsch gesprochen, die Mundart dient nur noch als Hilfssprache im Kindergarten oder in manchen Orten auch bei Trau- oder Grabreden. Das hindert aber nicht, daß sie etwa wie das Schwyzerdütsch oder das Luxemburgische bis in die Kreise der Intellektuellen hinein heute noch die allgemeine Umgangssprache ist und auch eine umfangreiche Literatur hervorgebracht hat.
Grüße
Eduard Eitel
[Dieser Beitrag wurde von E.Eitel am 03.11.2004 editiert.]
[Dieser Beitrag wurde von E.Eitel am 03.11.2004 editiert.]